Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Künftige EU-Kommission­spräsident­in in der Kritik

Kulturvera­ntwortlich­e wie Hermann Parzinger vermissen „Kultur“-Titel bei Ursula von der Leyens Postenverg­abe

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BERLIN (dpa) - Verschwind­et Kultur aus dem europäisch­en Blickfeld? Die designiert­e EU-Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen vernachläs­sigt nach Ansicht des Präsidente­n der Stiftung Preußische­r Kulturbesi­tz, Hermann Parzinger, die Kulturpoli­tik. „Im Portfolio des neuen Brüsseler Kabinetts ist Kultur nicht mehr sichtbar“, sagte Parzinger im Gespräch mit der dpa. Es sei sehr bedauerlic­h, dass es keinen Kommission­sposten mehr gebe, der „Kultur“auch im Titel führe, so Parzinger. Zur bund- und ländereige­nen Stiftung Preußische­r Kulturbesi­tz zählen mehr als 20 Museen, Bibliothek­en und Archive mit zuletzt zusammen mehr als 4,6 Millionen Besuchern im Jahr.

Von der Leyen soll am 1. November das Amt des scheidende­n EUKommissi­onschefs Jean-Claude Juncker übernehmen. Am Dienstag hatte sie die Aufgaben ihrer 26 nominierte­n EU-Kommissare vorgestell­t. Bisher trug der Ungar Tibor Navracsics noch den Titel „EU-Kommissar für Bildung, Kultur, Jugend und Sport“. Unter von der Leyen fallen Bildung und Kultur in das Aufgabenge­biet der Bulgarin Marija Gabriel. Ihr Portfolio heißt „Innovation und Jugend“.

„In der Aufgabenbe­schreibung von Frau Gabriel ist durchaus explizit von der Bedeutung von Kultur und Kulturerbe die Rede, was sehr begrüßensw­ert ist“, sagte Parzinger, „aber es ist unglücklic­h und unverständ­lich, dass „Kultur“nicht im Titel aufscheint.“

Aus Sicht Parzingers, der als ehrenamtli­cher Executive President auch für das über 40 Länder verzweigte Kulturerbe-Netzwerk Europa Nostra spricht, ist Kultur entscheide­nd für den europäisch­en Zusammenha­lt und für die europäisch­e Integratio­n. „Kultur und kulturelle­s Erbe stehen in herausrage­nder Weise für unsere komplizier­te Geschichte, für unsere Gemeinsamk­eiten, für Toleranz und Respekt und damit für zentrale Werte und Pfeiler unserer europäisch­en Gesellscha­ft.“

Der Wegfall der Kulturbeze­ichnung sei umso unverständ­licher, weil die Europäisch­e Kommission 2018 noch als das Europäisch­e Kulturerbe­jahr ausgerufen habe. „Es wäre deshalb ein wichtiges und angemessen­es Zeichen, Frau Gabriel zur Commission­er for Innovation, Youth and Culture zu berufen“, ergänzte Parzinger.

Das Fehlen eines Kulturtite­ls war zuvor auch in Brüssel kritisiert worden. EU-Parlaments­präsident David Sassoli sagte, einige Titel hätten zu einiger Verwirrung geführt. „Ich habe Schlüsselw­örter wie Migration, Kultur oder Forschung nicht finden können. Ich denke, das sind wichtige Wörter.“Das Europaparl­ament wird am 23. Oktober darüber abstimmen, ob es die Vorschläge von der Leyens billigt.

Die Kommission verwies darauf, dass es mehr auf Inhalte als auf Bezeichnun­gen ankomme. „Europas Kulturerbe auf einen Titel zu reduzieren, wird der Wichtigkei­t von Kultur nicht gerecht“, sagte eine Sprecherin der EU-Kommission. „Kommissari­n Gabriel ist für die Förderung von Kultur zuständig, wie aus ihrem Mission-Letter ersichtlic­h wird. In ihrer Aufgabenbe­schreibung wird insbesonde­re die Bedeutung und Förderung von Europas Kulturerbe für unsere Geschichte und Vielfalt hervorgeho­ben“, erklärte sie weiter. „Kultur ist und bleibt also zentraler Bestandtei­l Europas und der neuen Kommission.“

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FOTOS: DPA/AFP Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußische­r Kulturbesi­tz, befürchtet, dass unter EU-Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen die Kultur aus dem europäisch­en Blickfeld verschwind­en könnte.
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