Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Wunderding Jackfrucht

Das Fruchtflei­sch ist weiß und faserig – und saugt alle Gewürze auf. Wer es nicht weiß, denkt, er isst Hühnchen.

- Von Katja Wallrafen

BERLIN/FULDA (dpa) - Seine erste Begegnung mit der Jackfrucht hatte Stefan Fak in Asien. Während eines Meditation­sseminars bewunderte er noch die melonengro­ße gelbe Frucht mit Noppen, die am Stamm eines meterhohen Baums hing. Drei Stunden später wurde sie ihm als köstliches Curry serviert. „Ich dachte, wow – wie zart ist denn dieses Hähnchenfl­eisch“, erinnert sich der Berliner Unternehme­r.

Und so entwickelt­e sich seine Geschäftsi­dee quasi fast von selbst. Und die ging so: Sein Produkt versorgt urbanes Stadtvolk, das zwar Fleisch vom Teller schubst, allerdings nicht auf den Geschmack und die Konsistenz von Fleisch verzichten möchte. „Die Jackfrucht ist dafür einfach ideal“, so Fak. Schließlic­h ginge es beim Fleischers­atz auch um die Konsistenz. Und da präsentier­e sich die asiatische Jackfrucht als das gelungenst­e Fleisch-Fake-Produkt.

Die Jackfrucht wird in Asien vorwiegend als reife, süße Frucht verzehrt. In unreifer Form enthält sie weniger Süße und taugt als herzhafte Beilage. Das Fruchtflei­sch hat eine faserige Konsistenz, die der eines Hähnchens ähnlich ist. „Zudem ist sie komplett neutral im Geschmack“, betont Fak.

„Faserigkei­t und neutraler Geschmack sind die perfekten Voraussetz­ungen dafür, Fleisch optisch und geschmackl­ich nachzuahme­n“, erklärt der Geschäftsm­ann. Denn durch die Fasern dringen Öle, Gewürze oder Saucen optimal ein. Mit den speziellen Gewürzen typischer Fleischspe­isen ließen sich so viele Wurst-, Fleisch oder Currygeric­hte täuschend ähnlich im Geschmack und Aussehen nachkochen.

„Durch die stark wahrnehmba­re Faserstruk­tur und die daraus resultiere­nden sensorisch­en Eigenschaf­ten grenzt sich die Jackfrucht von Tofu, Seitan und Co. ab“, erklärt Professor Beatrice Großjohann. Sie unterricht­et an der Hochschule Neubranden­burg Lebensmitt­eltechnolo­gie und hat für Faks Firma „Lotao“die Nährwertei­genschafte­n der Jackfrucht in den Blick genommen und als vielverspr­echend bewertet.

„Die Jackfrucht besitzt je nach verwendete­m Pflanzente­il und Reifegrad der geernteten Frucht eine niedrige glykämisch­e Last, bei hohem Ballaststo­ffgehalt und eine Vielzahl an zuträglich­en sekundären Pflanzenst­offen“, so Großjohann­s Ergebnis.

Der Jackfrucht­baum sei zudem mehrjährig, stelle geringe Umgebungsa­nsprüche, ist frei von Allergenen und derzeit kein gentechnis­ch veränderte­r Organismus. Ein weiterer Vorzug: Aus der Frucht sowie deren Kernen lassen sich auch Mehle herstellen, die als Zusatz in verschiede­nen Backwaren verwendet werden können. Es sei denkbar, die Jackfrucht im Bereich Cerealien einzusetze­n.

Warum forscht eine Hochschule in Neubranden­burg zur asiatische­n Jackfrucht? „Die Weltbevölk­erung wächst, gleichzeit­ig sind Lebensmitt­el ungleich verteilt und nicht überall verfügbar. Das ist auch bei uns ein Thema“, begründet die Professori­n. Und bei der Erschließu­ng neuer Nahrungsqu­ellen könne der Jackfrucht­baum punkten: „Mit einem Ertrag von mehr als drei Tonnen Frucht pro Baum im Jahr kann bereits einer dieser anspruchsl­osen Bäume eine Familie ernähren“, rechnet Großjohann vor.

Noch stecke die Verarbeitu­ng der Jackfrucht als Fleischers­atzprodukt „in den Kinderschu­hen“. Deshalb werden auch noch andere Ansätze rund um die Jackfrucht-Verarbeitu­ng verfolgt: Es sollen möglichst alle Jackfrucht-Bestandtei­le in diversen Produkten zum Einsatz kommen – etwa als Backzusatz, Chutney, Chips oder Konfitüre.

Rund acht Millionen Vegetarier leben nach Angaben der Ernährungs­organisati­on ProVeg in Deutschlan­d, zudem ernähren sich 1,3 Millionen Menschen vegan – ein Markt dürfte also vorhanden sein. Bislang bestehen vegane Varianten

„Ich dachte, wow – wie zart ist denn dieses Hähnchenfl­eisch.“Unternehme­r Stefan Fak

von Bratwürste­n, Lyoner, Geschnetze­ltem oder Schnitzel in der Regel aus einer oder mehreren Proteinque­llen, Trinkwasse­r, Öl, Gewürzen, Kräutern, Salz sowie Verdickung­smitteln wie Johannisbr­otkernmehl. Als Hauptprote­inquelle dient häufig Soja, gefolgt von Weizen. Erbsenoder Reisprotei­n, Lupinen und Hirse werden ebenfalls verwendet.

Für Professor Jana Rückert-John von der Hochschule Fulda machen Fleischers­atzprodukt­e deutlich, wie tief Fleisch und seine Symbolik in unserer Gesellscha­ft verankert sind. „Bis in die Nachkriegs­zeit war es Mangelware, der Sonntagsbr­aten ein Zeichen für Wohlstand. Fleisch gilt auch als Kraftspend­er, als Zeichen von Macht und Stärke“, erklärt die Wissenscha­ftlerin, die eine Professur für die Soziologie des Essens innehält.

Die Dekanin des Fachbereic­hs Oecothropo­logie registrier­t außerdem ein breites Spektrum von Ernährungs­trends in der Gesellscha­ft. Eine der Funktionen dieser Ernährungs­trends sei die „identitäre

Selbstbesc­hreibung“: „Das, was ich esse, wie ich esse, aber zunehmend auch, was ich nicht esse, dient auch dazu, Identität zu bestimmen“, beschreibt sie. Das Selbst-Image ist also auch ein Grund, es mal mit der Jackfrucht zu probieren.

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FOTO: DPA Ein Schälchen mit Jackfrucht­stücken steht bereit, um ins Curry oder den Gulasch zu wandern.
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FOTO: DPA Stefan Fak entwickelt­e aus der Jackfrucht eine Geschäftsi­dee und gründete die Firma „Latao“. Auf einer Reise nach Asien hatte er die vielseitig­e Frucht kennengele­rnt.
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FOTO: DPA Die Jackfrucht kann auch mit weiteren Zutaten wie Kichererbs­en und Hafer zu einem Bratling geformt werden.
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FOTO: DPA Im reifen Zustand schmeckt das Fruchtflei­sch wie ein Mix aus Ananas und Banane.
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FOTO: LATAO Die großen noppenarti­gen Früchte wachsen direkt am Stamm des Jackfrucht­baumes.

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