Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

„Wir setzen auf eine bodenständ­ige, unaufgereg­te Politik“

CDU-Abgeordnet­er Raimund Haser spricht über ÖPNV, Kiesabbau und Straßensan­ierung

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KREIS RAVENSBURG - Der ÖPNV muss billiger, die Infrastruk­tur insgesamt verbessert, das Gewerbegeb­iet Ikowa bei Kißlegg gebaut und die Rohstoffve­rsorgung mit Kies gesichert und werden: Das sagt der CDU-Landtagsab­geordnete Raimund Haser aus Immenried im Interview mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Die Fragen zu aktuellen Themen in seinem Wahlkreis stellten ihm Patrick Müller und Tobias Schumacher.

Herr Haser, die Grünen werden, vor allem mit Blick auf die Kommunalwa­hl 2019, auch hier zuletzt immer stärker: Ist die Zeit des „schwarzen Allgäus“vorbei? Raimund Haser:

Insgesamt ist die Gesellscha­ft natürlich bunter geworden. Und das Allgäu war schon immer schwarz und grün, selten rot. Dass die Verhältnis­se immer schwanken, sieht man auch in anderen Parlamente­n. Aber in der Dramatik, in der es teilweise kommentier­t worden ist, habe ich es nicht empfunden. Auch wenn sich die Verhältnis­se in manchen Gremien verschoben haben, würde ich auf jeden Fall nicht von einem „grünen Allgäu“sprechen – es sei denn es geht um unsere Landschaft.

Die CDU hat, betrachtet man die Mitgliedsz­ahlen, in Baden-Württember­g eine viel größere Basis als die Grünen. Warum schlägt sich das nicht in den Wahlergebn­issen nieder?

Ich glaube, das hat viel mit den Themen zu tun, die gespielt werden. Wenn man über Klimaschut­z, Plastik und Biodiversi­tät spricht, kann es gut sein, dass die Grünen, die diese Themen schon länger bespielen, Vorteile haben. Aber das ändert nichts daran, dass Themen wie Wirtschaft, Sicherheit und Infrastruk­tur nach wie vor da sind. Derzeit leben wir in einem absolut grünen Hype, und das sei ihnen auch gegönnt, aber ich glaube nicht, dass das von Dauer ist.

Warum setzt die CDU thematisch nichts dagegen?

Wir setzen eine Politik entgegen, die sehr bodenständ­ig und unaufgereg­t ist, wenn auch vielleicht nicht immer tagesaktue­ll. Dabei zählt nicht der schnelle, kommunikat­ive, sondern der nachhaltig­e Erfolg.

Thema öffentlich­er Personenna­hverkehr und abgehängte Ortschafte­n: Wie müsste man hier aus Ihrer Sicht besser reagieren?

Der ÖPNV sieht bei uns schon viel besser aus als noch vor zehn oder 15 Jahren. Sowohl der Kreis als auch das Land investiere­n viel in sinnvolle Verkehrsko­nzepte, die etwa mit dem Baden-Württember­g-Ticket oder dem Bodo-Verbund besser funktionie­ren als früher. Die Kritik ist denbraucht noch berechtigt. Zum einen glaube ich, dass der ÖPNV insgesamt billiger werden muss, langfristi­g im Schülerber­eich sogar kostenlos. Zum anderen müssen wir Pendlerstr­öme besser berücksich­tigen. So wie etwa bei den Schnellbus­verbindung­en zwischen Konstanz oder Wangen und Ravensburg. Und ich glaube, dass die Elektrifiz­ierung der Allgäubahn und der Südbahn den ÖPNV im Süden Baden-Württember­gs in eine neue Dimension bringen wird.

Und wo liegt das Problem beim ÖPNV direkt vor Ort, beispielsw­eise zwischen Wangen und Haslach?

Die Kostenstru­ktur im ÖPNV ist brutal. Wenn man sieht, wie wenig Anteil der Kartenverk­auf an der Finanzieru­ng hat, ist es eigentlich fast komplett eine öffentlich­e Leistung. Außerdem brauchen wir dazu Dienstleis­ter, Busse, Unternehme­n, die investiere­n, und Busfahrer. Das alles liegt nicht immer in der Hand der Politik. Aber ich glaube, dass das Thema Digitalisi­erung, etwa durch digitalisi­erte On-Demand-Angebote, in Zukunft eine größere Rolle spielen kann. Also dass der Bus dann fährt, wenn die Leute ihn tatsächlic­h brauchen und nicht nur nach einem starren Fahrplan. Aber klar ist: Der ländliche Raum wird für den ÖPNV immer ein schwer abzudecken­des Gebiet sein.

Ein aktuelles gewerblich­es Streitthem­a ist der Kiesabbau in der Region: In welche Richtung soll es hier grundsätzl­ich gehen?

Der Bedarf wird nicht abnehmen. Selbst wenn wir die Exporte in die Schweiz und nach Österreich stoppen würden, hätten wir immer noch neun von zehn Kieslaster­n auf der Straße. Das Problem ist nicht der Abbau, sondern der Transport. Die Wege sind vielen ein Dorn im Auge. Es zu diesem Thema ein umfassende­s Konzept, wenn wir die Akzeptanz in der Bevölkerun­g nicht gänzlich verlieren möchten.

Wie könnte das aussehen?

Das Problem liegt im System: Es wäre gut, wenn ein Lastwagen immer die nächst gelegene Grube anfährt. Aber Preisverze­rrungen im Markt führen zu problemati­schen Transporte­n. Wir werden nicht auf neue Abbaufläch­en und Gruben verzichten können. Ob eine Grube aber tatsächlic­h ausgehoben wird, ist eine Frage des genehmigun­gsrechtlic­hen Verfahrens. Hier habe ich großes Vertrauen in unsere Institutio­nen, dass diese verantwort­ungsvoll im Sinne der Bürger und der Rechtsstaa­tlichkeit handeln. Ich selbst verfolge immer eine Politik der leisen Sohlen in Gesprächen mit Branchenve­rtretern, der Landesregi­erung, den Interessen­vertretern, wenn das Thema angesproch­en wird. Anderersei­ts bin ich enttäuscht, dass dort, wo die großen Hebel sitzen, das Thema nicht in der Brisanz gesehen wird wie hier bei uns. Zuletzt möchte ich aber auch auf unsere Pflicht zur Rohstoffve­rsorgung hinweisen. Daran kommen wir nicht vorbei.

Die Vorkommen könnten auch geschont werden: Bereits im März 2017 haben Sie im Landtag einen Antrag gestellt, dass bei Ausschreib­ungen der öffentlich­en Hand mehr Recycling-Baustoffe berücksich­tigt werden. Was ist dabei herausgeko­mmen?

Zunächst einmal: Es ist abartig, wie viel Dreck wir durch die Gegend fahren und wohin! Dazu gibt es die Bürokratie bei der Beprobung von ausgehoben­em Erdreich, die zum Abtranspor­t von astreinem Boden oder eigentlich wiederverw­ertbarem Abbruchmat­erial führt. In der Gesamtscha­u sollte geprüft werden, ob das nicht intelligen­ter geregelt werden könnte. Und dann sind unsere Bauvorschr­iften so, dass es zwar verwertbar­es Recycling-Material gäbe, das die Statiker und Bauherren aber wegen der Bauvorschr­iften nicht verwenden. Hier müssen wir die Verordnung­en ändern und überhaupt den Materialve­rbrauch reduzieren. Außerdem wird das Thema in Baden-Württember­g und Bayern anders gehandhabt, das ist für unsere Grenzregio­n nicht zuträglich. Bei uns wird Material als Müll deklariert, das andernorts verwendet wird – wobei zwischen Müll und Rohstoff natürlich ein schmaler Grat verläuft.

In der Region stockt die Sanierung von Landesstra­ßen. Sie haben das wiederholt thematisie­rt, gibt es Neuigkeite­n?

Leider nein. Infrastruk­turpolitik im ländlichen Raum heißt, dicke Bretter zu bohren, ganz egal ob bei Radwegen, Landesstra­ßen oder Brücken. Es gibt zu wenig Planungska­pazität im System, aber auch zu wenig Aufmerksam­keit für unsere Region. Der Preisansti­eg im Baugewerbe und der Fachkräfte­mangel tun ihr Übriges. Anderersei­ts bin ich mit den Leistungen bei abgeschlos­senen Bauprojekt­en hoch zufrieden: Unterführu­ngen bei Haselburg, Landesstra­ße Herlazhofe­n-Tautenhofe­n, Sanierung der Straße Reichenhof­en-Diepoldsho­fen und im weiteren Verlauf der Radweg nach Bad Wurzach. Es wird schon gebaut, und das Regierungs­präsidium in Tübingen ist bemüht, nicht nachzulass­en. Aber wenn man sich überlegt, dass allein Bad Wurzach über 500 Kilometer Straßennet­z hat, dann wird das Problem offensicht­lich. Gelöst werden könnte es nur durch mehr Planungen, Geld, Personal und weitere Anstrengun­gen, um dem ländlichen Raum gerecht zu werden. Aber die Infrastruk­tur ist auch im aktuellen Haushalt nur ein Bittstelle­r unter vielen. Das darf man nie vergessen.

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FOTO: BASTIAN SCHMIDT Der Landtagsab­geordnete Raimund Haser im Gespräch mit den SZ-Redakteure­n Patrick Müller und Tobias Schumacher (von links).

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