Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Bei Hermanns Besuch hagelt es Kritik
Themen sind Mobilität, öffentlicher Nahverkehr
MENGEN - Eine angeregte Fragestunde hat sich am vergangenen Donnerstagabend zwischen Verkehrsminister Winfried Hermann und den vielen Besuchern im katholischen Gemeindehaus entwickelt. Der Minister war auf Einladung der Grünen-Landtagsabgeordneten Andrea Bogner-Unden nach Mengen gekommen. Es ging um die Mobilität der Zukunft, um den öffentlichen Nahverkehr, um die Bahn, das Radfahren und den Straßenbau. Es hagelte viel Kritik. Die Politik habe in den vergangenen Jahrzehnten die Menschen im ländlichen Raum gerade dazu erzogen, alle Strecken mit dem Auto zu fahren, und jetzt wundern sich alle, dass die Umstrukturierung der Mobilität schwierig sei, warf eine Bürgerin dem Minister vor.
Minister Hermann hielt zu Beginn einen Vortrag, in dem er einen Überblick zum Thema Mobilität der Zukunft gab. „Was denken Sie, wie Sie 2050 unterwegs sein werden. Was brauchen wir dazu?“, fragte er die Zuhörer. An der Mobilitätswende müsse jetzt intensiv gearbeitet werden, sonst werde in 20 Jahren ein radikaler Schnitt kommen. Die weltweiten Trends zeichnen sich deutlich ab: Es gehe in Richtung klimaneutrale Antriebe, vernetzte Mobilität und autonomes Fahren. In China wurden im vergangenen Jahr 800 000 E-Fahrzeuge zugelassen, in Deutschland gerade mal 10 000. Die Digitalisierung werde die gemeinschaftliche Mobilität ermöglichen. Doch es sei auch klar, dass im ländlichen Raum keine S-Bahn fahren werde, so Hermann.
In Straßenbau investieren
Wie soll es demnach in der Region Ravensburg, Mengen, Stuttgart 2050 aussehen? In die Sanierung der Straßeninfrastruktur werde sehr viel investiert, berichtete Hermann. Der Ausbau des Schienenverkehrs sei voranzutreiben. „Die Züge müssen pünktlicher fahren“, forderte er und erntete dafür den ersten Applaus. Die Bahn habe nicht rechtzeitig modernisiert, die Privatisierung habe zu einem Kahlschlag geführt. Das Land bezuschusse den Regiobus zwischen Sigmaringen und Überlingen, weil es da keinen Schienenverkehr gebe. Er habe die Anregung von Bürgermeister Stefan Bubeck aufgenommen, eine weitere Buslinie von Mengen nach Friedrichshafen einzurichten, aufgegriffen, kündigte er an. Der Landkreis sei nun aufgefordert, die Radwege dort auszubauen, wo sie strategisch richtig seien. Das ist ein Kurswechsel. Auch die Fußwege müssen sicherer werden und Spaß machen: Die Richtlinien für die Schaffung von Zebrastreifen seien nun vereinfacht worden, ergänzte Hermann.
In der Diskussionsrunde ging es viel um die Bahn. Die Anwesenden ärgerten sich über die Verspätungen und die Anschlüsse, die man dadurch nicht erreicht. Die Wagen seien veraltet und die Preise zu hoch. Sie forderten einen Stundentakt. Verkehrsminister Hermann gab ihnen Recht: Ein guter ÖPNV im ländlichen Raum bedeute 365 Tage im Jahr, von 6 bis 24 Uhr, im Stundentakt. Die Landkreise seien aufgefordert, ein Grundangebot zu entwickeln, das Land gebe dazu einen Zuschuss. „Die Landkreise müssen sich daran gewöhnen, Mittel für den ÖPNV in den Haushalt aufzunehmen“, sagte er.
Barrierefreie Toiletten
Auch sei zu überlegen, ob Kommunen nicht eine Abgabe für den ÖPNV erheben sollten, um die Kosten für einen guten ÖPNV zu finanzieren. Über die Qualität der Wagen wurde diskutiert: Hermann erklärte, das Land fordere bei den Ausschreibungen, dass die Wagen klimatisiert, die Toiletten barrierefrei seien und es Wlan geben solle.
Eine Bürgerin brachte es auf den Punkt: „Wir sind im Landkreis nicht viele, es gibt wenig Geld, jeder hat den Führerschein und sein Auto. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu pendeln, habe ich aufgegeben. Was tun Sie, um uns zurückzugewinnen?“, fragte sie. Der Verkehrsminister zählte ein Bündel an Maßnahmen auf und regte auch an, eine neue Mobilitätskultur zu entwickeln. Doch war im Saal deutlich zu spüren: Viel Optimismus kam nicht auf.