Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Krönung im größten Kampf der Karriere

Anatoli Muratov stehen nun einige Türen im Profiboxen offen – Zukunft als Vollprofi?

- Von Thorsten Kern

FRIEDRICHS­HAFEN - Schon als Anatoli Muratov sich nach rund 40 Sekunden in der dritten Runde duckte, wusste er, dass gleich seine Chance kommen könnte. Und so war es auch. Der Friedrichs­hafener Boxer wich dem Schlag von Ilias Essaoudi aus, mit der Linken traf er seinen Gegner dann voll am Ohr. Essaoudi hatte den – gar nicht mal festen, aber hoch effektiven Schlag – nicht kommen sehen, sackte zu Boden. Muratov hatte sein großes Ziel erreicht. Vor rund 3000 Zuschauern in der ZF-Arena krönte sich der 31-Jährige erstmals in seiner Karriere zum Interconti­nental-Meister nach Version der WBA im Mittelgewi­cht.

Es war der sportliche Höhepunkt von „Boxen live – Sport im Süden“, der Veranstalt­ung des Ravensburg­er Promoters Benedikt Poelchau und dessen Partner Ulf Steinforth von SES aus Magdeburg. Und vor, während und nach diesem Kampf ging es wirklich nur ums Sportliche.

„Es lief super“, meinte Steinforth – generell zur Veranstalt­ung und natürlich auch zum Ausgang des letzten Kampfes in der ZF-Arena. Steinforth ist sich sicher: „Sollte Muratov noch mal hier boxen, ist es ganz schnell ausverkauf­t.“Zwar machten die Fans am späten Samstagabe­nd beim Kampf des Ravensburg­ers Yasin Basar noch ein bisschen mehr Stimmung, jedoch wurde Basars Gegner vereinzelt auch mit Affenlaute­n verunglimp­ft. Beim Duell zwischen Muratov und Essaoudi war es auch extrem laut in der Heimstätte der VfB-Volleyball­er – Beleidigun­gen blieben aber aus.

Zuschauer beim Freund

Für Muratov ging es in seinem ersten über zwölf Runden angesetzte­n Kampf um eine ganze Menge. Zum einen wollte der 31-Jährige seinen Jugendfreu­nd und Manager Benedikt Poelchau nicht enttäusche­n – der ihm den Kampf seines Lebens vor der Haustür erst ermöglicht­e. Zum anderen stand sportlich viel auf dem Spiel. Essaoudi kam mit einem guten Kampfrekor­d nach Friedrichs­hafen (15 Siege in 16 Kämpfen, darunter zwölf K.o.-Siege). Und es ging um einen bedeutende­n Titel.

Muratov kämpfte erst um 22.45 Uhr, doch auch vier Stunden vorher wirkte er erstaunlic­h ruhig und gelöst. „Ich habe super trainiert, ich bin fit, ich freue mich“, sagte er da. Muratov nahm sich sogar noch Zeit, kurz beim Kampf von Yasin Basar am Ring vorbeizusc­hauen. Als er dann später selbst im Ring stand, dauerte es nur knapp zehn Minuten Kampfzeit – dann brach in der ZF-Arena ohrenbetäu­bender Jubel aus und Muratov hüpfte durch den Ring. Mit besagter Linken hatte er Essaoudi auf die Bretter geschickt und sich damit nicht nur den WBA-Gürtel gesichert, sondern auch den Einzug unter die besten 15 Mittelgewi­chtler der Welt. „Es ist alles aufgegange­n, was ich mir erwünscht habe“, sagte Muratov noch im Ring. „Ich hatte natürlich auch Glück, vielleicht so viel wie noch nie.“Denn solch ein Schlag hat nicht immer diese Wirkung wie am Samstag.

Steinforth stellte dem Lokalmatad­oren ein gutes Zeugnis aus. „Er hat sich dadurch was Schönes aufgebaut und kann stolz sein“, meinte der Chef der Promoterfi­rma SES. „Aber er muss jetzt dranbleibe­n und spätestens in vier, fünf Monaten wieder im Ring stehen.“An der Qualität und dem Potenzial von Muratov hat Steinforth keine Zweifel. „Er kann Die Fans von Anatoli Muratov machten mächtig Alarm nach dem K.o.-Sieg des Friedrichs­hafeners in der ZF-Arena. noch weit kommen, auch wenn er schon 31 ist und erst seinen 24. Profikampf gemacht hat.“

Wie es beim Friedrichs­hafener weitergeht, ist noch nicht sicher. Derzeit arbeitet der Boxer beim Motorenher­steller MTU und ist auf die Kooperatio­n seines Arbeitgebe­rs angewiesen, wenn er sich auf Kämpfe vorbereite­t. „Talent hat er, aber sein Halbprofit­um ist ein Nachteil“, sagte Steinforth. Dass Muratov viele Fans in seinem Rücken weiß, ist dagegen ein großer Vorteil – auch in Sachen Zukunft im Profiboxen. „Ich liebe zwar den Sport“, sagte Steinforth. „Aber ich bin auch Unternehme­r und will mit den Boxern Geld verdienen.“Das könnte er in Zukunft vielleicht mit dem neuen WBA-Interconti­nentalmeis­ter Muratov. Steinforth kann sich zumindest vorstellen, Muratov unter Vertrag zu nehmen.

Und der so Gelobte? Der geht ab Montag wieder bei der MTU zur Arbeit. „Ich freue mich auf meine Kollegen, meinen Alltag“, sagte Muratov. An Urlaub dachte er nach seinem großen Triumph noch nicht. An kommende Kämpfe auch nicht. Noch nicht. An seine Linke aus der Deckung wird er mit Blick auf seinen Gürtel dagegen noch häufig denken.

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FOTO: FLORIAN WOLF Überrasche­nd schnell zu Ende war der Hauptkampf des Lokalmatad­ors Anatoli Muratov (rechts) gegen den Kölner Ilias Essaoudi. Mit einer Linken knockte Muratov seinen Gegner aus.
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FOTO: FLORIAN WOLF

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