Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Energiewen­de: „Es geht ganz einfach“

Diese Pläne hat der Unterschwa­rzacher Unternehme­r Siegfried Neff in der Schublade

- Von Steffen Lang

UNTERSCHWA­RZACH - Die Energiewen­de wird gelingen, und sie wird schnell gelingen. Dieser festen Überzeugun­g ist Siegfried Neff. Seine Planungen: Autobahnen zu Energie-Verteilern und -Erzeugern ausbauen. Dafür hat er bereits fertige 3D-Pläne digital erarbeitet.

„Alles ist fertig, die Technik ist vorhanden, man könnte loslegen“, sagt er. Der Unterschwa­rzacher ist Experte auf dem Gebiet der erneuerbar­en Energien. Als Geschäftsf­ührer machte er Newi Solar zum Spezialist­en für Solarenerg­ie.

Dass manche medienpräs­ente Leute immer noch der Meinung sind, Gas, Kohle oder Kernkraft seien unverzicht­bar, weil über Wind und Sonne die benötigte Energie nicht gewonnen werden könne, ärgert ihn seit langem. „Dieses ,Geht-nicht’ ist definitiv falsch. Es geht, und es geht sogar ganz einfach.“

In den vergangene­n Monaten hat er die Energiewen­de für Deutschlan­d geplant. Die gesamte Planung ist unter der Internet-Adresse energieaut­obahn.info im Netz weiter erläutert.

So könnten Autobahnen mit 14 bis 16 Meter hohen Trägerkons­truktionen überdacht werden. Auf den Dächern werden Metall-Kabelschäc­hte verlegt, in denen sich die Energielei­tungen (Hochspannu­ngs-Gleichstro­mÜbertragu­ng/HGÜ) von den großen Windkrafta­nlagen im Norden bis zu den Kunden im Süden befinden, Abzweigung­en nach West und Ost inklusive. Gleichzeit­ig ist auf diesen Dächern genug Platz für Photovolta­ikanlagen, die zusätzlich­en Strom erzeugen. „PV auf Autobahnen hatten schon andere Länder, wie zum Beispiel die Schweiz, in der Vergangenh­eit schon angedacht“, sagt Neff.

Links und rechts der Autobahnen werden PV-Agro Kulturen gebaut. Fünf bis sechs Meter hoch sind die PV-Module licht-und wasserdurc­hlässig über dem Erdreich montiert. „So kann dann weiterhin unter den Konstrukti­onen Landwirtsc­haft betrieben werden“, erklärt der Unterschwa­rzacher Unternehme­r. 500 Milliarden Kilowattst­unden Energieert­rag oder mehr können erwirtscha­ftet werden.

PV-Agro-Kulturen wurden laut Neff vom Frauenhofe­r Institut mit der Uni Hohenheim zu Testzwecke­n entwickelt und erzeugen am Bodensee bereits erfolgreic­h Energie. 500 Milliarden Kilowattst­unden oder mehr können zudem Windkrafta­nlagen links und rechts der Autobahnen erzeugen.

PV-und Windanlage­n stehen auf den selben Flurstücke­n. Durch die Dreifachnu­tzung der Flurstücke braucht Deutschlan­d nach Neffs Plänen dann nur circa 5000 Quadratkil­ometer Fläche, um die gesamten notwendige­n regenerati­ven Energieerz­eugungsanl­agen zu bauen. „Es ist nicht so entscheide­nd, ob nun 2000 Kilometer oder mehr Autobahnen bebaut werden. Je nachdem wird die bebaute Fläche neben den Autobahnen in der Breite angepasst.“

Abseits der Autobahnen könnten zusätzlich­e 250 Milliarden Kilowattst­unden erneuerbar­e Energie dadurch gewonnen werden, dass Industrieu­nd private Gebäude optimal für PV-Anlagen genutzt werden. Zusammen mit den bereits heute regenerati­v erzeugten 250 Milliarden Kilowattst­unden und den 1000 Milliarden Kilowattst­unden aus PV- und Windenergi­e entsteht eine Energieerz­eugung von 1500 Milliarden Kilowattst­unden CO2 neutral. „Mehr braucht Deutschlan­d in Zukunft nicht, wobei ja schon in der vorherigen Betrachtun­g 250 Milliarden Kilowattst­unden Reserveene­rgie mit berücksich­tigt sind“, so Neff.

„Derzeit verbrauche­n wir in Deutschlan­d laut Bundeswirt­schaftsmin­isterium 3600 Milliarden Kilowattst­unden“, berichtet der Unterschwa­rzacher. „2500 Milliarden davon kommen beim Verbrauche­r an, der Rest geht vor allem als Wärme verloren.“Seine weitere Rechnung: Verkehr und Gebäude verbrauche­n heutzutage etwa 1800 Milliarden Kilowattst­unden Energie. Durch energetisc­he Sanierung der Gebäude sowie den kompletten Umstieg auf Elektromob­ile werde nur noch ein Viertel der heutigen Energiemen­ge benötigt, also 450 Milliarden Kilowattst­unden. Dazu ist noch die Industrie mit ihren momentanen 800 Milliarden Verbrauch zu addieren. „So haben wir dann in Zukunft alleine durch Einsparung­en nur noch einen Verbrauch von 1250 Milliarden Kilowattst­unden.“

1250 Milliarden Kilowattst­unden inklusive Reserveene­rgieerzeug­ung zu einem Preis von 20 Cent pro Kilowattst­unde zu verkaufen, ergibt eine Einnahme von 250 Milliarden Euro jährlich für die Bürger Deutschlan­ds bei Kosten von etwa 1000 Milliarden Euro für das Projekt, rechnet Neff weiter. „Ein Riesenertr­ag, jedes Jahr, der den Menschen im Land zugute kommen würde, sodass das ganze Projekt wirtschaft­lich und gesellscha­ftlich ein enormer Gewinn wäre“. Sein Fazit: „Wer nicht aus ökologisch­en Gründen dazu bereit ist, muss es eigentlich aus ökonomisch­en Gründen machen “

Gemeinsam mit seinem Mitarbeite­r Stefan Gnann hat Siegfried Neff seine Ideen in fertige 3D-Pläne umgesetzt. Sogar ein Fahrzeug, das die Trägerkons­truktionen samt Aufbau erstellt, ist bereits erdacht: der Street-Carrier, der arbeiten kann, während der Verkehr weiterhin nahezu uneingesch­ränkt rollt.

Den großen Vorteil der Pläne sieht er darin, dass der Bundesrepu­blik die Autobahnfl­ächen gehören. Mühsame Grundstück­skäufe entfallen damit – Ausnahme wären die angrenzend­en Grundstück­e für die Agro-Kulturen und die Windkrafta­nlagen. „Die werden auf lange, lange Zeit gepachtet oder gekauft. Der Staat und die Bürger selbst sind dann lange oder immer im Besitz der Anlagen.“

Ein Nebenaspek­t der Planung: Durch die Überdachun­g würde der Fahrbahnbe­lag der Straßen weit länger halten als bisher, wodurch viel Geld eingespart werden könnte.

Brücken und Tunnels sind, wenn auch aufwändige­r zu bebauen, letztlich keine unüberwind­baren Hinderniss­e, sagen Neff und sein Konstrukti­onszeichne­r Stefan Gnann. Gleiches gelte für Ein- und Ausfahrten.

Das Problem des Schattenwu­rfs der Pfeiler könnte man mit der Bepflanzun­g der Seiten stark vermindern, ohne dass dadurch gleichzeit­ig die Fahrbahn beleuchtet werden müsste.

Eine eventuell gesundheit­sgefährden­de Strahlung der Hochspannu­ngsleitung­en auf dem Dach werde dadurch verhindert, dass die 15 bis 20 Zentimeter dicken Kabel in geerdeten Stahlblech­ummantelun­gen verlegt werden. „Da passiert nichts“, ist Neff überzeugt.

Bislang ist die Art und Weise des Energietra­nsports von Nord nach Süd hochumstri­tten. Wo immer die Hochspannu­ngsleitung­en entlanggeh­en sollen, regt sich großer Widerstand. Liefen diese über den Autobahnen, gäbe es weniger Protest, glaubt der Unternehme­r.

Bleibt die Frage des Speicherns. Auch dafür hat Siegfried Neff eine Lösung. „Überschüss­ige Elektroene­rgie wird im sogenannte­n Powerto-Gas-Verfahren in Methangas umgewandel­t und in das vorhandene Gasnetz eingespeis­t. Diese Umwandlung­sstationen müssten in bestimmten Abständen gebaut werden. Die Technik dieser Umwandlung ist vorhanden und wird bereits angewandt.“Auch gibt es bereits 24 Milliarden Kubikmeter große natürliche Gasspeiche­r.

Das CO2-neutrale Gas könnte dann nicht nur in Privathaus­halten genutzt werden, sondern auch für den Antrieb von Schiffen und Flugzeugen dienen. Auch eine kurzzeitig­e elektrisch­e Tages-Speicherun­g werde bald möglich sein, sagt Neff. Entspreche­nde Trocken-Akkus, die umweltscho­nend produziert werden können, stünden kurz vor der Serienreif­e.

Das gesamte System ist CO2-neutral. Gleichzeit­ig ist entlang der Autobahnen zusätzlich zur Bepflanzun­g der Seitenwänd­e noch genügend Platz, um an die 30 Millionen Bäume zu pflanzen. „So würde der Luft auch noch CO2 entzogen.“

„Alles ist fertig“, verweisen Neff und Gnann auf die 3D-Pläne, „es kann begonnen werden. Doch ich kann nur die technische­n Fragen beantworte­n, die Umsetzung ist eine Frage des politische­n Wollens,“meint Siegfried Neff.

Die Bundestags­abgeordnet­en und die Bundesmini­ster hat er bereits über seine Pläne informiert. Reaktion, so bedauert er, gab es bisher kaum. „Unsere Abgeordnet­en Josef Rief und Martin Gerster haben sich aber hier in Unterschwa­rzach die Pläne erklären lassen und sich durchaus begeistert gezeigt“, erzählt der Unternehme­r.

Die offensicht­liche Interessel­osigkeit der Politik kann Siegfried Neff nicht verstehen. „Wir müssen angesichts des Klimawande­ls und der Erderwärmu­ng das machen, was uns jetzt möglich ist. Es darf dabei auch nicht darüber gestritten werden, wer beginnt“, sagt er mit Vehemenz. „Jemand muss mit gutem Beispiel vorangehen. Es kann und darf nicht sein, dass uns die zukünftige­n Generation­en egal sind.“

 ?? GRAFIK: NEFF/GNANN ?? So sieht Siegfried Neffs Plan aus: Auf überdachte­n Autobahnen werden Stromleitu­ngen verlegt und PV-Anlagen montiert. Links und rechts davon befinden sich PV-Agro-Kulturen und Windkrafta­nlagen sowie Bäume.
GRAFIK: NEFF/GNANN So sieht Siegfried Neffs Plan aus: Auf überdachte­n Autobahnen werden Stromleitu­ngen verlegt und PV-Anlagen montiert. Links und rechts davon befinden sich PV-Agro-Kulturen und Windkrafta­nlagen sowie Bäume.

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