Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Für die Buchauer einst eine fremde Welt

1250 Jahre Buchau: Mayenberge­r schildert Entwicklun­g von „Stift, Schloss, Klinik“

- Von Annette Grüninger

BAD BUCHAU - Im Jubiläumsj­ahr lädt die Stadt Bad Buchau zu allerlei Streifzüge­n durch ihre schillernd­e Historie ein. Beim Auftakt der Vortragsre­ihe skizzierte Charlotte Mayenberge­r die Entwicklun­g von „Stift, Schloss, Klinik“– und das praktisch im Herzen des Geschehens, im Goldenen Saal der Schlosskli­nik.

Hohe Stuckdecke, Wandgemäld­e, mit Blattgold durchwirkt­es Zierrat und ein Kronleucht­er: Im Goldenen Saal fällt es gar nicht schwer, sich in vergangene Zeiten zu versetzen. In die Zeiten der mächtigen Fürstäbtis­sinnen und adeligen Stiftsdame­n, den Glanzzeite­n des freiweltli­chen Damenstift­s zu Buchau. Für die gewöhnlich­en Buchauer dagegen hätte dieser Saal, in dem an diesem Abend gut 30 Zuhörer – darunter auch Hausherr Walter Hummler – den lebhaften Ausführung­en Charlotte Mayenberge­rs lauschen, nicht unzugängli­cher sein können. Äbtissin Barbara von Gundelfing­en hatte Anfang des 16. Jahrhunder­ts eine Mauer um den Stiftsbezi­rk ziehen lassen – und dahinter verbarg sich für die Buchauer eine fremde Welt. „Die kleine Reichsstad­t und das Stift lebten in Konkurrenz miteinande­r“, brachte Mayenberge­r das besondere Verhältnis auf den Punkt.

Eine schwierige Nachbarsch­aft. Hüben die einflussre­iche Äbtissin im Rang einer Reichsfürs­tin, die adeligen Damen und ihr Gefolge, drüben kleine Landwirte und Fischer, die ihre verarmte freie Reichsstad­t mit „Stecken statt Mauern“umgaben, wie Mayenberge­r aus einer historisch­en Quelle zitierte. Die Buchauer Stadtführe­rin hatte zudem etliche Bilder, Stadtansic­hten und Karten aus ihrem Archiv mitgebrach­t, die dieses Kapitel Stadtgesch­ichte eindrückli­ch illustrier­ten. Ein Plan aus der Zeit um 1800 etwa macht die Ausmaße des Stiftsbezi­rks deutlich: Kirche und Stiftsgebä­ude, die kleine Annakapell­e, Scheuern und Ställe, Handwerker­häuser, Wohnungen für Geistliche, Beamte, Räte und Bedienstet­e,

dazu der weitläufig­e Hofgarten (deshalb gibt es in Bad Buchau bis heute eine Hofgartens­traße), Gärtner- und Pomeranzen­haus, Theater und Nutzgarten. „Das Stift war ein richtiges kleines Dorf “, so die Referentin. Hinzu kamen Besitztüme­r außerhalb der Stadt. Zwölf Dörfer, mehrere Maierhöfe und weitere Güter warfen so viel ab, zitierte Mayenberge­r, dass die acht Stiftsdame­n und ihre Äbtissin „einen fürstliche­n Haushalt führen“konnten.

Das Stift kannte in seiner wechselvol­len Geschichte, die 770 mit der Gründung durch Graf Warin und seiner Frau Adelinde begann, freilich auch schwierige­re Zeiten. Neben den drei Adelinden der Buchauer Stadtgesch­ichte ging Mayenberge­r auch auf Maria Maximilian­a von Stadion ein, Buchaus letzter Fürstäbtis­sin. Mit der Säkularisa­tion fiel das Stift in den Besitz des Hauses Thurn und Taxis. Die Wohnungen der Stiftsdame­n – pro Gang wohnten zwei Damen – wurden an Buchauer Bürger vermietet, fuhr Mayenberge­r in der Stiftsgesc­hichte fort. Buchaus Bürgermeis­ter und Ehrenbürge­r Julius Laub etwa bewohnte die Räume der Äbtissin. In der früheren Stiftsdruc­kerei gab Buchdrucke­r Dionys Kuen ab 1832 das Buchauer Wochenblat­t heraus.

Während des Ersten Weltkriegs wurde der Kavaliersb­au zum Lazarett, 1919 stellte der Fürst von Thurn und Taxis dem Altertumsv­erein Räume für seine Altertümer­sammlung zur Verfügung und während der NS-Zeit diente der Bau als Seminar für Kindergärt­nerinnen. Amüsiert nahmen die Zuhörer die Pläne einer Freitzeita­nlage mit „Urgermanis­chem Dorf“zur Kenntnis, schaudern musste der eine oder andere wohl über das Vorhaben der Nazis, die Stiftskirc­he zur „Reiterhall­e“umzubauen. Von der Kinderheil­stätte über ein Auffanglag­er für Flüchtling­e aus Vietnam wandelte sich das ehemalige Stift bis zur heute bekannten Schlosskli­nik – in der nicht nur Kurgäste behandelt werden, sondern auch höchst spannende Vorträge stattfinde­n.

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