Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Stadt hält am Millionenprojekt „Altstadt für Alle“fest
Auch Verwaltungsneubau hinter dem ehemaligen Finanzamt wird fortgeführt – Stadt spart 2,8 Millionen Euro
BAD WALDSEE - Die Corona-Krise wird in die städtischen Haushalte Löcher reißen. Wie groß die Einnahmeausfälle in Bad Waldsee sein werden, steht zwar noch nicht fest. Klar ist aber, dass sich nicht alle geplanten städtischen Vorhaben in diesem Jahr umsetzen lassen. Die Verantwortlichen haben die Projekte priorisiert, und der Gemeinderat hat die Auflistungen am Montagabend im Haus am Stadtsee beschlossen.
Das Land Baden-Württemberg hat der Stadt Bad Waldsee zwar für die Monate April und Mai insgesamt 131 000 Euro Soforthilfe ausgezahlt. Dieser Betrag kann die Ertragsausfälle und zusätzlichen Ausgaben aber nicht kompensieren. Daher hat die Stadtverwaltung Investitionsprojekte und umfangreiche Sanierungsmaßnahmen in Dringlichkeitsstufen eingeteilt „und in einem Ampelsystem aufbereitet“, wie Bürgermeister Matthias Henne dem Gremium erklärte. Auf der Grünen Liste, die die höchste Dringlichkeit ausweist, finden sich Projekte, die kurz vor der Ausschreibung stehen oder bereits umgesetzt werden. „Jede Verzögerung in der Ausschreibung zieht Mehrkosten durch höhere Preise nach sich“, ließen die Stadtverantwortlichen dazu wissen. Die Maßnahmen auf der Gelben Liste – Dringlichkeitsstufe 2 – sollten wegen des Bedarfs ebenfalls zügig beschlossen werden. Die Projekte der Orangefarbenen Liste – Dringlichkeitsstufe 3 – können aus Sicht der Verwaltung in das nächste Jahr verschoben werden. Der Vorteil: Die Liquidität im Jahr 2020 bleibt erhalten. Die geplanten Mittel auf der Roten Liste – Dringlichkeitsstufe 4 – werden nicht mehr benötigt und können eingespart werden.
Darüber hinaus konnte die Verwaltung Einsparmöglichkeiten im Ergebnishaushalt präsentieren. Demnach wird der Markenprozess verschoben und folglich in diesem Jahr 85 000 Euro eingespart. Der Klimaschutztag wurde abgesagt und 20 000 Euro eingespart. Durch verschiebbare Unterhaltungsmaßnahmen müssen weitere 1,2 Millionen Euro nicht abgerufen werden. Insgesamt 2,8 Millionen Euro kann die Stadt auf diese Weise in diesem Jahr im Ergebnishaushalt einsparen. Gleichwohl werden erhebliche Erträge fehlen. Die gute Nachricht: Die Finanzierung der Investitionen im Haushalt 2020 sind aufgrund der hohen Liquidität der Vorjahre gesichert. Ob es einer haushaltswirtschaftlichen Sperre oder einer Haushaltsstrukturkommission bedarf, darüber solle später entschieden werden, so Henne.
Die zwei größten Projekte – „Altstadt für Alle“und der Neubau der Zentralverwaltung hinter dem ehemaligen Finanzamt – wurden den Stadträten nochmals kurz vorgestellt und die Fördermittel des Landes beziehungsweise des Bundes in Millionenhöhe beziffert. Lucia Vogel (Grüne) informierte sich danach, ob diese Zuschüsse im Falle einer Verschiebung aufrechterhalten bleiben. Bürgermeister Henne berichtete von einem Gespräch mit einem Verantwortlichen in Berlin bezüglich der Förderung von „Altstadt für Alle“. „Ein zögerliches Abwarten ist vom Zuschussgeber eindeutig nicht vorgesehen. Aufgrund einer gefühlten Unsicherheit können wir das Projekt nicht nach hinten verschieben“, so Henne. Einzig, wenn ein Bautrupp an Corona erkranken und damit die Arbeit ausfallen würde, könnte darauf eventuell flexibel reagiert werden.
Sonja Wild (CDU) wollte wissen, was passiert, wenn der Neubau der Zentralverwaltung zwar vonstattenginge, das Geld für den Umbau des ehemaligen Finanzamtes aber nicht mehr ausreiche. Stadtbaumeisterin Andrea Denzel verdeutlichte, dass für diesen Bauabschnitt im Gemeinderat erst der Durchführungsbeschluss
gefasst wird, der auch einen Finanzierungsvorschlag beinhalte. „Sie sind der Herr des Verfahrens und können zu diesem Zeitpunkt darüber entscheiden“, so Denzel. Im schlechtesten Fall werde im ehemaligen Finanzamt als Zwischenlösung nur die Barrierefreiheit hergestellt und der Brandschutz aufgerüstet. Die Sanierung könnte eventuell um ein Jahr verschoben werden, ohne die Fördermittel zu gefährden. Das sei beim Landesprogramm einfacher zu bewerkstelligen als beim Bundesprogramm, wie Denzel erklärte: „Wir müssten es nur frühzeitig ankündigen.“Diesen Haltepunkt begrüßte Markus Leser (Grüne) ausdrücklich.
Wild hakte zudem beim nächsten Bauabschnitt im Bereich des Bleiche-Parkplatzes nach. Wie Denzel erklärte, soll im Herbst die Entscheidung über den Durchführungsbeschluss anstehen. Wenn dieser abgelehnt werden sollte, dann sei ein Provisorium wichtig. „Denn eines ist sicher. Es ist nur eine Verschiebung. Der Parkplatz ist in schlechtem Zustand und weist an einzelnen Stellen Setzungen auf“, betonte Denzel.
Bernhard Schultes (FW) hob die Bundes- und Landesförderungen hervor, die gesichert werden müssten, und sprach sich für die vorgelegten Listen der Verwaltung aus. Den Freien Wählern seien zudem nachhaltige Projekte wichtig, wie der Energie- und Klimaschutz, Breitband und Kinderbetreuung. „Da wären wir auch bei Kreditaufnahmen dabei“, unterstrich Schultes die Bedeutung dieser Aufgaben. Fraktionskollege Stefan Senko sah einen Wermutstropfen im nicht ausgeglichenen Ergebnishaushalt. „Werden wir das keine Probleme bekommen?“, lautete Senkos Frage dazu. Beate Bringmann, Fachbereichsleiterin Finanzen, ließ wissen, dass etliche Kommunen damit Schwierigkeiten haben und sich in der Gesetzeslage noch etwas ändern könnte. Aber das sei Zukunftsmusik.
Rosa Eisele (CDU) sprach sich gegen Verschiebungen von Projekten aus, weil „sie Geld kosten, das wir zukünftig nicht mehr haben“. Karl Schmidberger (SPD) ging noch einen Schritt weiter: „Ich denke, dass klar ist, dass wir auf längere Sicht nicht an Steuererhöhungen vorbeikommen können.“
Außerdem informierte er sich nach den Mai-Steuerschätzungen. Bringmann erläuterte, dass „die Zahlen noch nicht auf die kommunale Ebene runtergebrochen“sind. Einstimmig – bei einer Enthaltung von Franz Daiber (FW) – folgte das Gremium dem Vorschlag und den Prioritätenlisten der Verwaltung (siehe Zweittext).
„Ein zögerliches Abwarten ist vom Zuschussgeber eindeutig nicht vorgesehen.“
Bürgermeister Matthias Henne