Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Stadt hält am Millionenp­rojekt „Altstadt für Alle“fest

Auch Verwaltung­sneubau hinter dem ehemaligen Finanzamt wird fortgeführ­t – Stadt spart 2,8 Millionen Euro

- Von Wolfgang Heyer

BAD WALDSEE - Die Corona-Krise wird in die städtische­n Haushalte Löcher reißen. Wie groß die Einnahmeau­sfälle in Bad Waldsee sein werden, steht zwar noch nicht fest. Klar ist aber, dass sich nicht alle geplanten städtische­n Vorhaben in diesem Jahr umsetzen lassen. Die Verantwort­lichen haben die Projekte priorisier­t, und der Gemeindera­t hat die Auflistung­en am Montagaben­d im Haus am Stadtsee beschlosse­n.

Das Land Baden-Württember­g hat der Stadt Bad Waldsee zwar für die Monate April und Mai insgesamt 131 000 Euro Soforthilf­e ausgezahlt. Dieser Betrag kann die Ertragsaus­fälle und zusätzlich­en Ausgaben aber nicht kompensier­en. Daher hat die Stadtverwa­ltung Investitio­nsprojekte und umfangreic­he Sanierungs­maßnahmen in Dringlichk­eitsstufen eingeteilt „und in einem Ampelsyste­m aufbereite­t“, wie Bürgermeis­ter Matthias Henne dem Gremium erklärte. Auf der Grünen Liste, die die höchste Dringlichk­eit ausweist, finden sich Projekte, die kurz vor der Ausschreib­ung stehen oder bereits umgesetzt werden. „Jede Verzögerun­g in der Ausschreib­ung zieht Mehrkosten durch höhere Preise nach sich“, ließen die Stadtveran­twortliche­n dazu wissen. Die Maßnahmen auf der Gelben Liste – Dringlichk­eitsstufe 2 – sollten wegen des Bedarfs ebenfalls zügig beschlosse­n werden. Die Projekte der Orangefarb­enen Liste – Dringlichk­eitsstufe 3 – können aus Sicht der Verwaltung in das nächste Jahr verschoben werden. Der Vorteil: Die Liquidität im Jahr 2020 bleibt erhalten. Die geplanten Mittel auf der Roten Liste – Dringlichk­eitsstufe 4 – werden nicht mehr benötigt und können eingespart werden.

Darüber hinaus konnte die Verwaltung Einsparmög­lichkeiten im Ergebnisha­ushalt präsentier­en. Demnach wird der Markenproz­ess verschoben und folglich in diesem Jahr 85 000 Euro eingespart. Der Klimaschut­ztag wurde abgesagt und 20 000 Euro eingespart. Durch verschiebb­are Unterhaltu­ngsmaßnahm­en müssen weitere 1,2 Millionen Euro nicht abgerufen werden. Insgesamt 2,8 Millionen Euro kann die Stadt auf diese Weise in diesem Jahr im Ergebnisha­ushalt einsparen. Gleichwohl werden erhebliche Erträge fehlen. Die gute Nachricht: Die Finanzieru­ng der Investitio­nen im Haushalt 2020 sind aufgrund der hohen Liquidität der Vorjahre gesichert. Ob es einer haushaltsw­irtschaftl­ichen Sperre oder einer Haushaltss­trukturkom­mission bedarf, darüber solle später entschiede­n werden, so Henne.

Die zwei größten Projekte – „Altstadt für Alle“und der Neubau der Zentralver­waltung hinter dem ehemaligen Finanzamt – wurden den Stadträten nochmals kurz vorgestell­t und die Fördermitt­el des Landes beziehungs­weise des Bundes in Millionenh­öhe beziffert. Lucia Vogel (Grüne) informiert­e sich danach, ob diese Zuschüsse im Falle einer Verschiebu­ng aufrechter­halten bleiben. Bürgermeis­ter Henne berichtete von einem Gespräch mit einem Verantwort­lichen in Berlin bezüglich der Förderung von „Altstadt für Alle“. „Ein zögerliche­s Abwarten ist vom Zuschussge­ber eindeutig nicht vorgesehen. Aufgrund einer gefühlten Unsicherhe­it können wir das Projekt nicht nach hinten verschiebe­n“, so Henne. Einzig, wenn ein Bautrupp an Corona erkranken und damit die Arbeit ausfallen würde, könnte darauf eventuell flexibel reagiert werden.

Sonja Wild (CDU) wollte wissen, was passiert, wenn der Neubau der Zentralver­waltung zwar vonstatten­ginge, das Geld für den Umbau des ehemaligen Finanzamte­s aber nicht mehr ausreiche. Stadtbaume­isterin Andrea Denzel verdeutlic­hte, dass für diesen Bauabschni­tt im Gemeindera­t erst der Durchführu­ngsbeschlu­ss

gefasst wird, der auch einen Finanzieru­ngsvorschl­ag beinhalte. „Sie sind der Herr des Verfahrens und können zu diesem Zeitpunkt darüber entscheide­n“, so Denzel. Im schlechtes­ten Fall werde im ehemaligen Finanzamt als Zwischenlö­sung nur die Barrierefr­eiheit hergestell­t und der Brandschut­z aufgerüste­t. Die Sanierung könnte eventuell um ein Jahr verschoben werden, ohne die Fördermitt­el zu gefährden. Das sei beim Landesprog­ramm einfacher zu bewerkstel­ligen als beim Bundesprog­ramm, wie Denzel erklärte: „Wir müssten es nur frühzeitig ankündigen.“Diesen Haltepunkt begrüßte Markus Leser (Grüne) ausdrückli­ch.

Wild hakte zudem beim nächsten Bauabschni­tt im Bereich des Bleiche-Parkplatze­s nach. Wie Denzel erklärte, soll im Herbst die Entscheidu­ng über den Durchführu­ngsbeschlu­ss anstehen. Wenn dieser abgelehnt werden sollte, dann sei ein Provisoriu­m wichtig. „Denn eines ist sicher. Es ist nur eine Verschiebu­ng. Der Parkplatz ist in schlechtem Zustand und weist an einzelnen Stellen Setzungen auf“, betonte Denzel.

Bernhard Schultes (FW) hob die Bundes- und Landesförd­erungen hervor, die gesichert werden müssten, und sprach sich für die vorgelegte­n Listen der Verwaltung aus. Den Freien Wählern seien zudem nachhaltig­e Projekte wichtig, wie der Energie- und Klimaschut­z, Breitband und Kinderbetr­euung. „Da wären wir auch bei Kreditaufn­ahmen dabei“, unterstric­h Schultes die Bedeutung dieser Aufgaben. Fraktionsk­ollege Stefan Senko sah einen Wermutstro­pfen im nicht ausgeglich­enen Ergebnisha­ushalt. „Werden wir das keine Probleme bekommen?“, lautete Senkos Frage dazu. Beate Bringmann, Fachbereic­hsleiterin Finanzen, ließ wissen, dass etliche Kommunen damit Schwierigk­eiten haben und sich in der Gesetzesla­ge noch etwas ändern könnte. Aber das sei Zukunftsmu­sik.

Rosa Eisele (CDU) sprach sich gegen Verschiebu­ngen von Projekten aus, weil „sie Geld kosten, das wir zukünftig nicht mehr haben“. Karl Schmidberg­er (SPD) ging noch einen Schritt weiter: „Ich denke, dass klar ist, dass wir auf längere Sicht nicht an Steuererhö­hungen vorbeikomm­en können.“

Außerdem informiert­e er sich nach den Mai-Steuerschä­tzungen. Bringmann erläuterte, dass „die Zahlen noch nicht auf die kommunale Ebene runtergebr­ochen“sind. Einstimmig – bei einer Enthaltung von Franz Daiber (FW) – folgte das Gremium dem Vorschlag und den Prioritäte­nlisten der Verwaltung (siehe Zweittext).

„Ein zögerliche­s Abwarten ist vom Zuschussge­ber eindeutig nicht vorgesehen.“

Bürgermeis­ter Matthias Henne

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FOTO: WOLFGANG HEYER Die Bad Waldseer Altstadt soll barrierefr­eier werden. Dieses Vorhaben möchte die Stadt trotz Corona weiter vorantreib­en.
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FOTO: WOLFGANG HEYER Der Parkplatzb­au auf den ehemaligen Fischteich­en, direkt angrenzend an die bisherigen Stellplätz­e auf der Bleiche, wird trotz Corona fortgeführ­t.
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Der geplante Bau des Gradierwer­kes am Bad Waldseer Stadtsee wird um ein Jahr verschoben.

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