Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
„Es kommt auf die Kleinigkeiten an. Sie sind oft etwas versteckt zu finden“
Die momentane Corona-Situation hat uns alle mehr oder weniger im Griff. Obwohl altersmäßigt, ich mich zur Gruppe der gefährdeten Personen zählen muss, kann ich mich mit den Einschränkungen und Gegebenheiten ganz gut arrangieren. Rund ums Haus gibts genug Arbeit, und dann habe ich ja auch noch meine Bienen. Da kommt keine Langeweile auf, und wenns reinpasst, eine halbe Stunde im Liegestuhl unter den Bäumen empfinde ich als Genuss. Als Vorsitzender des Imkervereins vermisse ich den Kontakt mit den Imkerkameraden. Aufgrund der amtlichen Beschränkungen mussten alle Treffen, Informationsveranstaltungen und Monatsversammlungen abgesagt werden. Leider in einer Zeit, in der die imkerliche Tätigkeit dem Höhepunkt zustrebt und es deshalb die meisten Fragen beziehungsweise Probleme gibt. Nicht alles lässt sich per Telefon oder E-Mail lösen. Wir arbeiten mit lebenden Wesen, und da kann sich durch äußere Einflüsse wie Wetterbedingungen, Trachtangebot, aber auch Fehler des Imkers, jeden
Tag eine neue Situation ergeben. Glücklicherweise sind wir in der Ausübung unserer Tätigkeiten weitgehend frei von Abstandseinhaltungen, Mund-Nasen-Schutz und sonstigen Beschränkungen. Und Imker sind in der Regel ja allein bei den Bienen tätig.
Es fällt auf, dass wegen der Veränderungen sich momentan viele Mitbürger Gedanken über die weitere Zukunft machen. Muss man wirklich zwei- bis dreimal im Jahr in der ganzen Welt herumreisen, um zumindest zum gesellschaftlichen Mittelfeld zu gehören? Sind die nun coronabedingten Erfahrungen nicht ebenso viel Wwert? Noch nie habe ich so viele Spaziergänger und Radfahrer, ob als Familie oder zu zweit am Haus vorbeikommen sehen. Für viele sicher eine neue Erfahrung, Natur und Heimat zu erleben. Sich an kleinen Erlebnissen freuen. Bewusst die Vielfalt der Pflanzen, Tiere und Blumen betrachten. An stillen Plätzen innehalten und daraus Kraft zu schöpfen. Für viele Menschen sind dies neue Erfahrungen.
Ein ganz anderer Punkt ist der, miterleben zu müssen, wie sich die globalen Wirtschaftverhältnisse rapide verändern. Dies hat auch Auswirkungen auf viele Arbeitsplätze. Kurzarbeit und drohender Verlust des Arbeitsplatzes belasten viele Familien. Aber auch selbstverständliche Konsumgüter sind plötzlich zur Mangelware geworden. Nun wird viel deutlicher, woher unsere Waren kommen und wie abhängig wir von den Produzenten aus aller Welt sind. Der Wunsch nach regionalen Erzeugnissen steigt. Viele Verbraucher wollen wieder wissen, woher ihre Einkäufe
stammen.
Wenig Verständnis habe ich jedoch für all jene, die mit ihren Protesten und Demonstrationen den Sinn von Schutzmaßnahmen infrage stellen oder als politisierende Maßnahmen sehen. Mund- und Nasenschutz sowie Kontaktbeschränkungen sind momentan nachweislich die erfolgreichsten Schutzmaßnahmen. Jeder sollte sich glücklich schätzen, wenn er von dieser heimtückischen Krankheit verschont bleibt. Solange es keinen Impfstoff gibt, habe ich bei einer Corona-Infektion, auch als unter 60Jähriger, keine Garantie, unbeschadet zu bleiben.
Ich hoffe, dass die Beschränkungen eine neue Sichtweise im Umgang und Verhalten gegenüber unseren Mitmenschen bewirken und wir verantwortlicher die Schöpfung behandeln. Wie gesagt, es kommt auf die Kleinigkeiten an. Sie sind oft etwas versteckt zu finden, sind aber für Herz und Gemüt des Menschen wie Balsam. Bleiben Sie gesund.
Vitus Fussenegger, Vorsitzender des Imkervereins