Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Debatte über den Dienst an der Waffe
Statt einer Rückkehr zur Wehrpflicht hat Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer andere Pläne für junge Menschen
BERLIN (dpa) - Ein Comeback der Wehrpflicht – auch als Mittel gegen Rechtsextremismus in der Truppe? Die neue Wehrbeauftragte Eva Högl hat am Wochenende mit einem entsprechenden Vorstoß eine kontroverse Debatte ausgelöst. Die SPD-Politikerin bekam auch aus den eigenen Reihen viel Widerspruch. Verteidigungsministerin Annegret KrampKarrenbauer (CDU) sprach sich gegen eine Rückkehr zur Wehrpflicht aus – und kündigte stattdessen überraschend einen neuen Freiwilligendienst in der Bundeswehr an.
Der neue Dienst als Ergänzung zum freiwilligen Wehrdienst soll ab 2021 unter dem Titel „Dein Jahr für Deutschland“eingeführt werden, wie Kramp-Karrenbauer am Samstag sagte. Jugendliche, die sich für den Dienst entscheiden, sollen eine sechsmonatige militärische Grundausbildung erhalten und anschließend für sechs Monate heimatnah zu Reservediensten
herangezogen werden. Die Ministerin reagierte mit der Ankündigung des neuen Dienstes auf den Vorstoß Högls und zog die Bekanntgabe der Pläne vor.
Högl hatte angesichts rechtsextremistischer Vorfälle in der Bundeswehr eine Wiedereinführung der Wehrpflicht zur Diskussion gestellt. Die SPD-Politikerin sagte der FunkeMediengruppe auf die Frage, ob sie für die Wiedereinführung sei: „Natürlich müssen wir das Problem der Wehrgerechtigkeit im Auge behalten. Es tut der Bundeswehr jedenfalls sehr gut, wenn ein großer Teil der Gesellschaft eine Zeit lang seinen Dienst leistet. Das erschwert es auch, dass sich Rechtsextremismus in der Truppe breitmacht. Ich möchte darüber im nächsten Jahr intensiv diskutieren.“
Zuletzt waren immer wieder Fälle von Rechtsextremismusverdacht bei aktiven und ehemaligen Soldaten aufgetaucht, darunter bei der Eliteeinheit Kommando Spezialkräfte (KSK).
2011 war die allgemeine Wehrpflicht in Deutschland und damit auch der Zivildienst ausgesetzt worden. Die Bundeswehr wurde so zu einer Freiwilligenarmee. Beim freiwilligen Wehrdienst geht es um eine Dauer von sieben bis 23 Monaten.
Kramp-Karrenbauer nannte die aktuelle Debatte interessant. Sie sagte aber in Berlin: „Es geht nicht darum, einfach die Wehrpflicht alter Form wieder aufleben zu lassen, es geht auch nicht darum, das insbesondere zu sehen als einen Kampf gegen rechts. Sondern es geht um die Frage, was uns in dieser Gesellschaft zusammenhält, was der Kitt ist und wie wir die stärken, die für diese Gesellschaft wirklich etwas tun wollen.“
Die Wehrpflicht sei auch aus Gründen der mangelnden Wehrgerechtigkeit ausgesetzt worden. Außerdem habe sich die Bundeswehr strategisch weiterentwickelt, es seien Strukturen wie die Kreiswehrersatzämter abgebaut worden: „Ich glaube, dass das intelligentere Mittel wäre, über eine allgemeine Dienstpflicht in Deutschland nachzudenken – eben nicht nur im militärischen Bereich, sondern auch im zivilen Bereich.“
Die CDU will unter dem Titel eines „Deutschlandjahrs“ein Dienstjahr für junge Männer und Frauen – offen ist, ob dies verpflichtend sein soll. Es soll nicht nur bei der Bundeswehr geleistet werden können, sondern etwa auch in der Pflege, der Umwelthilfe oder bei der Feuerwehr.
Eine Wiedereinführung der Wehrpflicht sehen die Opposition und die SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans kritisch – sie halten dies nicht für ein Mittel, um rechtsextremistischen Vorfällen in der Truppe vorzubeugen. „Die Wehrpflicht gehört zu den immer wiederkehrenden Themen und steht nicht im Zusammenhang mit der gefährdeten Demokratiefestigkeit einzelner Bereiche der Bundeswehr, die nie mit Wehrpflichtigen besetzt worden sind“, erklärten sie.
Der Präsident des Reservistenverbandes, Patrick Sensburg (CDU), nannte die Aussetzung der Wehrpflicht im „Handelsblatt“einen Fehler. Es gebe eine „breite Zustimmung“für ihre Wiedereinführung beziehungsweise für eine allgemeine Dienstpflicht. „Es macht Sinn, dies mit der grundsätzlichen Überlegung zu einer Dienstpflicht zu verbinden.“