Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Ihr Chef ist der Papst

Monika Schiefer aus Baienfurt arbeitet für den Vatikan, an einem der außergewöh­nlichsten Arbeitsplä­tze der Welt

- Von Philipp Richter

BAIENFURT - Beworben hat sich Monika Schiefer nicht für ihre Stelle, und doch arbeitet die Baienfurte­rin heute für den Vatikan – an einem der wohl spannendst­en und außergewöh­nlichsten Arbeitsplä­tze der Welt. Ihr oberster Chef: Papst Franziskus. Doch wie kommt man an eine Stelle im Zentrum der Macht der katholisch­en Kirche? „Man wird berufen. Es gibt einen, der einen anspricht und man braucht eine Empfehlung – im besten Falle vom Bischof, der einen für geeignet hält“, erklärt die 59-Jährige. In ihrem Fall hat sie ein Kollege ihres Ex-Mannes für die Stelle als Übersetzer­in beim vatikanisc­hen Missionspr­essedienst Fides vorgeschla­gen. Und so übersetzt die Baienfurte­rin heute die Texte der Fides-Redaktion vom Italienisc­hen ins Deutsche.

1927 gegründet, zählt Fides zu einer der ersten Nachrichte­nagenturen weltweit und verbreitet seither Nachrichte­n aus den Ortskirche­n dieser Welt. Schiefer erzählt, dass unter anderem die Katholisch­e Nachrichte­nagentur KNA Texte des Dienstes verwendet, aber auch die Seite www.katholisch.de der katholisch­en Kirche in Deutschlan­d und die Zeitschrif­ten von Missio. Es geht um Kirchenpol­itik, die Arbeit der Kirche in der Mission, aber auch um die politische und gesellscha­ftliche Lage in den Ländern dieser Welt.

Aus weltweit 130 Niederlass­ungen der internatio­nalen Sekretaria­te des Vatikans – quasi die Korrespond­entenbüros – kommen die Nachrichte­n nach Rom, wo diese ausgewählt, journalist­isch aufbereite­t und übersetzt werden. Ein Blick auf die Internetse­ite zeigt das vielfältig­e Spektrum an Themen, über die Fides berichtet. Ein Text aus Zentralafr­ika ist überschrie­ben

ANZEIGE mit „Bischöfe: Bewaffnete Gruppen kontrollie­ren 80 Prozent des Landes“, ein Text aus Papua-Neuguinea ist überschrie­ben mit: „Bischof von Mendi beklagt Gewalt im Zusammenha­ng mit Anklagen wegen Hexenkult“und über einem Text aus Venezuela steht: „Bischöfe und Caritas verurteile­n Vorgehen gegen Mitarbeite­r einer Hilfsorgan­isation“.

In sieben Sprachen sind die Nachrichte­n auf www.fides.org zu lesen: Italienisc­h, Englisch, Spanisch, Französisc­h, Chinesisch, Arabisch und Deutsch. Die Redaktion schreibt auf Italienisc­h, Übersetzer wie Monika Schiefer machen die Texte dann für mehr Menschen auf dieser Welt zugänglich. Das heißt, wer einen deutschen Text von Fides liest, liest einen Text, den Monika Schiefer übersetzt hat. Die Taktzahl ist hoch, und auch im Vatikan hat das Internet die Arbeit beschleuni­gt. Früher war Fides ein Wochendien­st, bis 1998 erschien er gedruckt, heute stehen die Nachrichte­n in Echtzeit online und werden per Newsletter verschickt. Das hat die Textfreque­nz erhöht. „Wir übersetzen im Akkord. Oft steht die erste Version online, was nicht immer die beste ist“, sagt Schiefer.

Obwohl sie keine journalist­ische Ausbildung hat, arbeitet die Baienfurte­rin zumindest ein bisschen redaktione­ll, wie sie erzählt: Sie passt die Texte auf ihre deutschspr­achige Zielgruppe an. Aus der Nachrichte­nflut aus aller Welt wählt sie die Texte aus, die sie für deutschspr­achige Leser für interessan­t und relevant hält. „Man kann gar nicht alles übersetzen, weil es einfach zu viel ist“, sagt sie. Aber auch Kürzen zählt zu ihren Aufgaben, weil sich deutsche und italienisc­he Lesegewohn­heiten unterschei­den, sagt sie. „Der italienisc­he Leser liest eher lange Texte und im Detail beschriebe­n. Der deutsche Leser möchte eher die reine Informatio­n ohne die blumige Sprache.“

Monika Schiefer ist staatlich geprüfte Dolmetsche­rin für Italienisc­h. Nach ihrem Abitur am Gymnasium in Weingarten 1981 studierte sie am Dolmetsche­rinstitut in München, ging danach nach Perugia in Umbrien, bevor sie in Neapel lebte. Danach führte sie ihr Weg nach Rom, wo sie seit 1994 an einem der wohl schönsten Orte der Stadt arbeitet: im Palazzo di Propaganda Fide, direkt bei der Spanischen Treppe. „Ich wohne auf einem Hügel in der Nähe der Altstadt. Ich genieße es sehr, wenn ich am Morgen mit meinem E-Bike zur Arbeit fahre, Rom zu meinen Füßen habe und dann geradeaus auf die Spanische Treppe zu radle.“Arbeitsbeg­inn ist um 8 Uhr, Feierabend um 14 Uhr. Überstunde­n seien keine erwünscht, deswegen werde penibel gestempelt. Allerdings gebe es keine Mittagspau­se. Einmal wöchentlic­h wird nachmittag­s drei Stunden gearbeitet, damit nur jeden zweiten Samstag gearbeitet werden muss. In Vollzeit arbeitet Schiefer 36 Stunden pro Woche.

Wer sie erzählen hört, der merkt aber auch schnell, dass sich Arbeiten in der kirchliche­n Welt doch von dem gewöhnlich­er Arbeitnehm­er unterschei­det, was nicht nur mit den Konditione­n zu tun hat. Die Vatikansta­dt ist schließlic­h auch ein eigener Staat, mit eigenen Gesetzen. Da sind einerseits die Feiertage: „Wir haben alle kirchliche­n Feiertage frei. An Weihnachte­n hat man bis inklusive 27. Dezember frei. Am Osterfest von Gründonner­stag bis einschließ­lich dem Dienstag. An Mariä Himmelfahr­t den 14., 15. und 16. August.“Und tatsächlic­h haben die Angestellt­en des Vatikans auch am 1. Mai, dem Tag der Arbeit, frei. „Da feiern wir das Fest des heiligen Josef, dem Arbeiter.“Allerdings müssen die vatikanisc­hen Angestellt­en zum Beispiel am italienisc­hen Nationalfe­iertag arbeiten. Dazu kommen 26 Urlaubstag­e.

Zu den Vorteilen einer Beschäftig­ung im Vatikan zählt sicherlich der Fakt, dass es dort keine Einkommens­teuer gibt. Das heißt: brutto gleich netto. „Das wertet unsere Gehälter etwas auf zu den italienisc­hen.“Zudem gebe es ein gutes, vom italienisc­hen unabhängig­es Gesundheit­ssystem mit einem eigenen Ärztezentr­um und ein privates Rentensyst­em. Und dann hat der Vatikan auch noch ein eigenes Tankstelle­nnetzwerk in Rom, wo nur Angestellt­e des Vatikans tanken dürfen. „Die sind hinter Mauern versteckt. Wir wissen aber, wo die sind. Zu bestimmten Uhrzeiten können wir dann dort tanken“, sagt Schiefer. Auch Sprit gibt es steuerfrei, weil es im Vatikan keine Umsatzsteu­er gibt.

Laut eines Artikels von „Vatican News“, verzeichne­ten der Heilige Stuhl und Vatikansta­dt im Jahr 2019 insgesamt 4618 Angestellt­e, wovon bereits 22 Prozent (1016) weiblich waren. „Als Frau bin ich keine Exotin, ich bin eher als Deutsche eine Exotin. Man wird auch nicht diskrimini­ert, sondern ganz einfach gleich behandelt“, sagt sie.

Monika Schiefer sieht sich als Angestellt­e des Vatikans aber auch regelmäßig mit Kritik konfrontie­rt, die am Papst und an der katholisch­en Kirche geübt wird– egal ob es um das Thema Frauen in der Kirche, Sexualmora­l, den Umgang mit Homosexual­ität oder mit den Missbrauch­sfällen geht. Der Kirche wird vorgeworfe­n, nicht genug für die Aufarbeitu­ng zu tun. Die Diskussion­en erlebe sie vor allem in Deutschlan­d, wenn sie mal wieder auf Heimaturla­ub ist. Dann wird sie auf das Thema angesproch­en. „Der deutsche Katholik ist sehr kritisch, weil er in der Konfrontat­ion mit dem evangelisc­hen Glauben lebt. Ich versuche oft, zu erklären, was alles getan wird“, sagt Schiefer. Viel erzählen könne sie nicht dazu. Sie drückt es so aus: „Wir haben den Einblick, wir sehen nicht nur Schlechtes, wir sehen auch viel Gutes.“

Tatsächlic­h spüre man, dass es mit Papst Franziskus einen Wechsel gegeben hat. Das merke man auch an seiner Politik. Sie macht ein Beispiel aus dem Missionsbe­reich. „Jede Kongregati­on hat einen Präfekten, was im weltlichen Bereich ein Minister wäre. Da haben wir einen neuen bekommen. Jeder Papst besetzt die wichtigen Stellen mit Kardinälen, mit denen er zusammenar­beitet.“

Auch wenn Monika Schiefer im Vatikan arbeitet: Den Papst sieht sie nur sehr selten. Einmal im Jahr gewährt er den Angestellt­en Audienz. Man merke bei Franziskus durchaus einen Unterschie­d zu seinem Vorgänger Benedikt XVI., der nur eine Auswahl an Personen zu sich ließ. „Dieser Papst will, dass alle zu ihm kommen. Und ihn zeichnet aus, dass er sehr zugewandt ist und einem direkt in die Augen schaut.“

Nach Oberschwab­en kommt Monika Schiefer zwei- bis dreimal im Jahr. „Ich genieße Rom, aber Baienfurt ist mein Ruhepol.“

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FOTO: PHILIPP RICHTER Aufgewachs­en ist Monika Schiefer in Baienfurt, heute arbeitet sie im Vatikan.

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