Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Ihr Chef ist der Papst
Monika Schiefer aus Baienfurt arbeitet für den Vatikan, an einem der außergewöhnlichsten Arbeitsplätze der Welt
BAIENFURT - Beworben hat sich Monika Schiefer nicht für ihre Stelle, und doch arbeitet die Baienfurterin heute für den Vatikan – an einem der wohl spannendsten und außergewöhnlichsten Arbeitsplätze der Welt. Ihr oberster Chef: Papst Franziskus. Doch wie kommt man an eine Stelle im Zentrum der Macht der katholischen Kirche? „Man wird berufen. Es gibt einen, der einen anspricht und man braucht eine Empfehlung – im besten Falle vom Bischof, der einen für geeignet hält“, erklärt die 59-Jährige. In ihrem Fall hat sie ein Kollege ihres Ex-Mannes für die Stelle als Übersetzerin beim vatikanischen Missionspressedienst Fides vorgeschlagen. Und so übersetzt die Baienfurterin heute die Texte der Fides-Redaktion vom Italienischen ins Deutsche.
1927 gegründet, zählt Fides zu einer der ersten Nachrichtenagenturen weltweit und verbreitet seither Nachrichten aus den Ortskirchen dieser Welt. Schiefer erzählt, dass unter anderem die Katholische Nachrichtenagentur KNA Texte des Dienstes verwendet, aber auch die Seite www.katholisch.de der katholischen Kirche in Deutschland und die Zeitschriften von Missio. Es geht um Kirchenpolitik, die Arbeit der Kirche in der Mission, aber auch um die politische und gesellschaftliche Lage in den Ländern dieser Welt.
Aus weltweit 130 Niederlassungen der internationalen Sekretariate des Vatikans – quasi die Korrespondentenbüros – kommen die Nachrichten nach Rom, wo diese ausgewählt, journalistisch aufbereitet und übersetzt werden. Ein Blick auf die Internetseite zeigt das vielfältige Spektrum an Themen, über die Fides berichtet. Ein Text aus Zentralafrika ist überschrieben
ANZEIGE mit „Bischöfe: Bewaffnete Gruppen kontrollieren 80 Prozent des Landes“, ein Text aus Papua-Neuguinea ist überschrieben mit: „Bischof von Mendi beklagt Gewalt im Zusammenhang mit Anklagen wegen Hexenkult“und über einem Text aus Venezuela steht: „Bischöfe und Caritas verurteilen Vorgehen gegen Mitarbeiter einer Hilfsorganisation“.
In sieben Sprachen sind die Nachrichten auf www.fides.org zu lesen: Italienisch, Englisch, Spanisch, Französisch, Chinesisch, Arabisch und Deutsch. Die Redaktion schreibt auf Italienisch, Übersetzer wie Monika Schiefer machen die Texte dann für mehr Menschen auf dieser Welt zugänglich. Das heißt, wer einen deutschen Text von Fides liest, liest einen Text, den Monika Schiefer übersetzt hat. Die Taktzahl ist hoch, und auch im Vatikan hat das Internet die Arbeit beschleunigt. Früher war Fides ein Wochendienst, bis 1998 erschien er gedruckt, heute stehen die Nachrichten in Echtzeit online und werden per Newsletter verschickt. Das hat die Textfrequenz erhöht. „Wir übersetzen im Akkord. Oft steht die erste Version online, was nicht immer die beste ist“, sagt Schiefer.
Obwohl sie keine journalistische Ausbildung hat, arbeitet die Baienfurterin zumindest ein bisschen redaktionell, wie sie erzählt: Sie passt die Texte auf ihre deutschsprachige Zielgruppe an. Aus der Nachrichtenflut aus aller Welt wählt sie die Texte aus, die sie für deutschsprachige Leser für interessant und relevant hält. „Man kann gar nicht alles übersetzen, weil es einfach zu viel ist“, sagt sie. Aber auch Kürzen zählt zu ihren Aufgaben, weil sich deutsche und italienische Lesegewohnheiten unterscheiden, sagt sie. „Der italienische Leser liest eher lange Texte und im Detail beschrieben. Der deutsche Leser möchte eher die reine Information ohne die blumige Sprache.“
Monika Schiefer ist staatlich geprüfte Dolmetscherin für Italienisch. Nach ihrem Abitur am Gymnasium in Weingarten 1981 studierte sie am Dolmetscherinstitut in München, ging danach nach Perugia in Umbrien, bevor sie in Neapel lebte. Danach führte sie ihr Weg nach Rom, wo sie seit 1994 an einem der wohl schönsten Orte der Stadt arbeitet: im Palazzo di Propaganda Fide, direkt bei der Spanischen Treppe. „Ich wohne auf einem Hügel in der Nähe der Altstadt. Ich genieße es sehr, wenn ich am Morgen mit meinem E-Bike zur Arbeit fahre, Rom zu meinen Füßen habe und dann geradeaus auf die Spanische Treppe zu radle.“Arbeitsbeginn ist um 8 Uhr, Feierabend um 14 Uhr. Überstunden seien keine erwünscht, deswegen werde penibel gestempelt. Allerdings gebe es keine Mittagspause. Einmal wöchentlich wird nachmittags drei Stunden gearbeitet, damit nur jeden zweiten Samstag gearbeitet werden muss. In Vollzeit arbeitet Schiefer 36 Stunden pro Woche.
Wer sie erzählen hört, der merkt aber auch schnell, dass sich Arbeiten in der kirchlichen Welt doch von dem gewöhnlicher Arbeitnehmer unterscheidet, was nicht nur mit den Konditionen zu tun hat. Die Vatikanstadt ist schließlich auch ein eigener Staat, mit eigenen Gesetzen. Da sind einerseits die Feiertage: „Wir haben alle kirchlichen Feiertage frei. An Weihnachten hat man bis inklusive 27. Dezember frei. Am Osterfest von Gründonnerstag bis einschließlich dem Dienstag. An Mariä Himmelfahrt den 14., 15. und 16. August.“Und tatsächlich haben die Angestellten des Vatikans auch am 1. Mai, dem Tag der Arbeit, frei. „Da feiern wir das Fest des heiligen Josef, dem Arbeiter.“Allerdings müssen die vatikanischen Angestellten zum Beispiel am italienischen Nationalfeiertag arbeiten. Dazu kommen 26 Urlaubstage.
Zu den Vorteilen einer Beschäftigung im Vatikan zählt sicherlich der Fakt, dass es dort keine Einkommensteuer gibt. Das heißt: brutto gleich netto. „Das wertet unsere Gehälter etwas auf zu den italienischen.“Zudem gebe es ein gutes, vom italienischen unabhängiges Gesundheitssystem mit einem eigenen Ärztezentrum und ein privates Rentensystem. Und dann hat der Vatikan auch noch ein eigenes Tankstellennetzwerk in Rom, wo nur Angestellte des Vatikans tanken dürfen. „Die sind hinter Mauern versteckt. Wir wissen aber, wo die sind. Zu bestimmten Uhrzeiten können wir dann dort tanken“, sagt Schiefer. Auch Sprit gibt es steuerfrei, weil es im Vatikan keine Umsatzsteuer gibt.
Laut eines Artikels von „Vatican News“, verzeichneten der Heilige Stuhl und Vatikanstadt im Jahr 2019 insgesamt 4618 Angestellte, wovon bereits 22 Prozent (1016) weiblich waren. „Als Frau bin ich keine Exotin, ich bin eher als Deutsche eine Exotin. Man wird auch nicht diskriminiert, sondern ganz einfach gleich behandelt“, sagt sie.
Monika Schiefer sieht sich als Angestellte des Vatikans aber auch regelmäßig mit Kritik konfrontiert, die am Papst und an der katholischen Kirche geübt wird– egal ob es um das Thema Frauen in der Kirche, Sexualmoral, den Umgang mit Homosexualität oder mit den Missbrauchsfällen geht. Der Kirche wird vorgeworfen, nicht genug für die Aufarbeitung zu tun. Die Diskussionen erlebe sie vor allem in Deutschland, wenn sie mal wieder auf Heimaturlaub ist. Dann wird sie auf das Thema angesprochen. „Der deutsche Katholik ist sehr kritisch, weil er in der Konfrontation mit dem evangelischen Glauben lebt. Ich versuche oft, zu erklären, was alles getan wird“, sagt Schiefer. Viel erzählen könne sie nicht dazu. Sie drückt es so aus: „Wir haben den Einblick, wir sehen nicht nur Schlechtes, wir sehen auch viel Gutes.“
Tatsächlich spüre man, dass es mit Papst Franziskus einen Wechsel gegeben hat. Das merke man auch an seiner Politik. Sie macht ein Beispiel aus dem Missionsbereich. „Jede Kongregation hat einen Präfekten, was im weltlichen Bereich ein Minister wäre. Da haben wir einen neuen bekommen. Jeder Papst besetzt die wichtigen Stellen mit Kardinälen, mit denen er zusammenarbeitet.“
Auch wenn Monika Schiefer im Vatikan arbeitet: Den Papst sieht sie nur sehr selten. Einmal im Jahr gewährt er den Angestellten Audienz. Man merke bei Franziskus durchaus einen Unterschied zu seinem Vorgänger Benedikt XVI., der nur eine Auswahl an Personen zu sich ließ. „Dieser Papst will, dass alle zu ihm kommen. Und ihn zeichnet aus, dass er sehr zugewandt ist und einem direkt in die Augen schaut.“
Nach Oberschwaben kommt Monika Schiefer zwei- bis dreimal im Jahr. „Ich genieße Rom, aber Baienfurt ist mein Ruhepol.“