Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Pilgern mit Parkinson
Detlef Sachse aus Bad Wurzach veröffentlicht ein Buch über seine Wanderung nach Santiago de Compostela
BAD WURZACH - Morbus Parkinson, so lautet die Diagnose, die Detlef Sachse im Herbst 2011 bekam. Trotz Krankheit entschloss sich Sachse dazu, seinen lang gehegten Traum, nämlich eine Pilgereise auf dem Jakobsweg nach Santiago de Compostela zu erfüllen. Seine Erlebnisse hat er mittlerweile in einem Buch veröffentlicht.
Das Leben spielt nicht immer so mit, wie gewünscht. Diese Erfahrung musste auch der heute 73-Jährige und ehemalige Vertriebsingenieur machen, der seit vielen Jahren mit seiner Familie in Bad Wurzach lebt. Endlich im Ruhestand angekommen, hegte Sachse den Traum einmal eine Pilgerreise
auf dem berühmten Jakobsweg nach Santiago de Compostela zu unternehmen. Dann kam das Schicksal.
Getragen von der Hoffnung, einen Ansatz zu finden, wie er sich gegenüber seiner Krankheit behaupten kann, machte er sich im April 2015 dennoch auf den Weg, um im Spannungsfeld von Krankheit, Glaube und Zuversicht, nach einem Halt für sein weiteres Leben zu suchen. Die Reise dauerte insgesamt 40 Tage. Davon wanderte Sachse 36 Tage. „Meine Familie war zunächst alles andere als begeistert über mein Vorhaben. Meiner Frau ist jedoch der Stellenwert, den die Reise für mich hatte, bewusst gewesen und deshalb hat sie mich ziehen lassen“, erzählte Sachse.
Die Hauptschwierigkeiten beim Pilgern auf dem Jakobsweg seien für ihn die Langzeitbelastung, das tägliche Bewältigen großer Strecken zu Fuß sowie Anstiege bis auf 1500 Meter unter den verschiedensten Wetterbedingungen, gewesen. „Im Grunde ging die Wanderung über meine Kräfte. Zusätzlich hat die Krankheit Parkinson sowie eine schwere Bronchitis im letzten Drittel der Wanderung an mir genagt“, sagte Sachse. Der Gedanke
am Grab des Heiligen Jakobs in Santiago de Compostela stehen zu dürfen und seine Sorgen dort abladen zu können, habe ihn jedoch beflügelt um weiterzumachen und nicht aufzugeben.
Er erinnert sich an folgende Situation: „Am Meisten hat es mich bewegt, wie ich in der Kathedrale von Santiago auf dem Rücken des Heiligen Jakobus lag und hemmungslos weinte. Aber auch mein Fürbittengebet für meine Familie während des Pilgergottesdienstes und die Segnung, die ich vom Pilgerpfarrer erhalten habe, haben mich zutiefst berührt“. Sein schönstes Erlebnis sei das Angebot eines spanischen Mitpilgers bei La Faba auf dem Weg nach O’Cebreiro
gewesen, der ihm seinen Rucksack abgenommen habe. „Das ist mir sehr nahe gegangen. Es war für mich ein leuchtendes Beispiel für die Gesinnung der Pilger und ihren Zusammenhalt“, sagte Sachse.
Gerne würde er noch einmal eine derartige Reise machen, allerdings würde seine Krankheit das nicht mehr erlauben. „Der Morbus Parkinson ist eine unheilbare Nervenkrankheit. Ein Fachmann sagte einmal bei einem Vortrag zu seinem Auditorium: „Und zum Schluss sind Sie alle ein Pflegefall“. Das ist eine Aussicht, die natürlich nur schwer zu bewältigen ist. Deshalb habe ich auf meiner Pilgerfahrt eine Kraftquelle gesucht, die mir dabei hilft, mit dieser Herausforderung
fertig zu werden und mein Selbstwertgefühl zu bewahren. Auch wenn die Pilgerreiste mich außerordentlich Kraft gekostet hat und ich sie wegen des Parkinsons nicht hätte machen dürfen, bin ich froh, es getan zu haben, denn sie ist für mich eine kolossale Bereicherung und beschäftigt mich nach wie vor“, sagte Sachse.
Personen die ebenfalls von dieser Krankheit betroffen sind, rät er folgendes: „Ich rate meinen Mitbetroffenen, sich nicht unterkriegen zu lassen, auch wenn das manchmal sehr schwer ist. Meine Erfahrung ist, dass sich immer ein Weg auftut, auch wenn es gar nicht danach aussieht. Manchmal kommt die Lösung ganz woanders her als man erwartet“.