Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Illegaler Müll: Weingarten greift durch
Am Samstag wurden 23 Fälle in sechs Stunden erfasst – Das Ordnungsamt zieht Bilanz
WEINGARTEN - Alte Autoreifen, eine ausgediente Waschmaschine, eine muffige Matratze oder der klassische RaWEG-Sack: Die Stadt Weingarten kämpft seit Jahren mit illegalen Müllentsorgungen am Festplatz und in der Lazarettstraße. Jetzt greifen Ordnungsamtsmitarbeiter durch. Vergangenen Samstag mussten sich 23 Müllsünder für die Widrigkeit verantworten und werden nun von der Stadt zur Kasse gebeten.
Samstagmorgen, 8.30 Uhr: Eine Zeit in der die meisten noch gemütlich ihren Kaffee trinken. Währenddessen nimmt der Verkehrstrubel am Festplatz in der Abt-Hyller-Straße langsam zu.
Eine junge Frau braust im Auto über den freien Kiesplatz Richtung Altglascontainer und hält ganz dicht neben den dort schon liegenden Säcken. Das Schauspiel wirkt von außen betrachtet geplant und vorsätzlich, wohl wissend. Schnell hinfahren, den Sack ablegen, wegfahren – so wenig Aufmerksamkeit wie möglich erregen. Das Vergehen dauert nicht länger als eine halbe Minute. Sie hat Glück, denn eine Viertelstunde später hätte sie dafür ein Bußgeld vom Ordnungsamt kassiert.
Die Mitarbeiter des Ordnungsamts seien „schockiert, wie dreist Menschen sein können“, sagt Peter Keil, der mit einer Kollegin die Kontrollen übernommen hat. Das Duo hält sich im Hintergrund und wartet in einem unscheinbaren Wagen auf mögliche Übeltäter. „Mit der Kontrolle möchten wir versuchen, die heraus zu picken, die sich vorsätzlich den Vorgaben widersetzen“, sagt Keil. „Es soll in keinster Weise Schikane sein. Wir wollen niemandem etwas andichten, sondern auf die
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Schuld hinweisen“, erklärt er weiter. Dieser Ansatz spiegelt sich in dessen Vorgehen wider. Geben sich die Kontrolleure zu erkennen, weisen sie zuerst auf den Aushang hin und lassen die Ordnungswidrigkeit nicht arglistig begehen. Der Festplatz sei ein Hotspot, den sie versuchen „auszumerzen“.
Um sich vor einem Bußgeld zu drücken, begründen viele ihre Aktion mit kuriosen Argumenten. „Aber hier sind doch schon Säcke gestanden“dient dem Großteil als Standardausrede. Keils Erfahrungen zufolge könne am Platz auch eine Gruppendynamik entstehen. „Traut sich einer, trauen sich die nächsten.“Seltenst eskaliert eine Konfrontation – laut Keil haben Mitarbeiter dennoch Einschüchterungsversuche und Bedrohungen erlebt.
Mittlerweile schlägt die Uhr am Festplatz 11. Von Weitem sehen die Kontrolleure ein Auto, hinter dessen Heckscheibe es verdächtig gelb schimmert. Zu beobachten ist, wie der Fahrer ohne Hektik aussteigt und selbstverständlich mehrere RaWEGSäcke entsorgt. „Haben Sie jetzt extra auf mich gewartet?“, will der Betroffene wissen. Als er die Höhe des Bußgeldes hört, beteuert er: „Das war mir eine Lehre.“Ihn hat diese Aktion immerhin gerade mehr als 200 Euro gekostet. Denn: Die Kosten für den ersten Sack belaufen sich auf 75 Euro zusätzlich dem Verwaltungsaufwand. Jeder weitere illegal entsorgte Sack wird mit 50 Euro bemessen.
Die Gesamtkosten sind für die Beseitigung des illegal abgelegten Mülls im gesamten Stadtgebiet in den vergangenen Jahren immer weiter gestiegen und lagen zuletzt bei 52.000 Euro im Jahr. Es ist die vierte Kontroll-Aktion in diesem Jahr. Das
Ordnungsamt wolle die Kontrollen auf das Mindeste beschränken, weil die Mitarbeiter „auf einen absoluten Lerneffekt der Bürger hoffen“und derartige Sonderkontrollen Kapazitäten für die eigentlichen Kontrollen im ruhenden Verkehr bindet. 90 Prozent der Menschen akzeptieren die Vorgaben der Stadt. Sprich: Die RaWEG-Säcke werden bei der Rollenden Wertstoffkiste im wöchentlichen Wechsel an zwei Standorten, dem Festplatz und in der Lazarettstraße, zu bestimmten Öffnungszeiten angenommen.
Notwendig machen die Kontrollen die restlichen zehn Prozent der Haushalte. Viele geben ihren Müll illegal ab, weil sie Angst haben, den Müll nicht korrekt getrennt zu haben. „Wenn der RaWEG-Sack Fremdstoffe enthält, wird die Abgabe bei der Wertstoffkiste abgewiesen“, erklärt Keil. „Um das zu umgehen, legen es viele Leute illegal ab.“Andere wiederum halten sich nicht an die Abgabezeiten. „Überwiegend sehen die Leute, dass keine roten Container bereit stehen und gehen wieder. In anderen Fällen lesen sie den zusätzlichen Aushang am Platz, dass die Annahme in der Lazarettstraße stattfindet. Weitere warten ab, hadern mit ihrem Plan und werfen den Sack dennoch dazu“, erzählt Keil.
So auch ein Mann mittleren Alters, der mit einem Plastiksack bepackt zum Festplatz radelt. Nachdem er auf dem Rad die Lage zuerst ausgespäht und einige Runden auf dem Rad gedreht hat, holt er Schwung und wirft seinen Müll vor die Container. Die Mitarbeiter des Ordnungsamt beobachten die Szenerie und stoppen ihn nach vollendeter Tat bevor er verschwinden kann. Er fühlt sich sichtlich ertappt. „Ich habe es mir jetzt doch anders überlegt“, sagt er und greift nach seinem Abfall. Die Personalien des Mannes werden dennoch aufgenommen. „Den Sack nehmen Sie wieder mit und Sie bekommen Post von der Stadt“, erklärt Keil. „Aber eigentlich dürfte ich den Müll jetzt ablegen, weil ich doch Bußgeld zahle“, verhandelt der Mann weiter. Die Frage, ob er Rabatt bekomme, weil er zurück gekommen sei, kann Keil nur abwinken.
Die Beschuldigten reagieren meist in einem Mix aus Einsicht, Ärger – offenbar mehr über sich selbst als auf das Ordnungsamt – und Verhandlungseifer. Insgesamt nehmen die Mitarbeiter am Samstag zwischen 9 und 15 Uhr 23 Personalien auf. Das Gesamtvolumen des Busgeldes beläuft sich auf 3300 Euro. Eine Woche zuvor hat die Stadt ebenfalls 23 Fälle dokumentiert. „Wie es scheint hat die Aktion Wirkung gezeigt“, so Keil. Zwar hat es gleich viele Strafen gegeben, aber am Tag darauf „lagen vergleichsweise wenig Säcke vor Ort.“