Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Wahlkampfaufkleber der Linken: Polizei ermittelt Verdächtige
Junge Frau aus Weingarten bestreitet die Tat – Staatsanwaltschaft klagt wegen Sachbeschädigung
WEINGARTEN - In den mysteriösen Fall der Wahlkampfaufkleber der Partei „Die Linke“, die im Frühjahr im Weingartener Stadtgebiet angebracht wurden, kommt Bewegung. So hat die Polizei eine 19 Jahre alte Tatverdächtige ermittelt und den Fall an die Ravensburger Staatsanwaltschaft übergeben. Da Oberstaatsanwalt
Wolfgang Angster einen hinreichenden Tatverdacht sieht, hat er Anklage wegen Sachbeschädigung erhoben. Diese wurde vom Amtsgericht Ravensburg zugelassen, sodass der Fall nun zeitnah verhandelt werden soll.
So wird der jungen Frau aus Weingarten vorgeworfen, dass sie mehrere Dutzend der grellgelben Aufkleber mit der Aufschrift „Zweitstimme zählt. Die Linke.“an Straßenlaternen, Zigarettenautomaten, Stromkästen oder Bushaltestellen angebracht haben soll. Da sich die Aufkleber – die aus dem Bundestagswahlkampf 2017 stammen, aber damals nicht von den Ravensburger Linken verwendet wurden – sich nur schwer oder gar nicht vom jeweiligen Untergrund lösen lassen, entstand ein erheblicher Sachschaden.
Erstmals waren die Aufkleber im April dieses Jahres entdeckt worden. Im Juni hatte der Kreisvorstand der Ravensburger Linken Anzeige gegen Unbekannt erstattet und sich an die Öffentlichkeit gewandt. „Was hier passiert, ist mehr als dreist. Im gesamten Stadtgebiet wurden widerwillig Wahlaufforderungen von der letzten Bundestagswahl unserer Partei auf Laternen geklebt, die nicht von uns stammen“, hatte Kreisvorsitzende Jasmin Runge erklärt. „Hier möchte jemand bewusst erreichen, dass wir für diese Sachbeschädigung und damit auch aufwendige Entfernung der Aufkleber zur Kasse gebeten werden.“
Ein solches oder aber auch anderes Motiv kann der Oberstaatsanwalt nicht bestätigen, da die Tatverdächtige bestreitet, etwas mit der Tat zu tun zu haben. Auch gebe es aktuell keine Hinweise, dass die 19-Jährige zu politischen Gegnern der Linken gehöre. Dass Angster dennoch Anklage erhoben hat, hängt vor allem mit einer „sehr glaubhaften“Zeugenaussage zusammen. Dieser Zeuge hatte sich nach einem Bericht bei der „Schwäbischen
Zeitung“gemeldet und sehr konkrete Hinweise auf die nun angeklagte junge Frau gegeben. Auch hatte er sich bereit erklärt, dass seine Personalien an die Polizei weitergegeben werden, sodass er dort offiziell eine Zeugenaussage machte.
Erst dadurch rückte die junge Frau, die bislang polizeilich nur geringfügig in Erscheinung getreten ist, in den Fokus der Ermittlungen, die von der Polizei in Weingarten geleitet und vom Staatsschutz begleitet wurden. Neben der Vernehmung der Beschuldigten fand auch eine Hausdurchsuchung statt. Dort konnten weitere Indizien gesammelt werden. „Wir haben keine ganzen Stapel an Aufklebern gefunden. Nur an einem Stuhl war ein Aufkleber angebracht“, sagt Angster.
Und doch reicht das dem Oberstaatsanwalt. Schließlich handelt es sich bei Sachbeschädigung nicht nur um eine Lappalie, sondern eine Straftat. Das hatte auch die Stadt Weingarten im Sommer hervorgehoben, als das städtische Ordnungsamt sich mit dem Fall befasste. „Es handelt sich bei einer Sachbeschädigung im Sinne
des Paragraf 303 StGB um eine Straftat und nicht um eine Ordnungswidrigkeit. Daher sprechen wir hier auch nicht von der Höhe eines vermeintlichen Bußgeldes, sondern von der Höhe des Strafmaßes“, hatte die städtische Pressestelle seinerzeit mitgeteilt.
Tatsächlich kann bei Sachbeschädigung eine empfindliche Strafe drohen. Von einer Geldstrafe bis zu einer zweijährigen Haftstrafe ist bei Erwachsenen theoretisch alles möglich.
Im konkreten Fall ist das aber eher unrealistisch, zumal bei der Verhandlung noch geprüft werden muss, ob – wiederum im Falle einer Verurteilung – nicht das Jugendstrafmaß angewendet wird. Schließlich war die Beschuldigte zum Tatzeitpunkt erst 18 Jahre alt. Sollte eine Reifeverzögerung festgestellt werden, könnte das Jugendstrafmaß angewendet werden, welches beispielsweise auch abzuleistende Arbeitsstunden vorsieht.
Die öffentliche Verhandlung solam 24. November vor dem Amtsgericht Ravensburg stattfinden.