Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Alte Freunde und harte Verhandlungspartner
Prinz Charles wirbt in Berlin für die deutsch-britische Freundschaft – Kleine Fortschritte bei Brexit-Verhandlungen
LONDON - Der Prinz von Wales hat am Sonntag im Deutschen Bundestag der Opfer von Weltkriegen und Tyrannei gedacht und die deutschbritische Freundschaft jenseits des Brexit bekräftigt. Charles legte zusammen mit Bundespräsident FrankWalter Steinmeier, Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) und weiteren Vertretern der deutschen Verfassungsorgane Kränze an der zentralen Gedenkstätte der Bundesrepublik nieder. „Wir werden immer Freunde, Partner und Verbündete sein“, sagte Prinz Charles bei der zentralen Veranstaltung zum Volkstrauertag. Als „instinktive Problemlöser“könnten Großbritannien und Deutschland auch zukünftig als Klimaschützer, Verfechter der Menschenrechte und der regelbasierten internationalen Ordnung gut zusammenarbeiten.
Etwa die Hälfte seiner knapp 17minütigen Rede hielt Charles in fließendem Deutsch. Die engen persönlichen Verbindungen zwischen beiden Ländern, „ein Gewebe hin- und herverlaufender Fäden“, würden bis ins römische Reich zurückreichen, sagte der Prinz und erinnerte besonders an die Deutschland-Begeisterung im England des 19. Jahrhunderts. Die Saat der Versöhnung der vergangenen 75 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges 1945 sei zur Blüte gekommen: „Großbritannien stand in den Jahren des Wiederaufbaus an der Seite Deutschlands.“Doch dürfe die Versöhnung nicht als selbstverständlich erachtet werden, mahnte Charles.
Der Besuch des britischen Kronprinzen, 72, und seiner Gattin Camilla verlängert die Charmeoffensive, mit der die britische Regierung das Land in Europas Mitte seit Jahren überzieht. Mit der Einladung an den Thronfolger revanchierte sich Steinmeier für eine großzügige Geste, die ihm vor zwei Jahren zuteil wurde: Am 100. Jahrestag durfte sich der Repräsentant des einstigen Kriegsgegners und heutigen Verbündeten mit einer Lesung aus dem Johannesbrief am zentralen Gedenkgottesdienst in der Westminster Abbey zum Ende des Ersten Weltkrieges 1918 beteiligen. Bereits vier Jahre zuvor war Bundeskanzlerin Angela Merkel die Ehre zuteil geworden, vor beiden Häusern des britischen Parlaments zu sprechen. Zuletzt durfte Außenminister Heiko Maas seinen Kollegen Dominic Raab auf dessen offiziellem Landsitz Chevening besuchen, auch dies eine Geste der Wertschätzung.
Umgekehrt sind britische Royals zuletzt beinahe jedes Jahr in Deutschland zu Gast gewesen. 2015 setzte der damalige Premierminister David Cameron die damals 89-jährige Queen zu einem ihrer letzten
Staatsbesuche in Marsch, um im Vorfeld des Brexit-Referendums für Sympathie zu werben. Im Jahr nach der Austrittsentscheidung 2016 kam Charles‘ Sohn William mit seiner Frau Catherine und den Kindern George und Charlotte zu Besuch, Charles selbst war erst vor 18 Monaten Gast in Berlin, Leipzig und München. Freilich hat sich die Hoffnung auf politische Hilfe aus Berlin nicht erfüllt, im Verbund mit den 26 EU-Partnern ließ Berlin den EU-Chefunterhändler Michel Barnier die Verhandlungen mit dem ausgetretenen Mitglied führen. Der deutsche Botschafter in London, Andreas Michaelis, musste in den vergangenen Monaten seine Gesprächspartner immer wieder dazu mahnen, nicht allzu viel von der derzeitigen EU-Ratspräsidentin Merkel zu erwarten. Unverdrossen setzen die Briten unter dem derzeitigen Premierminister Boris Johnson in der Endphase der Verhandlungen über den zukünftigen EU-Handelsvertrag auf eine Intervention der Staats- und Regierungschefs; Deutschland wird dabei als deutlich freundlicher eingestuft als beispielsweise der französische Staatspräsident Emmanuel Macron.
Zuletzt war von Chefunterhändler David Frost zu hören, dass es Fortschritte gebe. Doch es stehen weiterhin einige Probleme im Weg. Ende vergangener Woche schien es kurzzeitig möglich, dass der BrexitHardliner wie Johnsons bisheriger Chefberater Dominic Cummings und der Kommunikationsdirektor Lee Cain den Dienst in der Downing Street quittieren wolle. Ein Kurswechsel in den Blockade-Streitfragen müsste aber von Johnson selbst kommen. Von diesem war zuletzt wenig Kompromissbereitschaft zu spüren oder gar von Versöhnung.
Prinz Charles mahnte in Berlin: Die Schicksale von Großbritannien und Deutschland seien in erheblichem Maße voneinander abhängig. Er sei aber „der festen Überzeugung, dass die zentralen Bande zwischen uns stark bleiben werden. Wir werden immer Freunde, Partner und Verbündete sein“, sagte der Prinz auf Deutsch – trotz des Brexits.