Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Debatte um Impfpflicht
Bundesregierung betont Freiwilligkeit, andere Länder erwägen Zwang – Mehr als eine Million Infektionen
BERLIN - Während fast ein Jahr nach Beginn der Corona-Pandemie Millionen Menschen einem Impfstoff entgegenfiebern, fürchten Kritiker eine Impfpflicht. Auch auf den Demonstrationen gegen die CoronaMaßnahmen in Deutschland wurde zuletzt immer wieder gegen Impfungen protestiert. Im ZDF-„Politbarometer“gaben lediglich 51 Prozent der Befragten an, dass sie sich impfen lassen wollen, 29 Prozent sind sich noch nicht sicher und 20 Prozent wollen das definitiv nicht.
Im Infektionsschutzgesetz gibt es theoretisch die Möglichkeit, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates besonders bedrohte
Teile der Bevölkerung unter bestimmten Voraussetzungen zu einer Impfung zu verpflichten. Die Bundesregierung hat einer Impfverpflichtung allerdings eine Absage erteilt. „Ich gebe Ihnen mein Wort: Es wird in dieser Pandemie keine Impfpflicht geben“, betonte etwa Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) im Bundestag.
Der Jurist Steffen Augsberg hält unter bestimmten Umständen eine Corona-Impfpflicht für einzelne Berufsgruppen für möglich. Es sei politisch klug, dass die Bundesregierung keine breite und undifferenzierte Pflicht anstrebe, sagte das Mitglied des Deutschen Ethikrates. Vorstellbar sei aber, dass eine solche Pflicht für bestimmte Berufsgruppen komme, wenn die Erwartungen an die freiwillige Impfung nicht erfüllt werden sollten. „Das müsste aber neu diskutiert werden“, betonte der Professor für Öffentliches Recht an der Justus-Liebig-Universität Gießen.
Fluggesellschaften und andere Unternehmen könnten nach Augsbergs Worten von Kunden den Nachweis einer Impfung gegen das Coronavirus verlangen. Das wäre zwar eine Ungleichbehandlung, eine private Gesellschaft habe aber das Recht zu entscheiden, mit wem sie Verträge schließe. Beobachter befürchten, eine Impfplicht könnte auf diese Weise durch die Hintertür kommen. Mit der australischen Quantas hat bereits die erste Fluggesellschaft erklärt, nur geimpfte Passagiere auf internationalen Verbindungen zu befördern. Australien hat zudem eine
Impfpflicht für alle Bürger angekündigt, sobald ein Impfstoff vorhanden sei. In den USA ist eine verpflichtende Corona-Impfung ebenfalls nicht ausgeschlossen, dort entscheiden jeweils die Bundesstaaten. Die meisten europäischen Länder setzen auf Freiwilligkeit. In der Schweiz könne allerdings eine Impfpflicht bei bestimmten Bevölkerungsgruppen Sinn machen, hieß es vom Bundesamt für Gesundheit.
In Deutschland haben sich unterdessen mehr als eine Million Menschen mit dem Coronavirus infiziert, das gab das Robert-Koch-Institut (RKI) bekannt. Anders als erhofft, hat der seit Anfang November geltende Teil-Lockdown noch zu keinem deutlichen Rückgang der Ansteckungen geführt.