Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Vertrauen verspielt
Eines wollten nahezu alle Politiker verhindern: einen zweiten Lockdown wie im Frühjahr. Nun herrschen erneut strenge Corona-Auflagen, die Infektionslage lässt derzeit wenig anderes zu. Umso wichtiger wäre es für die von Winfried Kretschmann (Grüne) geführte Regierung, mit einem stringenten Krisenmanagement möglichst viele Bürger hinter sich zu bringen. Doch tatsächlich blickt aktuell fast jeder vierte Bürger im Südwesten skeptisch in die Zukunft – und traut keiner Partei zu, die Krise gut zu bewältigen.
Das liegt mitnichten nur am zweiten Lockdown. Denn die Akzeptanz für die Maßnahmen ist in bundesweiten Umfragen weiter hoch. Aber Grüne und CDU arbeiten derzeit nicht an der Vertrauensbildung. Sie leisten sich 100 Tage vor den Landtagswahlen kaum nachvollziehbare Rangeleien.
Da wäre das Hin und Her um den Beginn der Weihnachtsferien. Und dann die wochenlange Unfähigkeit, eine gemeinsame Strategie für die besonders betroffenen Landkreise wie etwa Tuttlingen zu verabschieden – etwas, was bei den bayerischen Nachbarn längst steht. Stets haben Grüne und CDU betont, man wolle regional unterschiedlich auf die jeweilige Lage reagieren. Den notwendigen einheitlichen Rahmen dafür hatten viele Landkreise bereits in der ersten Welle gefordert – doch erneut dauert es, bis dieser nun kommt.
Der Ministerpräsident beweist in diesen Wochen eine allzu ruhige Hand und lässt offenbar vieles einfach laufen. Die CDU ist aus Prinzip oftmals gegen die Grünen, um eine eigene Linie zu zeigen. Dabei zeigt der grüne Gegner gerade Schwäche – die Oberbürgermeister-Wahlen in Stuttgart stehen exemplarisch dafür. Zu satt sind viele Grüne, zu sicher und im links-grünen Lager verlieren sie Stimmen.
Wem das Gezerre in Stuttgart nützt, zeigt die Umfrage ebenfalls: niemandem. Es steigert viel mehr den Frust über die Politik insgesamt. Das allerdings kann sich weder leisten, wer die Corona-Pandemie eindämmen will noch wer im März um das Vertrauen der Wähler wirbt.