Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Der große Schatz der Bad Wurzacher
Menschen, Pflanzen und Tiere profitieren von dem einzigartigen Naturschutzgebiet
BAD WURZACH - Das Wurzacher Ried, an das sich Bad Wurzach anschmiegt, ist in seiner Bedeutung einzigartig.
Entstanden ist das Wurzacher Becken vor 200 000 Jahren im Eiszeitalter. Der mächtige Rheingletscher formte damals die Landschaft. Dort stauten sich in der ausklingenden letzten Eiszeit vor 20 000 Jahren die Schmelzwasser. In der nachfolgenden Warmzeit entstand in dieser abflusslosen Senke ein See, der zu einem Moor verlandete.
Heute ist das Wurzacher Ried eines der größten Naturschutzgebiete und eines der bedeutendsten Moorgebiete Süddeutschlands. Der weitgehend unberührte Kernbereich gilt als das größte zusammenhängende und noch intakte Hochmoor Mitteleuropas. Im Jahre 1989 wurde es mit dem Europadiplom der Kategorie A des Europarates ausgezeichnet. Diese Kategorie haben in Deutschland nur noch die Nationalparks Bayerischer Wald und Berchtesgaden.
Aufgrund seiner Größe von 1812 Hektar, seiner Ursprünglichkeit und des charakteristischen Mosaiks verschiedener Moorlebensräume beherbergt das Wurzacher Ried eine ganz außergewöhnliche Pflanzenund Tierwelt. Dieser großen ökologischen Bedeutung wegen hat es auch international einen besonderen
Stellenwert und ist als europäisches Vogelschutz- und FFH-Gebiet Teil des europaweiten Schutzgebietsnetzes Natura 2000.
Eine Wanderung durch das Wurzacher Ried gleicht einem Gang durch die Naturgeschichte. Mehr als 2500 Pflanzen, Tiere und Pilze sind bis heute nachgewiesen, ein Reservat für viele bedrohte Tier- und Pflanzenarten. Die wunderbare Erlebnisausstellung „Moor Extrem“des Naturschutzzentrums Wurzacher Ried im Herzen der Stadt gibt auch darüber in einzigartiger Weise Auskunft.
Der Mensch freilich nutzte und nutzt das Ried auch. Ist es heute in seinen begehbaren Bereichen ein Erholungsgebiet, war es früher ein wichtiger Wirtschaftsraum. Torf wurde als Energieträger abgebaut und damit das eigene Überleben gesichert. Nach dem Ersten Weltkrieg versorgte das Wurzacher Ried sogar Stuttgart mit Brennstoff. Dort, wo für die Großstädter Torf abgebaut wurde, kündet heute noch der Stuttgarter See davon. Ein Erlebnis- und Naturlehrpfad bringt die Geschichte rund um den Torfabbau im Wurzacher Ried anschaulich und spannend näher. Auch das Oberschwäbische Torfmuseum des Heimatvereins Wurzen samt Torfbähnle ist für den, der darüber etwas erfahren will, eine hervorragende Adresse.
Rund 200 Jahre dauerte der Torfabbau. Um 1960 kam der industrielle
Abbau von Brenntorf vollständig zum Erliegen. Danach wurde versucht, Torf für gärtnerische Zwecke abzubauen. Dieser Abbau hatte nie große Bedeutung erlangt und wurde bald wieder eingestellt.
Letzte und alleinige Nutzungsform im Wurzacher Ried war der Abbau für medizinische Zwecke. Nachdem zum Jahresende 1995 die Genehmigung für den Abbau von Badetorf im Wurzacher Ried auslief, wurde dieser in das Reicher Moos bei Vogt (Landkreis Ravensburg) verlagert.
Die ehemaligen Abbauflächen werden seitdem über entsprechende Wiedervernässungsmaßnahmen renaturiert – eine Aufgabe für viele Generationen. Torfaufbau ist eine Sache von Millimetern in einem Jahrzehnt, abgebaut wurden stellenweise bis zu sechs Meter.
Dem Wurzacher Ried verdankt die Stadt nicht nur ein einzigartiges Naturschutzgebiet im wahrsten Sinne des Wortes direkt vor der Haustür, sondern auch seine Stellung als Moorheilbad. 1936 wurden die ersten Moorbäder verabreicht, im Jahr 1950 erhielt Wurzach das Prädikat „Bad“verliehen. Bis zur bundesdeutschen Gesundheitsreform erlebte Bad Wurzach als Kurstadt eine wirtschaftliche Blüte.
Doch auch heute noch profitiert die Stadt, wenn auch in geringerem Maße als früher, als Standort einer Rehaklinik der Waldburg-Zeil-Kliniken, der Evangelischen Frauen- und Mütterkurklinik und nicht zuletzt des Städtischen Kurbetriebs, der neuerdings als Feel-Moor-Gesundresort einen Neustart unternimmt, von ihrem großen Schatz.