Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Es rappelt im Karton
Ärger um Amazon – Versandhändler plant ein Verteilzentrum am Memminger Flughafen
MEMMINGEN - Hinter verschlossenen Türen diskutieren Allgäuer Kommunalpolitiker über ein brisantes Thema: Der Versandriese Amazon will sich auf einer Gewerbefläche beim Memminger Flughafen ansiedeln und ein Verteilzentrum bauen. Der Konzern hat entsprechende Informationen unserer Zeitung gestern bestätigt. Das fragliche Grundstück ist im Besitz einer Gesellschaft, der alle Allgäuer Landkreise und kreisfreien Städte angehören. Noch ist nicht klar, ob das Geschäft zustande kommt. Doch eine kontroverse Diskussion bahnt sich an.
Allgäuer Kommunen hatten vor einigen Jahren Gewerbeflächen am Flughafen gekauft, um den finanziell schwer angeschlagenen Memminger Flughafen zu retten. Eine Gesellschaft wurde gegründet, der auch Banken aus der Region angehören. Amazon interessiert sich nach Informationen unserer Zeitung für eine mindestens 30 000 Quadratmeter große Fläche. Das Verteilzentrum selbst soll offenbar mehrere Tausend Quadratmeter groß werden. Von dort aus würden weite Teile des Allgäus bedient.
Die Gesellschaft habe die Aufgabe, „Grundstücke zu verwerten“, sagt Werner Birkle, einer der beiden Geschäftsführer. Insofern stehe er dem Vorhaben grundsätzlich positiv gegenüber. Aber natürlich sei er sich im Klaren, „dass der Name Amazon in der Bevölkerung nicht immer positive Reaktionen hervorruft“, fügt der frühere Bürgermeister von Buxheim (Unterallgäu) hinzu. So haben Gewerkschaftsvertreter in der Vergangenheit immer wieder die Arbeitsbedingungen bei Amazon kritisiert. Und es gibt sogar Stimmen, dass der Konzern aus Wettbewerbsgründen eigentlich zerschlagen werden müsste, da die Macht des Riesen inzwischen deutlich zu groß geworden sei.
In der Region führt die mögliche Amazon-Ansiedlung ebenfalls zu Kritik: Er sei wütend, sagt ein Kommunalpolitiker aus dem Unterallgäu. „Wenn Amazon hierherkommt, ist das ein verheerendes Signal. Schließlich ist der Onlinehandel die größte Bedrohung für unsere Innenstädte.“
Einem Kollegen gehen ähnliche Gedanken durch den Kopf. Mit dem Slogan „Lass den Klick in deiner Stadt“werbe man dafür, den einheimischen Einzelhandel zu unterstützen. „Und dann lässt man es zu, dass sich Amazon hier ansiedelt?“
Unter Ausschluss der Öffentlichkeit sprachen Allgäuer Kommunalpolitiker bereits über das Ansinnen von Amazon. Nach Informationen unserer Zeitung haben der Memminger Oberbürgermeister Manfred Schilder und der Unterallgäuer Landrat Alex Eder die jeweiligen Fraktionsvorsitzenden informiert. Nach seiner Einschätzung sei „dem Interessenten“daran gelegen, dass über den Grundstückskauf bald entschieden wird, sagt Eder auf Anfrage unserer Zeitung. Der Unterallgäuer Kreistag werde sich in einer nichtöffentlichen Sitzung am Montag damit beschäftigen, berichtet der Landrat. Soll dann bereits abgestimmt werden oder kommt das Thema später nochmals auf die Tagesordnung? „Das entscheidet das Gremium“, antwortet Eder. In Memmingen wird sich der Finanzausschuss des Stadtrates am Dienstag ebenfalls nichtöffentlich mit Amazon beschäftigen. Damit das Geschäft zustande kommt, muss die Besitzgesellschaft laut Geschäftsführer Birkle mit einer Zwei-DrittelMehrheit zustimmen. Zu den Befürwortern gehört der Kaufbeurer Oberbürgermeister Stefan Bosse: „Ich sehe das insgesamt positiv, zumal der Flughafen eine ausgezeichnete Verkehrsanbindung hat.“
„Wir prüfen derzeit die Möglichkeit, ein Verteilzentrum in der Region um Memmingen zu eröffnen“, heißt es bei Amazon. Ziel sei es, den Kunden in der Region „einen noch besseren Service“zu bieten. Zudem werde man Arbeitsplätze schaffen. Das Interesse von Amazon hat die Frage aufgeworfen, ob der Konzern am Allgäu Airport auch zu Frachtflügen starten will. Nach Angaben des Unternehmens ist dies aber nicht geplant.
Kreise und Städte: Die Städte Memmingen, Kempten und Kaufbeuren, die Kreise Unter-, Ober- und Ostallgäu, Lindau und Neu-Ulm sowie die Landkreis Wohnungsbau Unterallgäu GmbH halten insgesamt 55,21 Prozent der Anteile.
Banken: Auch die Sparkassen Memmingen-Lindau-Mindelheim, Biberach, Allgäu und Kaufbeuren sind an der Gesellschaft beteiligt. Ihr Anteil liegt bei 19,65 Prozent.
Flughafen: Der Anteil des Allgäu Airports beträgt 25,14 Prozent. (Helmut Kustermann)