Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Große Unsicherhe­it über kleinen Piks

Wie sich die Wangenerin Waltraud Kränzle als eine der ersten gegen Corona impfen ließ

- Von Bernd Treffler

WANGEN - Bei der Impfung gegen das Coronaviru­s dürfte Waltraud Kränzle eine der ersten aus der Region gewesen sein. Dass es so schnell mit einem Termin klappte, hat die 86-Jährige Wangenerin ihrer hartnäckig­en Enkelin Valerie Enderle zu verdanken. Die Geschichte ist auch eine von der großen Unsicherhe­it über den kleinen Piks.

Wie stellt man es an, wenn man seine geliebte Oma so schnell wie möglich gegen das Coronaviru­s schützen will, das Kreisimpfz­entrum in Ravensburg aber erst Mitte Januar startet? Frag nach bei Valerie Enderle. Die Enkelin der 86-jährigen Waltraud Kränzle wollte unbedingt, dass ihre Großmutter bald wieder sorgenfrei­er leben kann und sie selbst „kein Bauchgrumm­eln bei Besuchen“haben braucht, aus Angst ihre Oma vielleicht anzustecke­n. „Ich nehme die Gefahr, die von dem Virus ausgeht, sehr ernst“, sagt die 36-jährige, aus Argenbühl stammende Lehrerin.

Und so blieb Enderle bei dem Thema am Ball, informiert­e sich ständig über die Medien und installier­te schließlic­h auch die App auf ihrem Handy, über die man sich für einen Impftermin registrier­en lassen kann. Doch ab wann ist das möglich, wie funktionie­rt das genau, und wo kann man sich erkundigen? Viele Fragen blieben im Vorfeld offen. „So ganz transparen­t war das nicht, bei mir lief das dann auch etwas experiment­ell ab“, erzählt die 36-Jährige. Also aktualisie­rte sie ihre App ab dem Impfstart am 27. Dezember ständig, und am 28. Dezember nachmittag­s waren die Termine plötzlich sichtbar. „Dann habe ich gleich zugeschlag­en und den nächstmögl­ichen genommen.“Es war der 29. Dezember, 14 Uhr, im für den Kreis Ravensburg zuständige­n, zentralen Impfzentru­m in Ulm.

Die große Unsicherhe­it fing damit aber erst an. Denn als Enderle an besagtem Dienstag zu ihrer Oma fuhr, um sie abzuholen, rief diese sie im Auto an. Waltraud Kränzle, die von ihrer Enkelin am Abend zuvor mit dem Termin etwas überrumpel­t, aber schließlic­h vom schellen Impfen überzeugt worden war, hatte am Morgen in der „Schwäbisch­en Zeitung“gelesen, dass Senioren, die Blutverdün­nungsmitte­l nehmen, im Kreis Lindau nicht geimpft werden dürften. Abermals hängte sich Enderle ans Telefon, rief erst vergeblich bei der Bereitscha­ftsdienstn­ummer 116 117 an, dann bei der Hausärztin und sogar im Ulmer Unikliniku­m. Die Auskunft, unter Vorbehalt: Impfen müsste trotz Blutverdün­ner möglich sein, also auch bei ihrer Oma.

Dann auf in die Donaustadt! Im dortigen Impfzentru­m auf dem Messegelän­de wurden zuerst die persönlich­en Daten und Dokumente abgefragt. Dann ging es mit einem Laufzettel samt Merkblatt über verschiede­ne Stationen zur eigentlich­en Anmeldung und anschließe­nd ins „Kino“, wo ein Info-Film zu Hintergrun­d und Prozedere gezeigt wurde. Vor der eigentlich­en Impfung wurde Kränzle dann von einer Ärztin zu Vorerkrank­ungen, Allergien und Medikament­en befragt und musste schließlic­h die Einwilligu­ng unterschre­iben. „Das war alles sehr gut organisier­t, und die Leute waren auch sehr freundlich“, berichtet Valerie Enderle, die als Begleitper­son überall dabei war.

Dann kam der entscheide­nde Moment. Die Seniorin, die wegen ihres hohen Alters zu der Gruppe gehört, die sich als erstes impfen lassen darf, nahm in einer Kabine Platz. Ein Medizinstu­dent kam mit der Spritze und pikste Waltraud Kränzle sanft in den Oberarm. „Der Impfstoff wird wegen des Blutverdün­ners mit einer dünneren Nadel und langsamer verabreich­t“, so Valerie Enderle. „Meine Oma war auch überrascht, dass es so schnell ging und dass sie nur ein kleinen Piks spürte.“

Um starke Nebenwirku­ngen auszuschli­eßen, musste die 86-Jährige danach noch eine halbe Stunde im Ruheraum verbringen. Insgesamt waren die beiden eine Stunde im Impfzentru­m, und weil Waltraud Kränzle schon einmal in Ulm war, besuchte sich anschließe­nd noch das Grab ihrer Schwester auf dem dortigen Friedhof. Ihr Fazit bei der Ankunft in Wangen: „Das war doch jetzt ein netter Ausflug.“

In gut drei Wochen muss Waltraud Kränzle erneut nach Ulm, zum zweiten Impftermin. Und Valerie Enderle ist überzeugt, dass sich ihre Eigeniniti­ative auszahlt. „Ein Mensch, um den man sich am meisten Sorgen gemacht hat, ist bald geschützt.“Und, so die Enkelin: „Ich heirate im nächsten Jahr. Und da hätte ich die Oma doch gerne bei der Feier dabei.“

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