Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Trotz Freispruch zurück in den Knast
Hat ein Friedrichshafener einen Fernseher gestohlen oder nur in Verwahrung genommen?
FRIEDRICHSHAFEN (sig) - Wegen des Vorwurfs des Wohnungseinbruchdiebstahls hat sich ein 42-Jähriger kurz vor Weihnachten vor dem Landgericht in Ravensburg verantworten müssen. Der Mann sitzt derzeit wegen einer anderen Verurteilung in Haft. Richter und Schöffen konnten ihm den jüngsten Vorwurf nicht zweifelsfrei nachweisen. Dennoch ging es danach wieder zurück in die Justizvollzugsanstalt.
In der munteren Berufungsverhandlung, in der sich plötzlich neue Zeugen lautstark aus dem Zuhörerbereich zu Wort meldeten, sich dann aber doch nicht mehr an den Vorfall im Mai vergangenen Jahres erinnern konnten („Ich bin Alkoholiker Herr Richter, das müssen Sie verstehen“), beteuerte der Angeklagte, den Fernseher nur in Sicherheit gebracht zu haben, nachdem sein Nachbar („Wir haben manchmal ein Bier getrunken, ich war jeden Tag bei dem“) ins Krankenhaus eingeliefert worden war und dessen verwüstetes Zimmer nach eingebrochener Tür für jedermann offen zugänglich war. Vier Leute seien vor dem Zimmer gestanden, unter anderem „der Klaus und der Günther“, und jeder hätte das Gerät nehmen können, verteidigte sich der deutsche Staatsangehörige, der es bislang in seiner StraftatenKarriere auf 30 Gesetzesbrüche (meist Diebstähle) und verschiedene Haftaufenthalte brachte. Einen Schulabschluss hat er nicht, mehrere Ausbildungen brach er ab, zuletzt lebte er von Hartz IV. Probleme hatte er vor der jetzigen Inhaftierung mit Alkohol und Drogen. Eine Arbeit als Hilfskraft gab er auf, nachdem seine Freundin von ihm schwanger wurde und „er auf sie aufpassen musste“, wie er sagte. Den Vorwurf, er habe den Fernseher gestohlen, versuchte er mit dem Hinweis zu entkräften, er habe einen eigenen gehabt, warum habe er einen stehlen sollen? Im Häfler Obdachlosenwohnheim lebte er seit zwei Jahren.
Im Rollstuhl wurde der 56-jährige, um seinen Fernseher Geschädigte in den Zeugenstand geschoben. „Ab und zu hat man sich gesehen“, relativierte er die vom Angeklagten angegebenen intensiveren Kontakte. Bevor er für drei Tage ins Krankenhaus gekommen war, habe sein Fernseher noch funktioniert, danach sei er kaputt, die Zimmertür aufgebrochen und sein Zimmer verwüstet gewesen. Den Angeklagten habe er nicht mehr gesehen. Ob der Fernseher gestohlen oder nur gesichert wurde, weiß er nicht. Vorstellen könne er sich beides, sagte er.
Ein 50-jähriger weiterer Zeuge aus der Keplerstraße nahm den Angeklagten in Schutz. Der habe den Fernseher aus dem Zimmer geholt, um ihn zu sichern. Gesehen hat er das allerdings nicht, „mir reden halt drüber“. Der Zeuge war nach einem mehrtägigen Aufenthalt in Lindau erst nach dem Geschehen ins Häfler Obdachlosenheim zurückgekehrt. Warum er sich erst jetzt in der Berufungsverhandlung als Zeuge gemeldet habe und nicht schon zuvor zur Verhandlung vor dem Amtsgericht in Tettnang, will der Richter wissen? Ihn habe niemand darauf angesprochen, meinte er.
Der Leiter der Einrichtung berichtete im Zeugenstan von Wutanfällen des Angeklagten und einem massiven Auftreten auch gegen Sozialarbeiter. Ein weiterer Zeuge aus dem Haus bestätigte Wutausbrüche des Angeklagten und sprach von einem „verheerenden Zustand“des Zimmers des Mannes.
Für die Staatsanwältin hat sich der Vorwurf des Wohnungseinbruchdiebstahls im Verlauf der Verhandlung bestätigt. Ihr Antrag: eine Freiheitsstrafe von acht Monaten ohne Bewährung.
Das sah Verteidiger Alexander Greiner anders. Im Obdachlosenheim tummelten sich auch viele Externe, wechselten Drogen, könne der Angeklagte das Gerät gestohlen haben, es aber auch nur sichern wollen. Weil es an der Schuld des 42-Jährigen erhebliche Zweifel gebe, sei er freizusprechen.
„In dubio pro reo“oder „im Zweifel für den Angeklagten“entschied schließlich die Kammer. Es gebe niemanden, der die Tat gesehen hat, sagte der Vorsitzende Richter Kellermann-Schröder. Man habe „sehr wenig in der Hand“. Die vom Amtsgericht Tettnang ausgesprochene dreimonatige Freiheitsstrafe hob das Landgericht auf.