Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Kommt eine Windkraftanlage im Leutkircher Stadtwald?
Geeignete Bedingungen im württembergischen Allgäu – Räder sind bis zu 250 Meter hoch
- Der Energieversorger ENBW ist im Bereich von Leutkirch, Aichstetten und Aitrach auf der Suche nach Standorten für Windkraftanlagen (SZ berichtete). Eine kürzliche Untersuchung habe ergeben, dass es unter anderem im Bereich des Unteren Stadtwalds in Leutkirch – zwischen dem Wohngebiet Pfingstweide und der Ortschaft Ottmannshofen – passende Windverhältnisse gebe. Das gab Michael Krumböck, Umweltbeauftragter der Stadt Leutkirch, in der jüngsten Gemeinderatssitzung bekannt. Endgültige Ergebnisse einer „naturschutzfachlichen Untersuchung“des Gebiets sollen „bis zum Frühjahr“vorliegen.
Warum kommt ein Gebiet im Stadtwald in Frage?
Auslöser für die Pläne der ENBW ist laut Michael Krumböck der seit Ende 2019 vorliegende Windatlas für Baden-württemberg. „Darin sind im Bereich des württembergischen Allgäus höhere Windgeschwindigkeiten als in den bisherigen Erhebungen herausgekommen“, schreibt der Umweltbeauftragte in seiner Sitzungsvorlage. Es folgten – seit dem Frühjahr 2020 – neue Windmessungen und naturschutzrechtliche Untersuchungen. Zum Einsatz kamen sogenannte Lidar-geräte, mit denen Laserstrahlen in kurzen Intervallen gesendet werden. Damit können, wie Krumböck erläutert, Windgeschwindigkeit und -richtung in bis zu 250 Metern Höhe ermittelt werden.
Mittlerweile liegen erste Ergebnisse vor. „Es gibt bei uns sehr gute Windverhältnisse“, fasst der Umweltbeauftragte zusammen. Im Fokus steht derzeit ein Gebiet im Unteren Stadtwald. Nach einer ersten Einschätzung von Fachleuten gebe es dort „keine unüberwindbaren Einschränkungen für die Windkraftplanung“. Grundlage dafür sind beobachtete Flugbewegungen von verschiedenen Vögeln. Die derzeit bevorzugte Fläche hat zu Wohngebieten einen Abstand von 800 Metern und liegt von Einzelgehöften rund 700 Meter entfernt.
Wie groß sind solche Anlagen?
Nach Angaben von Michael Krumböck als Vertreter der Stadt Leutkirch können die Windkraftanlagen eine Gesamthöhe von bis zu 250 Metern erreichen.
Welche Vorteile bietet Windkraft?
Nach einer ersten Prognose könnte eine Anlage im Stadtwald pro Windrad im Jahr etwa 13 Millionen Kilowattstunden Strom erzeugt werden. In einer ersten Modellrechnung wird von vier Windrädern auf dem Leutkircher Areal ausgegangen. Das ergebe in Summe rund 52 Millionen Kilowattstunden pr Jahr. Das ist nach Berechnungen von Michael Krumböck mehr, als derzeit alle Photovoltaik-anlagen in Leutkirch produzieren.
Welche Nachteile sind möglich?
Durch die „enorme Höhe“der Anlagen könnten diese bereits von Weitem sichtbar sein und das Landschaftsbild verändern. „In einem gewissen Bereich um die Anlagen sind je nach Windrichtung Geräuschemissionen zu erwarten und je nach Sonnenstand kann es auch ,Schattenschlag’ geben“, erklärt Krumböck.
Wie sieht das weitere Vorgehen aus?
Noch im Frühjahr dieses Jahres könnte das endgültige Ergebnis der naturschutzfachlichen Untersuchungen vorliegen. Anschließend sollen die Erkenntnisse veröffentlicht werden, bevor der Gemeinderat entscheidet, ob städtische Flächen für die Windkraft zur Verfügung gestellt werden. Zudem ist eine Beteiligung der Bürger geplant.
In einem möglichen Genehmigungsverfahren sollen dann weitere Belange untersucht werden – etwa der Lärmschutz oder die Auswirkungen auf den Flugplatz Unterzeil. „Dieses Verfahren wird sich über einige Monate hinziehen“, erklärt
Krumböck. Nach seinen Berechnungen könnte die Windkraftanlage frühestens Mitte 2024 in Betrieb gehen.
Müssen die Windräder genehmigt werden?
„Die Windenergieanlagen sind vom Gesetzgeber privilegiert“, stellt der Umweltbeauftragte klar. Deshalb könnten sie grundsätzlich überall im Außenbereich errichtet werden, wenn dem keine gesetzlich definierten Gründe entgegenstehen. In der Verwaltungsgemeinschaft Leutkirch/aichstetten/aitrach werde darüber nachgedacht, einen Teil-flächennutzungsplan einzuführen. Dadurch hätten die Kommunen laut Krumböck einen größeren Einfluss auf zusammenhängende, private Flächen, die möglicherweise besser als Standort für Windenergie geeignet wären.
Welche finanziellen Anreize gibt es?
Bei der Verpachtung von Flächen im Stadtwald profitiere Leutkirch durch die Pachteinnahmen. Zudem werden bei einem wirtschaftlichen Betrieb Gewerbesteuereinnahmen generiert. Wie Krumböck ausführt, könnten sich Bürgerinnen und Bürger „entweder direkt oder über Beteiligungsgesellschaften und Energiegenossenschaften finanziell an Windenergieanlagen beteiligen“.
Wie ist der Stand bei der geplanten Windkraftanlage bei Aitrach?
Im Mooshauser Wald plant die ENBW derzeit mit einem Windrad. Gegen die Pläne hat sich allerdings eine Bürgerinitiative unter dem Titel „lebensraum-natur-bewahren“formiert. Die Gründung als eingetragener Verein soll in Kürze erfolgen (SZ berichtete). Die Initiatoren schreiben von „bedrängenden Abständen zu Wohnhäusern“, die die „monströsen Windkraftanlagen“hätten.