Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Pessimistische Wirtschaftsweise
Sachverständigenrat der Bundesregierung will Prognose für konjunkturelle Entwicklung nach unten korrigieren – Wirtschaft drängt auf Öffnung
(dpa) - Der Vorsitzende der Wirtschaftsweisen Lars Feld sieht angesichts der aktuellen Pandemieentwicklung große Risiken für die Wirtschaft und hat Erwartungen von Unternehmen, die auf Öffnung setzen, gedämpft. „Man kann alle möglichen Pläne aufstellen. Aber wenn eine dritte Welle kommt, werden diese hinfällig sein“, sagte Feld. Die Corona-virusvarianten seien eine Unsicherheit, die auch ökonomisch durchschlage. Wirtschaftsverbände wie der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) fordern vehement einen Öffnungsplan.
Feld kündigte an, dass der Sachverständigenrat seine Prognose für das laufende Jahr nach unten korrigieren wird. In der im November vorgelegten Einschätzung gingen die Wirtschaftsweisen von einem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von 3,7 Prozent im Jahr 2021 aus. Im März wird die aktualisierte Prognose veröffentlicht. „Eine 3 vor dem Komma ist noch möglich, wenn weitere Grenzkontrollen vermieden werden und es nach dem Lockdown schrittweise zu Öffnungen kommt. Dann kann es ab dem zweiten Quartal zu einem kräftigen Wachstum kommen.“
Sicher ist das aber nach Felds Einschätzung nicht. „Wenn sich die Virusvarianten weiter verbreiten und es zu einer dritten Welle kommt, sind alle Prognosen Makulatur.“Im vergangenen Jahr war die Wirtschaftsleistung um 5,0 Prozent eingebrochen.
Der Direktor des Instituts für Arbeitsmarktund Berufsforschung (IAB), Bernd Fitzenberger, warnte vor den Auswirkungen einer möglichen Verlängerung des Lockdowns. „Wäre eine weitere Verlängerung des Lockdowns aus epidemiologischer Sicht notwendig, würde dies die wirtschaftliche Erholung verzögern“, sagte der Leiter des Forschungsinstituts der Bundesagentur für Arbeit den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Fitzenberger verwies auf eine Iab-befragung, wonach „knapp ein Viertel der Betriebe angeben, dass ihre liquiden Mittel nur noch bis zu vier Wochen reichen“. Bei einem weiteren Viertel reichten sie nur für zwei Monate.
Der DIHK sprach sich für einen Neustart des wirtschaftlichen Lebens „nach bundesweit einheitlichen Kriterien mit nachvollziehbaren Regeln für die Unternehmen“aus. Die Dachorganisation der 79 Industrie- und
Handelskammern hat Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) dazu eine Reihe von Vorschlägen zukommen lassen. Darin heißt es unter anderem, Schnelltests und digitale Tools könnten wegweisend sein, um das wirtschaftliche Leben auch in den derzeit stark betroffenen Bereichen wieder zu aktivieren.
„Ziel ist es, eine wirtschaftliche Öffnung insbesondere dort bald zu ermöglichen, wo eine persönliche, am besten digitale Nachverfolgung möglich ist“, zitierte die „Rheinische Post“aus dem Schreiben. Beispiele für digitale Lösungen sind Registrierungssysteme zur Erfassung von Besucherdaten sowie „ein temporär gültiger digitaler Corona-pass zum Nachweis eines negativen Schnelltests. Die Informationen aus so einem Corona-pass oder einer digitalen Visitenkarte könnten nicht nur im Gesundheitswesen, sondern auch in der Wirtschaft genutzt werden.
Der DIHK sprach sich dafür aus, individuelle Lösungen für verschiedene Branchen zu finden. Es sollte keine pauschale Schließung ganzer
Wirtschaftszweige mehr angeordnet werden, wenn die Einhaltung von Infektionsschutzmaßnahmen durch Hygienekonzepte plus Teststrategien gewährleistet ist und die Mobilität von Bürgern mit digitalen Konzepten gesteuert werden kann.
Auch der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Siegfried Russwurm, sieht die Aussicht auf eine schnelle wirtschaftliche Erholung gedämpft. „Wenn die Wertschöpfungsketten halten und die Produktion weiterlaufen kann, wird der negative Einfluss auf die Konjunktur begrenzt bleiben, aber auch für die Industrie ist 2021 erneut ein schwieriges Jahr“, sagte Russwurm der „Rheinischen Post“. Ein erhebliches wirtschaftliches Risiko bedeute die Lage an den Grenzen. „Vor Grenzschließungen oder Unterbrechungen der Lieferketten kann ich nur warnen.“
Der Lockdown mit der Schließung etwa der Gastronomie und vieler Einzelhandelsgeschäfte war zuletzt noch einmal bis zum 7. März verlängert worden.