Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Beratungsrekord im Integrationszentrum
Welche Auswirkungen die Pandemie auf das Leben der Migranten in Weingarten hat
- Der Arbeitsalltag im Integrationszentrum Weingarten sowie das Leben der Klienten, Geflüchteten und Migranten, ist von den Auswirkungen der Corona-pandemie stark betroffen. Im jüngst erschienenen Jahresbericht 2020 legt das Integrationszentrum Zahlen und Fakten offen. Demnach gab es mit rund 1600 Beratungen so viel Zulauf wie noch nie zuvor.
Es ist ein Jahr mit vielen Herausforderungen gewesen: Mit 1576 Kontakten sind die Fachdienste laut Bericht an ihre Belastungsgrenze geraten. Die Beratungssituation habe sich mit Beginn der Pandemie im vergangenen Jahr stark verändert, weil sich diese an entsprechende Verordnungen anpassen mussten. Kreative Lösungen seien entwickelt worden, um die Klienten des Integrationszentrums weiterhin zuverlässig und zeitnah unterstützen und beraten zu können.
So wurden während des ersten Lockdowns Beratungen nur telefonisch und online durchgeführt. Im späten Frühjahr konnte wieder überwiegend zu „Face-to-face“-beratungen unter Einhaltung strenger Hygieneund Abstandsregeln zurückgekehrt werden. Beratungen fanden teilweise im Garten des Zentrums statt. Dort, wie auch im Zentrum selbst, seien entsprechende Beratungsplätze eingerichtet worden. Durch die weiterhin gegebenen Infektionszahlen werde aktuell jedoch wieder vorwiegend telefonisch oder per E-mail beraten. Allerdings sei dies zum Teil schwierig, weil gerade im Integrationsmanagement der persönliche Kontakt oft unverzichtbar sei, wenn beispielsweise gemeinsame Telefonate geführt oder Anträge im Beisein des Integrationsberaters ausgefüllt werden müssen.
Aus dem Jahresbericht geht weiter hervor, dass die Pandemie vielfältige Probleme mit sich brachte. Eines der am häufigsten in Beratungen genannten Belastungsthemen sei die zeitweise Schließung der Kindergärten und Schulen gewesen. Die Klienten standen beziehungsweise stehen vor der Schwierigkeit, Homeschooling, Online-unterricht und Hausaufgaben mit ihren Kindern zu meistern. Technische Voraussetzungen und Sprachbarrieren stellen hier oftmals eine Hürde dar. Der gleiche Aspekt betrifft auch Auszubildende. Das Zentrum berichtet, dass einige Klienten ihre Ausbildung abbrechen mussten, da es ihnen nicht möglich war, am Online-unterricht teilzunehmen und den Aufgaben zu folgen. Mit diesen Klienten habe man alternative Zukunftsperspektiven erarbeitet und Bewerbungen erstellt.
Die Arbeitslosigkeit von Klienten, verursacht durch die Pandemie, war ein weiteres wichtiges Thema im vergangenen Jahr. Nicht nur während der Entlassungswelle im ersten Lockdown sei es zum einen Teil zu betriebsbedingten Kündigungen gekommen, zum anderen Teil seien befristete Verträge von den Arbeitgebern
nicht verlängert worden. So mussten zahlreiche Anträge auf Arbeitslosengeld bei der Agentur für Arbeit gestellt werden, was sehr zeitintensiv sei.
Persönliche Behördengänge waren lange Zeit nicht oder nur eingeschränkt möglich. Für einen Großteil der Geflüchteten ist es laut dem Zentrum jedoch nicht möglich, Anträge online auszufüllen, weil sie entweder nicht über die technischen Voraussetzungen verfügen oder Sprachbarrieren bestehen. Auch Stadtverwaltungen, Krankenkassen und weitere Behörden sind teilweise geschlossen gewesen, was wiederum zu herausfordernden und komplexen Situationen geführt habe. Da die Klienten viele Angelegenheiten im persönlichen Kontakt mit den Behörden regeln und sich gerne Hilfe vor Ort suchen, seien so Alltagssituationen zu Hindernissen geworden.
Der angespannte Wohnungsmarkt in Weingarten brachte ebenfalls Erschwernisse mit sich. Seit der Corona-pandemie laufen zunehmend mehr Gespräche und auch Wohnungsführungen online ab. An dieser Stelle seien Sprachbarrieren sowie technische Voraussetzungen zum Tragen gekommen. Trotzdem verzeichnete das Integrationsmanagement Zuzug nach Weingarten, vor allem aus den kleineren Gemeinden im Landkreis. Die Sprachbarriere sei für viele Klienten ein Problem.
Sprachkurse sind nach Angaben des Zentrums entweder komplett ausgefallen oder mussten immer wieder pausieren. Die Unterbrechungen führten zu Rückschritten. Kontinuierlicher Unterricht und stetige Anwendung der Sprache seien vonnöten, um die Sprachkenntnisse verbessern zu können.
Trotz aller Problemstellungen, oder gerade aus diesen Gründen, registriert das Zentrum einen enormen Zulauf: So wurden knapp 1600 Beratungsgespräche geführt – 2018, im ersten Jahr des Integrationsmanagements, waren es 684 Gespräche. 347 Klienten, 116 davon minderjährig, wurden betreut. Auch wenn viele Angebote nicht wie geplant umgesetzt werden konnten, habe sich gezeigt, dass Weingarten im Bereich der Integrationsarbeit gut aufgestellt sei und das große Netzwerk in solch einem Krisenfall gut funktioniere. Das ehrenamtliche Engagement in Weingarten sei nach wie vor sehr stark.
In Kooperation mit dem Integrationszentrum sind 2020 rund 50 Mitbürger regelmäßig ehrenamtlich aktiv gewesen. So konnten trotz der besonderen Situation im vergangenen Jahr einige Aktionen durchgeführt werden, etwa die „Heimatkiste“, bei der Familien Pflanzen aus der Heimat anbauen konnten und der „Interkulturelle Märchengarten“. Oder auch die Weihnachtspostaktion „Ich wünsch dir was“, bei der Postkarten von Kindern in Weingarten gestaltet und an verschiedene Bürger und Organisationen der Stadt Weingarten sowie an ehrenamtliche Helfer als Dankeschön verschickt wurden.