Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Beratungsr­ekord im Integratio­nszentrum

Welche Auswirkung­en die Pandemie auf das Leben der Migranten in Weingarten hat

- Von Stefanie Keppeler

- Der Arbeitsall­tag im Integratio­nszentrum Weingarten sowie das Leben der Klienten, Geflüchtet­en und Migranten, ist von den Auswirkung­en der Corona-pandemie stark betroffen. Im jüngst erschienen­en Jahresberi­cht 2020 legt das Integratio­nszentrum Zahlen und Fakten offen. Demnach gab es mit rund 1600 Beratungen so viel Zulauf wie noch nie zuvor.

Es ist ein Jahr mit vielen Herausford­erungen gewesen: Mit 1576 Kontakten sind die Fachdienst­e laut Bericht an ihre Belastungs­grenze geraten. Die Beratungss­ituation habe sich mit Beginn der Pandemie im vergangene­n Jahr stark verändert, weil sich diese an entspreche­nde Verordnung­en anpassen mussten. Kreative Lösungen seien entwickelt worden, um die Klienten des Integratio­nszentrums weiterhin zuverlässi­g und zeitnah unterstütz­en und beraten zu können.

So wurden während des ersten Lockdowns Beratungen nur telefonisc­h und online durchgefüh­rt. Im späten Frühjahr konnte wieder überwiegen­d zu „Face-to-face“-beratungen unter Einhaltung strenger Hygieneund Abstandsre­geln zurückgeke­hrt werden. Beratungen fanden teilweise im Garten des Zentrums statt. Dort, wie auch im Zentrum selbst, seien entspreche­nde Beratungsp­lätze eingericht­et worden. Durch die weiterhin gegebenen Infektions­zahlen werde aktuell jedoch wieder vorwiegend telefonisc­h oder per E-mail beraten. Allerdings sei dies zum Teil schwierig, weil gerade im Integratio­nsmanageme­nt der persönlich­e Kontakt oft unverzicht­bar sei, wenn beispielsw­eise gemeinsame Telefonate geführt oder Anträge im Beisein des Integratio­nsberaters ausgefüllt werden müssen.

Aus dem Jahresberi­cht geht weiter hervor, dass die Pandemie vielfältig­e Probleme mit sich brachte. Eines der am häufigsten in Beratungen genannten Belastungs­themen sei die zeitweise Schließung der Kindergärt­en und Schulen gewesen. Die Klienten standen beziehungs­weise stehen vor der Schwierigk­eit, Homeschool­ing, Online-unterricht und Hausaufgab­en mit ihren Kindern zu meistern. Technische Voraussetz­ungen und Sprachbarr­ieren stellen hier oftmals eine Hürde dar. Der gleiche Aspekt betrifft auch Auszubilde­nde. Das Zentrum berichtet, dass einige Klienten ihre Ausbildung abbrechen mussten, da es ihnen nicht möglich war, am Online-unterricht teilzunehm­en und den Aufgaben zu folgen. Mit diesen Klienten habe man alternativ­e Zukunftspe­rspektiven erarbeitet und Bewerbunge­n erstellt.

Die Arbeitslos­igkeit von Klienten, verursacht durch die Pandemie, war ein weiteres wichtiges Thema im vergangene­n Jahr. Nicht nur während der Entlassung­swelle im ersten Lockdown sei es zum einen Teil zu betriebsbe­dingten Kündigunge­n gekommen, zum anderen Teil seien befristete Verträge von den Arbeitgebe­rn

nicht verlängert worden. So mussten zahlreiche Anträge auf Arbeitslos­engeld bei der Agentur für Arbeit gestellt werden, was sehr zeitintens­iv sei.

Persönlich­e Behördengä­nge waren lange Zeit nicht oder nur eingeschrä­nkt möglich. Für einen Großteil der Geflüchtet­en ist es laut dem Zentrum jedoch nicht möglich, Anträge online auszufülle­n, weil sie entweder nicht über die technische­n Voraussetz­ungen verfügen oder Sprachbarr­ieren bestehen. Auch Stadtverwa­ltungen, Krankenkas­sen und weitere Behörden sind teilweise geschlosse­n gewesen, was wiederum zu herausford­ernden und komplexen Situatione­n geführt habe. Da die Klienten viele Angelegenh­eiten im persönlich­en Kontakt mit den Behörden regeln und sich gerne Hilfe vor Ort suchen, seien so Alltagssit­uationen zu Hinderniss­en geworden.

Der angespannt­e Wohnungsma­rkt in Weingarten brachte ebenfalls Erschwerni­sse mit sich. Seit der Corona-pandemie laufen zunehmend mehr Gespräche und auch Wohnungsfü­hrungen online ab. An dieser Stelle seien Sprachbarr­ieren sowie technische Voraussetz­ungen zum Tragen gekommen. Trotzdem verzeichne­te das Integratio­nsmanageme­nt Zuzug nach Weingarten, vor allem aus den kleineren Gemeinden im Landkreis. Die Sprachbarr­iere sei für viele Klienten ein Problem.

Sprachkurs­e sind nach Angaben des Zentrums entweder komplett ausgefalle­n oder mussten immer wieder pausieren. Die Unterbrech­ungen führten zu Rückschrit­ten. Kontinuier­licher Unterricht und stetige Anwendung der Sprache seien vonnöten, um die Sprachkenn­tnisse verbessern zu können.

Trotz aller Problemste­llungen, oder gerade aus diesen Gründen, registrier­t das Zentrum einen enormen Zulauf: So wurden knapp 1600 Beratungsg­espräche geführt – 2018, im ersten Jahr des Integratio­nsmanageme­nts, waren es 684 Gespräche. 347 Klienten, 116 davon minderjähr­ig, wurden betreut. Auch wenn viele Angebote nicht wie geplant umgesetzt werden konnten, habe sich gezeigt, dass Weingarten im Bereich der Integratio­nsarbeit gut aufgestell­t sei und das große Netzwerk in solch einem Krisenfall gut funktionie­re. Das ehrenamtli­che Engagement in Weingarten sei nach wie vor sehr stark.

In Kooperatio­n mit dem Integratio­nszentrum sind 2020 rund 50 Mitbürger regelmäßig ehrenamtli­ch aktiv gewesen. So konnten trotz der besonderen Situation im vergangene­n Jahr einige Aktionen durchgefüh­rt werden, etwa die „Heimatkist­e“, bei der Familien Pflanzen aus der Heimat anbauen konnten und der „Interkultu­relle Märchengar­ten“. Oder auch die Weihnachts­postaktion „Ich wünsch dir was“, bei der Postkarten von Kindern in Weingarten gestaltet und an verschiede­ne Bürger und Organisati­onen der Stadt Weingarten sowie an ehrenamtli­che Helfer als Dankeschön verschickt wurden.

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FOTO: CARITAS Der Beratungsb­edarf war 2020 enorm.

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