Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Hoffen auf Gerechtigkeit
Ex-polizist Chauvin wegen Tod George Floyds vor Gericht
(dpa) - Das Schicksal des Afroamerikaners George Floyd bewegte die Welt. Jetzt hat das Verfahren gegen einen weißen Ex-polizisten begonnen. Die Erwartungen sind immens, denn es geht auch um Rassismus und Polizeigewalt.
„Alles tut weh“, seufzt George Floyd. „Ich kann nicht atmen“, sagt der Afroamerikaner immer wieder, bevor er für immer verstummt. Ein Video seiner letzten Minuten vom 25. Mai 2020 zeigt, wie Passanten die Polizisten anschreien, während der weiße Beamte Derek Chauvin auf Floyds Hals kniet.
Mit dem Abspielen des Videos für die Geschworenen begann die Staatsanwaltschaft am Montag im Gericht in der Stadt Minneapolis das Hauptverfahren gegen den Ex-polizisten Chauvin. Ihm wird unter anderem Mord zweiten Grades vorgeworfen. Darauf stehen im nördlichen Bundesstaat Minnesota bis zu 40 Jahre Haft.
„Als Herr Floyd in Not war, wollte Herr Chauvin ihm nicht helfen, hat ihm nicht geholfen“, sagte Staatsanwalt Jerry Blackwell. Floyd habe 27mal um Hilfe gefleht. Auch habe Chauvin die Passanten, unter denen eine Sanitäterin gewesen sei, daran gehindert, zu helfen, sagte er. Chauvins „exzessive Gewaltanwendung“habe zum Tod des 46-Jährigen geführt.
Die Videos von Floyds letzten Minuten hatten in den USA im vergangenen Jahr mitten in der Pandemie monatelang zu Massenprotesten gegen Polizeigewalt und Rassismus geführt. Viele Beobachter sprachen von der größten Protestwelle seit der Bürgerrechtsbewegung der 1960er-jahre.
Die Erwartungen an den Prozess sind daher immens. Viele Menschen hoffen auf ein Urteil, das ein Zeichen setzen wird. Auch Us-präsident Joe Biden werde den Prozess „sicherlich genau verfolgen“, sagte seine Sprecherin Jen Psaki. Biden hatte sich im vergangenen Jahr – noch als Kandidat – mit Floyds Angehörigen getroffen, darunter dessen Tochter.
Die Aufgabe der Geschworenen ist es aber nicht, über Rassismus und Polizeigewalt zu urteilen. Sie müssen in diesem konkreten Fall entscheiden, ob Chauvin vorschriftsmäßig handelte oder schuldig ist.
„Dieser Mordprozess ist nicht schwierig“, sagte ein Anwalt von Floyds Familie, Ben Crump, vor dem Gerichtsgebäude. Wer das „Foltervideo“von Floyds Tod ansehe, verstehe dies. „George Floyd war am Leben, er atmete, lief und sprach ganz normal, bis die Polizei ihn mit dem Gesicht nach unten gedrückt hat, ihm Handschellen angelegt hat und acht Minuten und 46 Sekunden lang ein Knie in seinen Hals gedrückt hat“, so Crump.
Chauvins Anwalt Eric Nelson wies die Argumente der Anklage zurück und betonte, Chauvin habe nur als Polizist seinen Job gemacht, „genau so wie er dafür trainiert wurde“. Der Einsatz gegen Floyd sei gerechtfertigt gewesen, weil dieser Widerstand geleistet habe, sagte Nelson. Zudem argumentierte er, dass Floyds Tod nicht auf Gewalteinwirkung zurückgehe, sondern auf dessen vorbelastete Gesundheit und Rückstände von Drogen in seinem Blut. Chauvin sei nicht schuldig, betonte Nelson.