Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Einzelhandel hat Probleme mit Corona-notbremse
Wifo kritisiert Landesregierung: Ostergeschäft bricht weg – Ravensburger Oberbürgermeister für Testpflicht
- Die Coronainfektionen nehmen zu, und die Sieben-tage-inzidenz lag an drei aufeinanderfolgenden Tagen über dem Wert von 100 – darum zieht der Landkreis Ravensburg nun die Notbremse. Das bedeutet: Ab Dienstag, 30. März, wird das öffentliche Leben wieder stärker eingeschränkt. Nachdem wegen der Pandemie bereits das Weihnachtsgeschäft zum Großteil ausgefallen ist, folgt nun auch noch das Ostergeschäft: Nicht zuletzt deshalb treffe die Corona-notbremse im Landkreis auch den Ravensburger Handel, der bereits seit Monaten unter den Maßnahmen zu leiden habe, „sehr hart“, bedauert das Wirtschaftsforum Ravensburg (Wifo).
Man hätte sich gewünscht, die Initiative vom Ravensburger Oberbürgermeister Daniel Rapp, der die Geschäfte mittels „Click & Meet“weiterhin geöffnet lassen wollte, hätte Erfolg gehabt. Nun zeigt sich das Wifo enttäuscht, „dass das Sozialministerium den Vorstoß abgeschmettert hat“.
Wifo-geschäftsführer Eugen Müller kann nicht verstehen, dass die Initiative, „die aus dem Kreis der heimischen Unternehmen selbst entstanden ist, bei Entscheidungen der Landesregierung nicht mehr Beachtung und Unterstützung findet“. Müller stellt zudem klar, dass das Wifo keinesfalls dafür plädiere, den Einzelhandel „blindlings“zu öffnen. Vielmehr fordert er „für Innovation und zielgerichtete Konzepte vor Ort“eine faire Chance. Einig sei man sich mit der Landesregierung darin, dass möglichst viele Corona-tests mittel- und langfristig die Infektionszahlen drücken.
Auch Galerien, die – neben Museen, zoologischen Gärten und Gedenkstätten – ab 30. März ebenso wieder dicht machen müssen wie etwa Sportanlagen für den Amateurund Freizeitsport oder Betriebe zur Erbringung körpernaher Dienstleistungen (die „Schwäbische Zeitung“erichtete) sind stark betroffen. „Uns fehlt seit mehr als einem Jahr jegliche Perspektive und Planungssicherheit“, sagt Andrea Dreher von der Galerie 2106 in der Ravensburger Marktstraße.
Am 8. März ging hier das letzte offizielle Galeriegespräch über die Bühne, die am Samstag eröffnete neue Ausstellung „Cosmopolitan“muss geschlossen bleiben und ist lediglich durch die Schaufenster zu bestaunen. Das ist laut Dreher deshalb fatal, „weil wir ein wichtiger Begegnungsort sind“, der Menschen zusammen bringe.
Allein Friseure und Barbershops dürfen weiterhin geöffnet bleiben – sofern sie in der Handwerksrolle eingetragen sind. Wobei die Formulierung mit der Handwerksrolle zunächst für Verwirrung gesorgt hatte – am Montagmorgen liefen deswegen nicht nur bei zahlreichen der 363 Friseursalons im Landkreis Ravensburg die Telefonleitungen heiß.
Auch beim Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft, Franz Moosherr, klingelte pausenlos das Telefon. Moosherr versteht nicht ganz, warum in der Verordnung überhaupt die Rede von der Handwerksrolle ist, denn: Jeder, der gewerbsmäßig einen Friseursalon oder Barbershop betreibe, müsse dort eingetragen sein – andernfalls dürfe er die entsprechenden Dienstleistungen gar nicht erbringen.
Schließlich sei im Friseurhandwerk in der Regel ein Meisterbrief die Zulassungsvoraussetzung, um einen Betrieb zu führen – auch, wenn es sich dabei um einen Barbershop handle. Was hingegen aktuell nicht mehr erlaubt ist: Bartpflege und kosmetische Behandlungen im Gesicht.
Im Übrigen hat ein ungewöhnlich aufgebrachter Ravensburger OB am Montagnachmittag im Gemeinderat konstatiert: „Wenn es uns wirklich darum geht, Infektionsketten zu unterbrechen, müssen wir schauen, wo die Ansteckungen stattfinden.“
Die Stadt wisse durch die Kontaktnachverfolgung, dass es sich um Feiern im Privaten in den Abendstunden handle, vor allem aber um Ansteckungen an Kitas und Schulen.
Allein am Montag hätten drei Klassen „geschlossen“werden müssen wegen neuer Corona-fälle. Die Kinder steckten zuhause die Familien an. „Im Einzelhandel ist uns kein Fall der letzten Tage bekannt.“