Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Rohr über den Kopf gezogen: Gericht bestätigt Haftstrafe
Ein Jahr Freiheitsstrafe nach einer Auseinandersetzung im Raum Wangen
(sig) - Eine Strafkammer des Landgerichts Ravensburg hat einen jungen Mann wegen gefährlicher Körperverletzung für ein Jahr ins Gefängnis geschickt und dessen Berufung gegen ein Urteil des Amtsgerichts Wangen vom Juni vergangenen Jahres verworfen. Die Kammer zeigte sich überzeugt, dass der junge Mann in einer Samstagnacht im September 2019 vor seiner Wohnung in einer Gemeinde bei Wangen einem einstigen Freund mit einem Bettrohr auf den Kopf geschlagen, ihm eine Platzwunde sowie möglicherweise auch einen Faustschlag ins Gesicht zugefügt hat. Vergeblich beteuerte der Beschuldigte bis zuletzt, er habe den einstigen Freund „nicht angefasst“.
Dem Vorfall vorausgegangen war ein Party-aufenthalt im örtlichen Jugendzentrum. Von dort war das alkoholisierte Opfer zur nahen Wohnung des Angeklagten gegangen, um seinen Arbeitskollegen und Freund aus dem Schlaf zu läuten. Grund: Er wollte ein Videospiel zurück, das ihm gehörte. Der aus dem Schlaf Geholte reagierte auf den nächtlichen Besuch unwirsch und gab ihm zu verstehen, verschwinden zu sollen.
Was der Störer nicht tat. Er klingelte weiter, worauf der Endzwanziger schließlich die Tür öffnete und ihm ein etwa 40 Zentimeter langes Bettrohr über den Kopf gezogen hat. Die CD warf er anschließend aus dem Küchenfenster im zweiten Stock seiner Wohnung.
Blutend schwankte der Verletzte zurück ins Jugendzentrum, wo zwei noch Anwesende Polizei und Johanniter riefen, die ihn verarzteten und vernahmen. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Mann 1,6 Promille im Blut.
Das Amtsgericht Wangen hatte den Schläger daraufhin wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt. Dagegen ging dieser in Berufung. Das Ziel: Er wollte Bewährung zu bekommen und nicht in Haft müssen.
„Ich habe ihn nur gebeten zu gehen, nicht geschlagen“, verteidigte sich der Endzwanziger vor der Kammer. „Der war betrunken und wurde immer lauter.“Sein Anwalt hegte massive Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Opfers – sowohl durch dessen Aussagen im Zeugenstand der Kammer als auch früher bei der Polizei. Während sein Mandant in dieser Nacht nüchtern gewesen sei, war der Geschädigte erheblich angetrunken und sei dessen Aufforderung, sich „vom Acker“zu machen, nicht nachgekommen, betonte Verteidiger Jörg van Veen.
Täter und Opfer waren zum Zeitpunkt des Vorfalles Arbeitskollegen in einer Käserei, außerdem waren sie freundschaftlich verbunden und viel gemeinsam unterwegs. In einem Park habe man oft auf der Wiese gesessen und habe „Bierchen“getrunken, berichtete der Angeklagte.
Nach der Auseinandersetzung war es mit der Freundschaft vorbei. Lediglich am Arbeitsplatz will der Angeklagte sein Opfer gefragt haben, warum er ihn angezeigt habe? Wissend, dass er unter Bewährung gestanden hat und bei einer Verurteilung einfahren muss.
Der Geschädigte hat in der Folge einen Brief ans Amtsgericht in Wangen geschrieben und versucht, seine Anzeige zurückzunehmen. Der Angeklagte habe sich bei ihm entschuldigt, schrieb er, und: „Wir waren beide alkoholisiert, hatten einen schlechten Tag“. Er wollte, dass es nicht zu einer Gerichtshandlung kommt. Auch vor der Kammer zeigte er keinen Belastungseifer. Er habe kein Interesse an der Bestrafung seines ehemaligen Freundes, meinte er.
In Sachen Körperverletzung und Bewährung kennt sich der Angeklagte aus, wie sein reichlich bestücktes Vorstrafenregister verriet, das der Vorsitzende verlas. Er schlug immer wieder zu, brach Kontrahenten den Kiefer und das Nasenbein. Mehrmals stand er vor Gericht, wurde verurteilt – mit Bewährung, die er nicht durchstand und brach, um erneut mit dem Gesetz in Konflikt zu kommen. Diebstahl und versuchter Raub, Beleidigung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, sind nur einige Auszüge.
Ob er im Stress zuschlage, wollte Richter Mathias Geiser von ihm wissen. Das sei früher so gewesen, auch im Streit eines verfeindeten Familienverbands, antwortete er. Er habe sich geändert. Ein Grund: Die Freundin erwartet ein Kind von ihm.
Der Verteidiger erinnerte an „tiefgreifende Veränderungen“, die bei jungen Heranwachsenden möglich seien, so auch bei seinem Mandanten, der jetzt eine Perspektive habe und einen anderen Weg dank wachsender Familie und einem Ausbildungsplatz eingeschlagen habe.
Der Sachverhalt sei nicht eindeutig, plädierte er, der Geschädigte erzähle Dinge, die nicht deckungsgleich seien. Diese Widersprüche seien „entscheidungserheblich“, so seien für dessen Prellungen im Gesicht auch ein Sturz im alkoholisierten Zustand nicht auszuschließen.
Das sah der Vertreter der Anklage anders. Er war fest überzeugt von der Richtigkeit dessen, was das Opfer im Kern im Zeugenstand über die Tat berichtete hat, trotz einiger Unschärfen in seinen Aussagen. Der Angeklagte habe sich im Schlaf gestört gefühlt, habe dem Opfer eins „übergebraten“und ihm Verletzungen zugefügt, die nicht mit der bloßen Faust möglich gewesen seien. Das Wangener Amtsgerichts-urteil wegen gefährlicher Körperverletzung habe sich bestätigt, beantragte die Staatsanwaltschaft eine Freiheitsstrafe von einem Jahr ohne Bewährung.
Vorsitzender Mathias Geiser und seine Schöffen zeigten sich ebenfalls überzeugt von dem, was das Amtsgericht festgestellt hat. Das Kerngeschehen stimme, lobte Richter Geiser, dass das Opfer vor Gericht keinen Belastungseifer erkennen ließ und „keine erfundene Geschichte“erzählt habe. Die Kammer hegte keinen Zweifel an der Richtigkeit der Opfer-aussagen, weshalb das Gericht keine Möglichkeit gesehen hat, bei dieser hohen Zahl an Vorstrafen und gebrochenen Bewährungszeiten auf einen minderschweren Fall zu erkennen.
Der Rahmen bei gefährlicher Körperverletzung bewege sich zwischen sechs Monaten und zehn Jahren, erklärte der Vorsitzende, der von Glück auch für den Verurteilten sprach, dass die Folgen der Opferverletzungen relativ glimpflich verliefen. Richter Mathias Geiser sprach von einer „massiven Tathandlung“, aufgrund der es nicht vertretbar sei, unter einer Freiheitsstrafe von einem Jahr ohne Bewährung zu erkennen.
Für die Kammer sei es „unbefriedigend“aber unumgänglich, den 28-Jährigen in Haft zu schicken, nachdem er jetzt einen Ausbildungsplatz habe und ein Kind erwarte.