Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Bidens Kraftakt fürs Klima
Der Us-präsident will zwei Billionen Dollar in den Umstieg auf erneuerbare Energien stecken
- Der Montag war ein guter Tag für die amerikanische Klimapolitik. Zumindest symbolisch. Im National Press Club in Washington trat Cecil Roberts auf, Chef der United Mine Workers of America (UMWA), der landesweit größten Gewerkschaft der Grubenarbeiter. Nur virtuell zugeschaltet, aber mit einer Botschaft, die man durchaus als revolutionär bezeichnen kann. Er unterstütze den Plan des Präsidenten Joe Biden, die Energiewirtschaft der USA von fossilen Brennstoffen auf erneuerbare Quellen umzustellen, sagte Roberts. Allerdings knüpfe er das an eine Bedingung: Kohlekumpel müssten Garantien erhalten, dass man in der Zukunftsbranche Jobs für sie reserviere.
Rückendeckung bekam der Gewerkschafter von Joe Manchin, einem mächtigen Senator. Manchin ist einer von 50 Demokraten, die neben 50 Republikanern in der kleineren Parlamentskammer sitzen. Ein Solitär, der sich im Kohlestaat West Virginia behauptet, obwohl Donald Trump dort zwei Wahlen in Folge mit klarem Vorsprung gewann. Seine Partei ist angewiesen auf seine Stimme, was Manchin nutzt, um lokale Interessen besonders robust zu vertreten. „Ich kann Ihnen sagen, wie West Virginia sich fühlt“, polterte er im Presseclub. „Wir fühlen uns wie Vietnamveteranen, die aus dem Krieg zurückkehren. Wir haben jeden schmutzigen Job gemacht, den wir machen sollten. Und plötzlich sind wir nicht mehr gut genug, nicht mehr sauber genug, nicht mehr grün genug, nicht mehr klug genug.“Grubenarbeiter seien das Rückgrat des
Landes. Entsprechend respektvoll müsse man in Zeiten des Wandels mit ihnen umgehen.
Der Blick auf die Gefühlslage der West Virginians ist nötig, um zu verstehen, womit es Biden im eigenen Land zu tun hat bei seiner Klimaschutzoffensive. Am Donnerstag und Freitag richtet er einen Klimagipfel aus, ein rein virtuelles Treffen mit 40 eingeladenen Staats- und Regierungschefs. Wie belastbar seine Zusagen auf Dauer sind, entscheidet sich jedoch in der Innenpolitik, nicht bei internationalen Konferenzen.
Biden hat ehrgeizige Ziele gesetzt, auch in der Hoffnung, Fakten zu schaffen, die ein eventueller konservativer Nachfolger im Oval Office, auch ein zweiter Trump, nicht mehr rückgängig machen kann. Was er dabei in den Vordergrund stellt, ist der ökonomische Nutzen der Energiewende.
„Denke ich an den Klimawandel, denke ich an Jobs“, lautet einer seiner Standardsätze, während sein Außenminister Antony Blinken ausmalt, welche Chancen sich für Us-unternehmen ergeben, wenn sie jetzt auf den Zug aufspringen. 2025, zitiert Blinken aus Prognosen, werde der globale Markt für erneuerbare Energien ein Volumen von 2,15 Billionen Dollar haben, das Fünfunddreißigfache des aktuellen amerikanischen Marktvolumens in diesem Sektor. Heute sei China der größte Produzent von Solarpaneelen, Windturbinen, Batterien. Man verliere den Anschluss, wenn man nicht zur Aufholjagd blase, warnt der Minister.
Der Kraftakt, mit dem das Weiße Haus Boden gutmachen will, trägt nicht zufällig den Titel „American Jobs Plan“. Gemeint ist das über zwei
Billionen Dollar schwere Infrastrukturpaket, das zu Teilen ein Klimaschutzpaket ist. 174 Milliarden Dollar sollen allein in Investitionen und Subventionen zur Förderung von E-autos fließen. In den nächsten acht Jahren sollen 500 000 Ladestationen für Elektrofahrzeuge installiert werden, die Flotte gelber Schulbusse will man zu mindestens einem Fünftel auf Elektroantrieb umstellen. 400 Milliarden Dollar an Steuergutschriften sollen dem Clean-energysektor kräftige Impulse geben. Bis 2035 soll die nationale Energieproduktion Co2-frei sein, bis 2030 sollen Windturbinen vor den Küsten jährlich 30 Gigawatt Strom erzeugen und damit den Bedarf von mindestens zehn Millionen Haushalten decken. Momentan gibt es gerade mal zwei kleinere Offshore-windparks, da größere Projekte bislang am Widerstand gut organisierter Bürgerinitiativen scheiterten.
Nur: Es sind die einzelnen Bundesstaaten, die den Energiesektor regulieren, was bedeutet, dass republikanisch regierte Staaten dem Bund hier und da einen Strich durch die Rechnung machen können. So wie sich Kalifornien, New York oder Washington, allesamt Hochburgen der Demokraten, auch nach Trumps Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen zu den Zielen der Vereinbarung bekannten, tritt Texas jetzt auf die Bremse, um Bidens Offensive das Tempo zu nehmen. Um nur ein Beispiel zu nennen: Nach einem Gesetzentwurf der konservativen Parlamentsmehrheit im „Lone Star State“dürfen Windkraftanlagen künftig nur dann genehmigt werden, wenn zwischen den Windrädern mindestens eine Meile Abstand bleibt.