Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Sensationspreis für Bild des Memminger Malers Strigel
Bei einer Auktion in Toulouse wechselte der „Engel mit Rauchfass“für knapp 3,5 Millionen Euro den Besitzer
- So viel Geld ist wohl noch nie für ein Allgäuer Kunstwerk bezahlt worden: Bei einer Versteigerung im französischen Toulouse haben bisher unbekannte Bieter fast 3,5 Millionen Euro für ein Gemälde des Memminger Malers Bernhard Strigel (ca. 1460-1528) mit dem Titel „Engel mit Rauchfass“bezahlt. Es gehörte vermutlich zu einem Altar, den Strigel 1521/22 für die Kirche „Unser Frauen“in Memmingen schuf. Im Zuge der Reformation, als katholische Gotteshäuser ausgeräumt wurden, verschwand das Meisterwerk aus der Kirche und ist nun in Frankreich in einem Nachlass wieder aufgetaucht, erklärt Axel Lapp. Er ist Leiter der Mewo-kunsthalle sowie des Strigel- und Antoniter-museums in Memmingen. Lapp, der wie viele andere mit großer Spannung die Versteigerung verfolgte, bestätigt die Einschätzung, dass bisher noch kein anderes Werk aus Allgäuer Hand so hoch gehandelt wurde. „Das war ein Coup.“
Sieben Bieter hätten den Preis hochgedrückt, so Lapp. Der ursprüngliche Schätzwert war bei 600 000 bis 800 000 Euro. Als der Hammer fiel, lag der Preis inklusive Gebühren bei 3,472 Millionen Euro. Was nicht nur Axel Lapp, sondern auch die Kunstszene und französische Medien mit Erstaunen registrierten.
In der Fachwelt wird spekuliert, dass der „Engel mit Rauchfass“vom Louvre in Abu Dhabi, der Hauptstadt des gleichnamigen Wüsten-emirats und der Vereinigten Arabischen Emirate, ersteigert wurde. Das Auktionshaus Artpaugée in Toulouse macht zum Käufer derzeit noch keine Angaben. Auf Anfrage heißt es aber – aus dem Englischen übersetzt: „Es ist ein Museum, das das Gemälde kaufte, doch im Moment möchte es noch anonym bleiben.“
Ein Gegenstück zum „Engel mit Rauchfass“wurde zuvor in Toulouse versteigert und befindet sich bereits im Louvre von Abu Dhabi. Es trägt den Titel „Thurifer Engel“. Axel Lapp vermutet, dass die beiden Strigel-gemälde die Seitenflügel eines Altars schmückten. „Was in der Mitte war, wissen wir nicht.“
Werke von Bernhard Strigel erzielen bei Auktionen immer wieder hohe Preise. Das bestätigt etwa Matthias Kühling, Chef des Allgäuer Auktionshauses in Kempten. Oft liegen sie im sechsstelligen Bereich und reichen bis zur Millionengrenze. Sie lägen damit weit über den Werten anderer Allgäuer Künstler wie Josef Madlener (Memmingen) oder Paul Kauzmann (Kaufbeuren). Auch Kühling teilt die Einschätzung, dass der „Engel mit Rauchfass“das bisher teuerste Allgäuer Kunstwerk sein könnte.
Warum begeistert sich die internationale Kunstszene für den Memminger Maler, der an der Schnittstelle zwischen Spätgotik und Renaissance arbeitete? Laut Axel Lapp gibt es zwei Gründe: Erstens sei Bernhard Strigel ein großartiger Künstler gewesen und habe hervorragende Bilder gemalt. Menschen konnte er „sehr fein, sehr exakt und sehr treffend“darstellen. Da klinge bereits die Renaissance an. „Strigel gehört in die Klasse der großen Meister jener Zeit“, lautet Lapps Urteil. Er vergleicht ihn mit dem Großmeister Albrecht Dürer.
Ob das auch Kaiser Maximilian I. so gesehen hat? Jedenfalls erkor der Herrscher Strigel zum Hofmaler, und nicht Dürer oder andere. Maximilian hatte Strigel auf einer seiner vielen Reisen in Memmingen kennengelernt. In der Folge schuf Strigel Bildnisse vom Kaiser. 1515 lud der ihn sogar nach Wien ein, wo der Memminger weitere Gemälde von Maximilian, dessen Familie sowie von Mitgliedern des Hofes fertigte.
Über den Menschen Strigel, der Teil einer großen Künstlerfamilie war, weiß man dagegen noch recht wenig. Offenbar war er Zunftmeister und Mitglied des Memminger Rates; außerdem übernahm er Aufgaben für seine Heimatstadt, etwa als Gesandter in Rechtsangelegenheiten. Weil aber – im Gegensatz zu Dürer – bisher kein gesichertes Selbstbildnis von ihm bekannt ist, weiß man beispielsweise nicht, wie er aussah.
Wer Werke von Bernhard Strigel im Original sehen möchte, muss das gleichnamige Museum in Memmingen besuchen. Doch die Forschung zu Leben und Werk des inzwischen so hochgehandelten Malers ist noch unterbelichtet, sagt Museumsleiter Axel Lapp. Er wünscht sich mehr Aufmerksamkeit und Wertschätzung für ihn, etwa durch Kunsthistoriker. Das letzte Buch über den Memminger Maler sei vor 60 Jahren erschienen und im Prinzip veraltet.