Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Intensiver Schlagabtausch zum Waldseer Krankenhaus
Osk-verantwortliche und Gutachter stellen ihre Erkenntnisse vor – Stadträte setzen sich für örtliche Klinik ein
- Hat das Waldseer Krankenhaus eine Zukunft, oder muss es geschlossen werden? Diese Frage, die dieser Tage wie ein Damoklesschwert bleiern über der Großen Kreisstadt schwebt, ist am Montagabend im Gemeinderat knapp drei Stunden intensiv aufbereitet, diskutiert und kritisiert worden. Die Waldseer Stadträte argumentierten für die Patienten sowie für die Mitarbeiter vor Ort und konnten nicht nachvollziehen, warum die hochgeschätzte Endoprothetik nicht ausgebaut, sondern gar nach Wangen verlagert werden soll. Die Osk-verantwortlichen hielten ein ums andere Mal die ausgearbeitete Faktenlage dagegen. Ein Rückblick auf eine eindrückliche Sitzung – aus sieben Blickwinkeln.
1. Die Ausgangslage
„Wir machen das nicht wegen Profitgier, sondern weil sich die Dinge verändert haben“, führte Meike Thun vom beauftragten BAB Institut aus Hamburg in das Gutachten „Zukunftsprogramm Gesundheitsregion Oberschwaben“ein, das sich bekanntlich mit der Zukunft der Oskkrankenhäuser im Landkreis Ravensburg befasst. Der Fachkräftemangel, die Spezialisierung der Medizin („Heute haben Sie statt eines Internisten neun verschiedene Fachärzte“) und der steigende Bedarf an ambulanten Strukturen zwinge die OSK zur Umplanung. Vier Szenarien hat die Agentur dafür ausgearbeitet.
Szenario 1 sieht dabei die Fortführung aller drei bisherigen Oskstandorte im Landkreis Ravensburg als Akutversorger vor. Bad Waldsee mit seinen 75 Betten bliebe erhalten. Bei Szenario 2 würden ebenfalls alle drei Standorte fortbestehen, Doppelstrukturen würden allerdings abgebaut und damit die Endoprothetik von Bad Waldsee nach Wangen verlagert. Szenario 3 sieht die Schließung des Krankenhauses Bad Waldsee vor und Szenario 4 konzentriert sich gänzlich und einzig auf das St.elisabethen-krankenhaus in Ravensburg. Eine Notfallversorgung durch den Rettungsdienst bliebe Bad Waldsee in allen Szenarien erhalten. So sehen es die Vorschläge des beauftragten Büros vor. Die Entscheidung im Detail – auch unabhängig von den vorgestellten Szenarien – trifft der Kreistag voraussichtlich Ende Mai.
2. Das Gebäude
Immer wieder kam an diesem Abend die ungläubige Frage aus den Reihen der Stadträte auf, warum die Endoprothetik, also das Einsetzen von künstlichen Hüft- und Kniegelenken, am Standort Bad Waldsee nicht ausgebaut werden kann. Der Großteil dieser Operationen innerhalb der OSK – nämlich 57 Prozent – wird in Bad Waldsee durchgeführt. Die immer selbe Antwort lautete: „Das ist nicht möglich, weil die Operationskapazitäten nicht ausreichen.“Zwei Op-säle sind vorhanden und eine Erweiterung um beispielsweise einen dritten Op-saal auf dem gleichen Stockwerk sei im bestehenden Gebäude unmöglich.
Dass das Gebäude geradezu schlechtgeredet werde, stieß mehreren Stadträten übel auf. Franz Baur, beim Landkreis unter anderem Chef des Immobilieneigenbetriebs IKP, holte zu dieser Kritik etwas aus und ließ wissen, dass es in den 90er-jahren einst eine Neubauplanung mit rund 140 Betten gegeben habe, die Pläne aber im Papierkorb gelandet seien und lediglich die „Bausubstanz aufgehübscht“wurde. 1999 sei dann das Bettenhaus von 3-Bett-zimmern hin zu 2-Bett-zimmern mit Waschraum umgebaut worden. „Mehr geht bei den statischen Gegebenheiten und der Bausubstanz nicht mehr“, so Baur. In dem mehr als 100 Jahre alten Gebäude könnten keine modernen Waschräume, die Voraussetzung für eine Akutgeriatrie sind, realisiert werden. Cdu-stadtrat Franz Daiber rief in Erinnerung, „dass sich auf jeder Station ein großzügig zugängliches sogenanntes Pflegebad mit Patientenlifter
befindet“. Das reicht laut den Gutachtern aber nicht aus.
„Man muss das Haus aufgrund seines Alters nicht in ein, zwei, drei Jahren schließen, aber das Krankenhaus-gebäude wird auch nicht in die Zukunft führen“, erklärte Baur und zählte unter anderem fehlende energetische Standards, alte Fenster und das nicht gedämmte Dach als Hinkebeine des Gebäudes auf.
3. Die Patienten
Wie Thun aufzeigte, suchen vor allem Patienten aus Bad Waldsee, Bad Wurzach, Aulendorf und Bad Schussenried das Waldseer Krankenhaus auf. Aber: „Nur jeder Vierte, der im 20-Minuten-umkreis wohnt, geht für eine internistische Versorgung nach Bad Waldsee – drei Viertel gehen bereits in andere Krankenhäuser und nicht nach Bad Waldsee. Und nur jeder Achte sucht bei einer unfallchirurgischen oder orthopädischen Versorgung das Waldseer Krankenhaus auf. Das sind einfach die Fakten.“Die Stadträte entgegneten, dass in Waldsee bewusst nur ein eingeschränktes Spektrum angeboten werde und daher natürlich viele Patienten ausblieben.
In der Notaufnahme seien durchschnittlich 19 Patienten am Tag, vier davon würden stationär aufgenommen, schilderte Thun. 15 Patienten würden wieder nach Hause geschickt, weil es sich um ambulante Fälle handelt. „Nachts passiert in ihrer Notaufnahme wenig“, so Thun. Dass die Notaufnahme in Ravensburg jetzt schon überlastet sei, war ein ums andere Mal von den Waldseer Stadträten zu hören. Thun bestätigte, dass für die Zukunftsausrichtung ein Ausbau vorgenommen werden müsse.
Spd-stadtrat und langjähriger Mitarbeiter des Krankenhauses, Karl Schmidberger, führte zudem emotionale Gründe für den Fortbestand der Waldseer Klinik ins Feld. „Es gibt Menschen, die eine Bindung zum Krankenhaus haben, die dort geboren wurden und dort sterben wollten.“Diese emotionalen Aspekte habe er wahrgenommen und „daher in den letzten eineinhalb Jahren viele Gespräche über Bad Waldsee geführt“, so Osk-geschäftsführer Oliver Adolph.
4. Die Mitarbeiter
Karl Schmidberger erklärte den anwesenden Osk-verantwortlichen außerdem, dass aus der Waldseer Belegschaft wohl keiner künftig zur Arbeit nach Wangen fahren werde. Bernhard Schultes (FW) sagte dazu: „Es tut der OSK nicht gut, wenn die Mitarbeiter nicht mitgehen und Erfahrungen verloren gehen.“
Thun zeigte auf, dass zehn Ärzte und 22 Pflegekräfte in Bad Waldsee über 56 Jahre alt sind und in den nächsten Jahren in Ruhestand gehen werden. Es müssten sowieso, egal welches Szenario ausgewählt wird, neue Pflegekräfte eingestellt werden. „Klar ist, dass wir so viele Pflegekräfte wie möglich mitnehmen wollen. Dafür müssen wir aber proaktiv etwas tun.“Osk-geschäftsführer Adolph erklärte, dass ihm bewusst sei, „dass es um Mitarbeiter und nicht nur um den Standort geht, der von der Landkarte radiert wird.“Daher sollen die Mitarbeiter – nach der Entscheidung des Kreistags – schnellstmöglich über ihre Zukunft in der OSK informiert werden.
5. Die Zukunftsaussichten
Im Falle einer Schließung des Krankenhauses sicherte Landrat Harald Sievers den Waldseern die Bemühungen um ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) zu. In diesem Zentrum könnten Praxen der Kassenärztlichen Vereinigung in den Bereichen Chirurgie, Allgemeinmedizin und Innere zusammengefasst werden.
Die Sorge, dass sich die Ärzte nicht um Mvz-plätze reißen werden, wurde im Gremium deutlich. Die genaue Ausgestaltung eines solchen MVZ warf bei den Stadträten zudem viele Fragen auf. Insbesondere der Zeitplan war von Interesse. Wann wird das Krankenhaus bei einer möglichen Entscheidung gegen die Klinik geschlossen? Bis wann würde die Alternative des MVZ aufgebaut sein? Und wer bezahlt das alles? Bis zur Kreistagssitzung solle ein Zeitplan aufgestellt werden, versicherte Sievers und ergänzte allgemein: „Ich mache Ihnen da eine ganz klare Ansage: Der Landkreis sieht sich über die OSK in der Verpflichtung, ein MVZ umzusetzen.“
Dabei sei der Kreis aber auf die Hilfe anderer angewiesen, beispielsweise von Bund und Land, aber auch der Stadt Bad Waldsee. Nach dem Kreistagsbeschluss gebe es einen „Tag null“, wie Sievers es formulierte, um das „OSK-MVZ“in der Kurstadt anzustreben. Es handle sich um ein Gemeinschaftswerk. Die Stadt könnte als Türöffner für Gespräche mit den örtlichen Ärzten fungieren. Dass die bisherigen, deutschlandweit vertretenen MVZ bislang nicht kostendeckend betrieben werden, daran müsse intensive gearbeitet werden.
„Für Waldsee heißt es, neue ambulante Strukturen zu schaffen, egal welches Szenario entschieden wird“, wurde am Abend von Bab-mitarbeiter Clemens Kuehlem deutlich gemacht. Wie die Umwandlung der ambulanten Strukturen gelingen kann, solle die Osk-geschäftsführung laut Sievers zügig erarbeiten.
6. Die Stimmungslage
Dass in Bad Waldsee derzeit eine große Verunsicherung herrscht, machte Oberbürgermeister Matthias Henne deutlich. So mancher Einwohner findet derzeit nicht einmal einen Hausarzt, und dann drohe auch noch die Schließung der örtlichen Klinik. „Das kann ich absolut nicht nachvollziehen“, so Henne und weiter: „Ich verstehe nicht, das ein Modell, das sich trägt und bewährt, geschlossen oder verlagert werden soll.“Er werde weiterhin für den Erhalt des Krankenhauses kämpfen.
Die Diskussion über Krankenhausschließungen in Zeiten von Corona kam nicht nur Cdu-stadtrat Maximilian Klingele zynisch vor: „Bettenkapazitäten reduzieren – da kommen sich die Leute doch verarscht vor. Das können wir doch niemandem vermitteln.“Fw-stadtrat Bernhard Schultes verwehrte sich zudem gegen die Berichterstattung, dass es in Bad Waldsee keinen hörbaren Aufschrei gegen die mögliche
Schließung des Krankenhauses gegeben habe.
7. Die Osk-kooperationen
Warum die OSK die Kooperation mit dem Medizincampus Bodensee nicht forciert hat, wollte Bernhard Schultes wissen. Osk-geschäftsführer Adolph räumte ein, dass er sich hier mehr Nähe gewünscht hätte, aber die Gespräche versandet seien. Adolph erklärte auf weitere Nachfragen zudem, dass durch die Kooperation mit der Sportklinik Ravensburg die kommunale Trägerschaft nicht gefährdet sei und der Marktanteil vergrößert werden soll. Die Zusammenarbeit mit den Städtischen Rehakliniken in Bad Waldsee, „die auch von unseren Ärzten sehr geschätzt wird“, so Adolph, solle weiterhin Bestand haben.
Das Gutachten „Zukunftsprogramm Gesundheitsregion Oberschwaben“wird am Donnerstag, 12. Mai, um 18 Uhr nochmals öffentlich in der Durlesbachhalle in Reute vorgestellt. Die Veranstaltung werde zudem live übertragen über: www.oberschwabenklinik.de