Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Alte Ausreden gelten nicht mehr
In dem schönen Kinderbuch „Der Ausredenerfinder“ersinnt der Held, er heißt Bruno, immer neue Ausreden, weil er ständig zu spät zur Arbeit kommt. Deutsche Generäle und Admiräle konnten sich bisher Bruno zum Vorbild nehmen und erklären, warum Schiffe nicht schwammen, Panzer nicht schossen und Hubschrauber nicht flogen. Mal war es die böse Industrie, die nicht lieferte. Dann fehlte Geld. Später Ersatzteile. Oder die Bürokraten arbeiteten zu langsam. Nie waren die Offiziere verantwortlich für den beklagenswerten Zustand der Bundeswehr. Über Rücktritte ist nichts bekannt.
Bevor auch nur ein einziger Cent aus dem 100-Milliarden-euro-sondervermögen ausgegeben wird, sollte die Regierung die Verantwortlichkeiten für das angerichtete Desaster aufklären und Prozesse neu definieren. Gelten muss: Bewährter Industrie-standard schlägt unzuverlässige Goldrand-lösungen. Warum sollen die gleichen Offiziere und Beschaffungsbeamten, die bisher jährlich 50Milliarden-euro-etats nicht sinnvoll investieren konnten, nun über Nacht lernen, wie mit 100 Milliarden Euro umzugehen ist? Das gesamte Beschaffungswesen gehört reformiert.
Weiter ist zu klären, was mit dem frischen Geld angeschafft werden soll. Munition, Kampfjets und Transporthubschrauber, Korvetten und Puma-schützenpanzer sind die dicksten Brocken. Kaum bekannt ist: Der Bundeswehr fehlt die Fähigkeit, Daten geschützt zu übermitteln. Kein Witz: Beim Nato-gefechtsverband in Litauen rufen sich Panzerkommandanten Befehle mündlich zu, weil Deutschland keine Digitaltechnik vorhält. Abhörsichere Kommunikation ist die vordringliche Aufgabe bei der Modernisierung der Bundeswehr.
Schließlich muss die Bundesregierung die politische und militärische Führung dazu verpflichten, die drei Divisionen des Heeres mit 60 000 Soldaten komplett auszustatten und einsatzbereit zu halten: Jetzt. Immer. Vollständig. Zum Vergleich: Derzeit ist nicht einmal eine 5000Mann-brigade marschbereit. Ausreden wie bei Bruno darf es nicht mehr geben angesichts der Bedrohung, der sich der Westen ausgesetzt sieht.