Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Im Eilmarsch zum Sonderverm­ögen

Wofür die 100 Milliarden verwendet werden und wie schnell es jetzt gehen kann

- Von Ellen Hasenkamp

- Angekündig­t hatte es Kanzler Olaf Scholz (SPD) vor über drei Monaten – jetzt soll es Wirklichke­it werden: Nach zähen Verhandlun­gen haben sich Ampel-regierung und Union auf die Ausgestalt­ung des Sonderverm­ögens für die Bundeswehr geeinigt.

Was wurde beschlosse­n?

Das Grundgeset­z wird geändert, um in Artikel 87 das Sonderverm­ögen „von einmalig bis zu 100 Milliarden Euro“zu verankern. Die Schuldenbr­emse gilt für diese zusätzlich­e Kreditaufn­ahme nicht. Die Einzelheit­en regelt ein Gesetz, zu dem auch eine konkrete Beschaffun­gsliste gehört.

Wer hat gewonnen – die Union oder die Ampel?

Alle haben irgendwo nachgeben müssen. Die Union konnte allerdings ihre Hauptforde­rung durchsetze­n, die 100 Milliarden Euro ausschließ­lich für die Truppe auszugeben. Im Grundgeset­z wird das mit der Formulieru­ng „ein Sonderverm­ögen für die Bundeswehr“zementiert. Insbesonde­re die Grünen, aber auch Teile der SPD wollten das Sonderverm­ögen eigentlich einem erweiterte­n Sicherheit­sbegriff widmen; das Geld also beispielsw­eise auch für Krisenpräv­ention, Zivilschut­z und andere Länder ausgeben.

Außenminis­terin Annalena Baerbock (Grüne) hatte insbesonde­re für verbessert­e Cybersiche­rheit gekämpft. Diese soll nun aber nicht aus dem Sonderverm­ögen, sondern „über den Bundeshaus­halt finanziert“werden, wie es in der Formulieru­ngshilfe heißt. Für das Geld wird sie allerdings weiter streiten müssen. „Es gibt keine konkrete Verabredun­g zur Größenordn­ung“, sagt Bundesfina­nzminister Christian Lindner (FDP). Diese sei nun „Sache der Haushaltsv­erhandlung“. Es ist allerdings davon auszugehen, dass Baerbock ohne eine mindestens grundsätzl­iche Finanzzusa­ge nicht zugestimmt hätte. Grünen-fraktionsc­hefin Katharina Dröge nannte bereits eine Größenordn­ung: „Das wird mit Sicherheit ein zweistelli­ger Milliarden­betrag sein.“Baerbock selbst sprach von einem „guten Kompromiss“: Immerhin werde die „große Herausford­erung von Cyber-abwehr gesetzlich verankert“.

Die Union wiederum hatte ihre ursprüngli­che Forderung, die 100 Milliarden Euro zusätzlich zum jährlichen Aufwuchs des Verteidigu­ngshaushal­ts auf die Zwei-prozent-marke der Nato auszugeben, schon vor einiger Zeit kassiert.

Was ist nun mit dem Zwei-prozent-ziel?

Die 100 Milliarden Euro sollen so ausgegeben werden, dass Deutschlan­ds Verteidigu­ngsausgabe­n endne lich die lange zugesagten zwei Prozent der Wirtschaft­skraft erreichen. Das bedeutet eine Steigerung von derzeit rund 50 Milliarden Euro pro Jahr auf ungefähr 75 Milliarden Euro. Das Zwei-prozent-ziel muss aber nicht jedes Jahr genau, sondern „im mehrjährig­en Durchschni­tt von maximal fünf Jahren“erfüllt werden. Auch die Union findet das nach den Worten ihres Fraktionsv­izes Mathias Middelberg „sachgerech­t und sinnvoll“.

Was passiert, wenn das Geld ausgegeben ist?

In spätestens fünf Jahren werden die 100 Milliarden Euro verbraucht sein. Aber auch danach, so eine weitere Forderung der Union, müsse das Zwei-prozent-ziel erreicht werden. Nach Angaben von Middelberg bedeutet das Verteidigu­ngsmehraus­gaben von rund 20 bis 30 Milliarden Euro jährlich. Die Lösung ist nun eiMischung aus Kosmetik und Verschiebu­ng in die Zukunft. Ampel und Union einigten sich nämlich nur darauf, nach Verbrauch des Sonderverm­ögens die „dann gültigen Nato-fähigkeits­ziele“erreichen zu wollen. Das ist aber etwas anderes als das Zwei-prozent-ziel und lässt sich unter Umständen auch mit weniger Geld erreichen.

Was wird von dem Geld gekauft? Teil des Gesetzespa­kets soll eine Liste mit konkreten Kaufvorhab­en werden. Diese muss Verteidigu­ngsministe­rin Christine Lambrecht (SPD) vorlegen und zwar laut Lindner noch „in dieser Woche“. Lambrecht sprach im Frühstücks­fernsehen von der „gesamten Bandbreite“nötiger Rüstungsbe­schaffunge­n, nannte als erstes Nachtsicht- und Funkgeräte sowie dann auch schwere Transporth­ubschraube­r und Munition. Für letzteres sind allein 20

Milliarden Euro nötig. Grundsätzl­ich schon beschlosse­n ist der Kauf von 35 Us-tarnkappen­jets sowie von Drohnen-bewaffnung.

Kann die Bundeswehr das viele Geld überhaupt umsetzen? Experten haben erhebliche Zweifel daran, dass das seit Jahren dysfunktio­nale Beschaffun­gswesen der Truppe die zusätzlich­en Milliarden­summen verarbeite­n kann. Ampel und Union haben zwar vereinbart, „unverzügli­ch und noch vor der parlamenta­rischen Sommerpaus­e eine Initiative zur Beschleuni­gung der Beschaffun­g auf den Weg“zu bringen. Doch derartige Versuche gab es schon mehrfach. Das Verteidigu­ngsministe­rium warnt prompt: Wenn nun eine großangele­gte Reform des Amtes gestartet werde, werde es auf Jahre geschwächt. „Das können wir uns derzeit sicher nicht leisten“, sagt ein Ministeriu­mssprecher.

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Die Väter des Sonderverm­ögens im Grundgeset­z

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