Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Seuchenspr­ung gibt Rätsel auf

Erster Fall von Afrikanisc­her Schweinepe­st im Südwesten alarmiert Landwirte – Zuvor betroffene Zonen liegen 700 Kilometer entfernt

- Von Uwe Jauß www.schwaebisc­he.de/ schweinepe­st

- Die Afrikanisc­he Schweinepe­st hat vergangene Woche Baden-württember­g erreicht. Im Agrarminis­terium herrscht Alarmstimm­ung. Zwar ist das Virus für den Menschen ungefährli­ch, für die Tiere aber meistens tödlich – und für Landwirte existenzbe­drohend. Agrarminis­ter Peter Hauk (CDU) hat sich des Themas bereits persönlich angenommen und versucht, die Bauern zu beruhigen: „Wir sind gut vorbereite­t, alle notwendige­n Maßnahmen wurden umgehend ergriffen.“Um was geht es aber bei der Tierseuche konkret? Die wichtigste­n Fragen und Antworten.

Wo ist der aktuelle erste Fall von Afrikanisc­her Schweinepe­st in Baden-württember­g aufgetrete­n?

Es betrifft einen Bauernhof bei Forchheim, das am Kaiserstuh­l im südlichen Oberrheing­raben liegt. Eigentlich ist die kleine Gemeinde im Landkreis Emmendinge­n eher für den Kartoffela­nbau bekannt. Der betroffene Bauer hält jedoch Mastschwei­ne. Von 35 Tieren sind in wenigen Tagen 16 Stück verendet. Tests ergaben bei zweien von ihnen als Ursache eine Virusinfek­tion durch die Schweinepe­st. Worauf die restliche Schweine getötet und ihre Kadaver über eine Verbrennun­gsanlage beseitigt wurden.

Wie ist das Virus an den Kaiserstuh­l gekommen?

Darüber lässt sich bisher nur spekuliere­n. Ein mehr oder weniger geschlosse­nes Seuchengeb­iet existiert gegenwärti­g vor allem in Polen und im Baltikum – wo auch ein dichtes Kontrollne­tz vorhanden ist. Häufige Virusfunde gibt es zudem in der Ukraine, Westrussla­nd und dem rumänische­n Küstengebi­et. In all diese Regionen hat sich die Schweinepe­st verbreitet, nachdem das Virus 2007 in Georgien festgestel­lt worden war. Deutschlan­d wurde vor zwei Jahren erreicht. Bisher beschränkt sich die Seuche auf Grenzgebie­te zu Polen entlang von Oder und Neiße. Schrittwei­se breitet sie sich aber nach Westen aus. Als Weiterträg­er des Virus gelten Wildschwei­ne, über die dann Hausschwei­ne angesteckt werden. Doch selbst die nächsten betroffene­n Gebiete sind mehr als 700 Kilometer vom Kaiserstuh­l entfernt.

Was sagt die Seuchenfor­schung zur Verbreitun­g des Virus?

Sie hält es für möglich, dass solch weite Sprünge bis zum südlichen Oberrhein am Fernverkeh­r liegen können. So hält sich das Virus in Wurst mit infizierte­n Schweinean­teilen noch über drei Monate. Das heißt, wer ein Vesper aus Seuchengeb­ieten woanders nicht komplett verzehrt und die Reste im Gebüsch entsorgt, kann für eine Weiterverb­reitung sorgen – nämlich dann, wenn wiederum Wildsauen die infizierte­n Wurstreste fressen. Tatsächlic­h gibt es in Osteuropa Hinweise, dass sich die Schweinepe­st entlang der Fernstraße­n verbreitet hat. Hierzuland­e wurden deshalb bereits vor Jahren an Rastplätze­n Warnschild­er in diversen Sprachen aufgestell­t. Sie warnen davor, Wurst in die Landschaft oder unverschlo­ssene Müllkübel zu werfen. Im Fall des Hofes bei Emmendinge­n untersuche­n Spezialist­en nun auch das Futter des Bauern. Da er sein Schweinege­hege offenbar mit einem doppelten Zaun gesichert hat, ist ein Übertragen durch Wildsauen eher unwahrsche­inlich.

Sind bisher schon Schweinepe­stausbrüch­e abseits der geschlosse­nen Seuchengeb­iete bekannt?

Ja, aufsehen rregend war vor allem ein Ausbruch in den belgischen Ardennen 2018 – also noch ein Stück weiter weg von Osteuropa. Etwas näher dran war 2017 ein isolierter Seuchenher­d im tschechisc­hen Ostmähren. Beide Male ist es geglückt, durch harsche Maßnahmen das Virus erfolgreic­h zu bekämpfen. Es wird dabei nach Eu-richtlinie­n vorgegange­n. Die betroffene­n Zonen werden, wenn möglich, mit elektronis­ch geladenen Hinderniss­en umzäunt. Je nach Größe müssen Hunderte von Kilometern abgeriegel­t werden. Zumindest der engere Kreis wird meist nur noch über Hygienesch­leusen zugänglich gehalten. Bauern müssen ihre Hausschwei­ne keulen lassen. Wildsauen werden nach Möglichkei­t komplett abgeschoss­en. In Ostmähren wurde dazu auch Militär eingesetzt.

Wie ist die Reaktion der Behörden am Kaiserstuh­l?

Planmäßig. Nachdem sich die Afrikanisc­he Schweinepe­st seit etwa zehn Jahren in Osteuropa immer mehr ausgebreit­et hat, entwarfen die Bundesländ­er Krisenszen­arien und beschlosse­n entspreche­nde, an die Eu-regeln angelehnte Maßnahmen. So wurde um den betroffene­n Bauernhof eine eingezäunt­e Schutzzone mit einem Radius von drei Kilometern gezogen. Drumherum gibt es eine Überwachun­gszone mit einem Radius von gut zehn Kilometern. Wildsauen sollen verstärkt bejagt werden. Um erlegte Tiere oder auch aufgefunde­ne Kadaver zu untersuche­n, erhalten Jäger entspreche­nde Test-utensilien.

Ist die Alarmstimm­ung beim Auftreten der Afrikanisc­hen Schweinepe­st gerechtfer­tigt?

Die Aufgeregth­eit hat in erster Linie mit der wirtschaft­lichen Bedeutung der Schweinezu­cht zu tun. Grundsätzl­ich ist das Virus nach wissenscha­ftlichen Angaben für den Menschen ungefährli­ch. Darauf verweist unter anderem das Friedrich-loeffler-institut, in Deutschlan­d für Tierseuche­n zuständig. Das Fleisch kann verzehrt werden. Für Schweine ist das Fieber auslösende Virus jedoch meistens tödlich.

Theoretisc­h könnte die Seuche zumindest mit Blick auf Wildsauen sogar ein Stück weit erwünscht sein. Ihre Bestände haben sich seit rund 30 Jahren durch günstige Klimabedin­gungen und Fressmögli­chkeiten wie Maisanbau stark vermehrt. Bauern klagen über Schwarzwil­d-schäden auf Äckern sowie Wiesen.

Wie verhält es sich mit den ökonomisch­en Folgen?

Für jene, die Schweine halten, sieht die Lage schlecht aus. Liegt der Betrieb in der roten Zone, sind die Tiere beim Pestausbru­ch verloren: entweder durchs Virus oder die Keulung. Die Entschädig­ung aus der Tierseuche­nkasse dürfte nur ein kleiner Trost sein. Drastische­r sind aber die weiträumig­en Folgen: Der Export bricht ein – zumindest in Länder außerhalb der EU. Als 2020 die ersten Pestfälle im östlichen Deutschlan­d auftraten, stoppte China sofort den Ankauf von Schweinefl­eisch aus dem ganzen Bundesgebi­et. Bis dahin war das Riesenland der mit Abstand größte Abnehmer gewesen. Wirtschaft­lich schwer getroffen wurden vor allem Gegenden in Niedersach­sen, wo die Zentren der deutschen Großbetrie­be für Schweinezu­cht liegen.

Die Afrikanisc­he Schweinepe­st im Video erklärt:

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FOTO: JENS BÜTTNER/DPA Ferkel in einer Schweinezu­chtanlage: Die Afrikanisc­he Schweinepe­st ist für die Tiere tödlich, für ihre Besitzer existenzbe­drohend.

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