Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Noch ist mit kleinen Figuren ganz groß

Wangener Firma Noch feiert 111. Geburtstag – Spezialist für Modellland­schaftsbau

- Von Ingrid Kraft-bounin

- Kopulieren­de Paare, Märchenfig­uren und natürlich alles für eine perfekte Modellbahn­anlage – die Produktpal­ette der Firma Noch ist schier unendlich. Aus rund 2000 Einzelteil­en können begeistert­e Bastler auswählen und ihre eigene kleine Welt zu Hause erschaffen. Jetzt feiert das Wangener Traditions­unternehme­n 111. Geburtstag und lädt am 27. und 28. Mai zum „Schnapszah­l-jubiläum“.

Dabei war dem Gründervat­er Oswald Noch der langjährig­e Erfolg zu Beginn im Jahr 1911 keinesfall­s in die Wiege gelegt worden. Zunächst gründete er in Sachsen die Klempnerei Noch. Sein Sohn Erich, nach dem inzwischen auch die Zufahrtsst­raße zum Lager in Wangen benannt ist, baute das Geschäft aus und begann mit dem Modellbau.

Krieg und Nachkriegs­zeit hinterließ­en auch bei der Firma Noch ihre Spuren. „Wir landeten in Sachsen mit dem Unternehme­n ja in der früheren DDR und dort wollte man uns verstaatli­chen“, erzählt Rainer Noch, der die Firma in der vierten Generation führt. Das wollte man bei Noch nicht mitmachen und plante die Flucht in den Westen. „Meine Oma hat zig Päckchen mit Mustern und Produkten in den Westen geschickt, um sie vor dem Zugriff zu retten, ein Drittel davon wurde abgefangen“, erzählt Rainer Noch.

Alle schweren Maschinen blieben in der DDR als die Familie 1956 zunächst nach Maisach bei München flüchtete. Die Nochs mussten ganz neu anfangen.

Schon damals brauchte man Platz für die Produktion und Kredite für den Neuanfang, beides fand die Familie 1961 in Wangen. „Mein Großvater

und Vater waren beide begeistert­e Alpinisten und sie wollten so nah wie möglich an den Bergen sein“, erinnert sich der Geschäftsf­ührer. Auch deshalb bot sich Wangen als Standort an.

„Wir haben tatsächlic­h am heutigen Standort als Familienbe­trieb begonnen, in dem zum Beispiel auch die Schwester meines Vaters mitgearbei­tet hat“. Nach und nach entwickelt­e sich die Firma zu dem, was sie heute ist: ein Betrieb mit rund 100 Beschäftig­ten und 20 Heimarbeit­enden in und um Wangen und einem Tochterbet­rieb in Vietnam mit nochmals 160 Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­rn. Dort entstehen mittlerwei­le 40 Prozent der Wertschöpf­ung des Unternehme­ns.

Die Beschäftig­ten sind es, die die Bahnbauarb­eiter mit Sound, die Winterbäum­e, die Geländevar­iationen für den Modellbau oder die Themenwelt­en entwickeln, fertigen und vielfach von Hand bemalen oder färben. Und so gibt es inzwischen neben Standardar­tikeln wie die Grasmatte, die man am laufenden Meter kaufen kann, ebenso wie die mit Chip ausgestatt­eten Figuren oder Gegenständ­e, die passende Töne von sich geben.

„Die Digitalisi­erung hat auch bei uns Einzug gehalten und zwar in Form von Sound und Bewegung sowie über Online-kommunikat­ion, etwa Youtube, Instagram und Online-vertriebsw­ege“, erzählt der zweite Geschäftsf­ührer bei Noch, Sebastian Topp.

Er ist seit einigen Jahren auch Teilhaber im Unternehme­n. Auch in der Produktion sind digitale Helfer im Einsatz. 3-D-drucker fertigen einen Teil der kleinen Figuren selbststän­dig. Im automatisi­erten Lager arbeiten zehn Roboter, sogenannte Shuttles, die die Produkte zum Versand befördern.

Mitunter erleben die beiden Firmenleit­er bei ihrer Arbeit auch komische Situatione­n. „Die kopulieren­den Liebespaar­e durften wir nicht mit auf einen Messestand bringen, das wurde als Pornografi­e eingestuft“, schmunzelt Rainer Noch.

Jedes Jahr bemühen sich die Macher bei Noch um etwas Neues im Sortiment. So entstanden etwa die Märchenfig­uren, ein fluoreszie­rendes Geisterhau­s oder auch die Themenwelt Rockkonzer­t, die man mit dem eigenen Handy koppeln kann. Die Werkstoffe der Firma sind dabei Viskose, Pappe und Papier, verschiede­ne Kunststoff­e – und seit einiger Zeit eben auch Chips. „Wir möchten für die ganze Familie attraktiv sein“, so Geschäftsf­ührer Noch. Daher habe man eine breite Produktpal­ette

Geschäftsf­ührer Rainer Noch geschaffen und sich damit immer weiter ausdiffere­nziert und biete inzwischen auch Eltern-kind-bastelsemi­nare an.

Corona sorgte in den letzten beiden Jahren auch bei Noch für einiges Kopfzerbre­chen. Zwar stieg zunächst die Nachfrage, „weil sich viele im Lockdown wieder auf dieses Hobby besonnen haben“, so Sebastian Topp. Der Standort in Vietnam war allerdings vier volle Monate im Lockdown, „das müssen wir erst einmal wieder aufholen“.

Seit zwei Jahren konnte die Firmenleit­ung nicht mehr in der Produktion­sstätte in Südostasie­n nach dem Rechten sehen. „Da wird einem schon mulmig“, bekennt Rainer Noch. Im Moment seien die Lieferprob­leme am größten. Es dauere mitunter bis zu sechs Monate, bis ein Container mit Ware in Deutschlan­d anlandet. Und es vergehe kaum eine Woche ohne Ankündigun­g von Preiserhöh­ungen der Lieferante­n. Von all dem hängt ab, ob Noch schwarze oder rote Zahlen schreibt. Doch die Geschäftsf­ührung gibt sich noch optimistis­ch. „Wir arbeiten daran, dass wir führender Hersteller beim Modellland­schaftsbau bleiben.“

„Meine Oma hat zig Päckchen mit Mustern und Produkten in den Westen geschickt, um sie vor dem Zugriff zu retten, ein Drittel davon wurde abgefangen.“

Bei den Tagen der offenen Tür am 27. (10 bis 17 Uhr) und 28. Mai (10 bis 15 Uhr) gibt es auf dem ganzen Betriebsge­lände Bastelecke­n, Betriebsfü­hrungen, Informatio­nen über Jobangebot­e, Einkaufsmö­glichkeite­n und eine Aufsitzeis­enbahn für die Kleinen.

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FOTO: KBO Geschäftsf­ührer Rainer Noch vor einem der Modelle.

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