Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Bad Wurzacher feiern Thronjubiläum mit
20 Jahre Partnerschaft mit Jersey sind Anlass eines Besuchs auf der Kanalinsel
(sz) - In den ersten Junitagen konnte in St. Helier der 80. Jahrestag der Deportation und gleichzeitig auch das 20-jährige Bestehen der Städtepartnerschaft mit Bad Wurzach würdig begangen werden. Das berichtet Christine König vom Partnerschaftsverein.
Aufgrund der Pandemie hatten die geplanten Besuche und Veranstaltungen in den Partnerstädten Bad Wurzach und St. Helier zum 75. Jahrestag der Befreiung der in Bad Wurzach internierten Familien abgesagt werden müssen. Für Bürgermeisterin Alexandra Scherer, die von ihrem Mann Erwin und zwei Vertretern des Partnerschaftsvereins begleitet wurde, war dies der erste offizielle Besuch in St. Helier.
Dabei lernte sie neben Simon Crawcroft, Bürgermeister von St. Helier, und Sir Timothy Le Cocq, Bailiff von Jersey, auch ehemalige Internierte und Mitglieder des Partnerschaftsvereins von Jersey kennen. Für das Amt des Bailiff gibt es im Internet übrigens keine wirkliche Übersetzung. Der Bailiff ist stets ein ausgebildeter Jurist und genießt neben dem Lieutenant-governour, der die Krone vertritt, das größte Ansehen auf der Insel.
Der erste Tag des Besuchs stand im Zeichen der Erinnerung. Bei einer emotionalen Gedenkfeier vor der Gedenktafel an dem Ort, an dem im September 1942 für etwa 600 Frauen, Männer und Kinder die Reise in eine ungewisse Zukunft begann, legte Alexandra Scherer einen Kranz nieder. In einer kurzen Ansprache betonte sie die Besonderheit dieser Städtepartnerschaft und die Bedeutung von „offener und ehrlicher Erinnerung“als „Voraussetzung für Versöhnung und für Frieden“. Frieden, der im Zeichen des aktuellen Kriegs in der Ukraine nicht mehr selbstverständlich sei und welcher „täglich von uns allen neu erarbeitet werden“müsse.
Direkt davor hatten vier Inselbewohner, damals selbst unter den Deportierten oder stellvertretend deren Kinder, ihre Erinnerungen an den Tag der Deportation vorgetragen. Das Medieninteresse am Jahrestag der Deportation war groß. Neben der Inselzeitung waren das Inselfernsehen und ein Vertreter der BBC anwesend. Die teils spontanen Interviews im Anschluss konnten von der Bad Wurzacher Bürgermeisterin auf Englisch geführt werden.
Zweieinhalb Jahre lang lebten die Deportierten, alles Inselbewohner mit englischen Wurzeln, hinter Stacheldraht im Schloss von Bad Wurzach. Aus diesem wenig vielversprechenden Anfang ist heute eine Freundschaft und Partnerschaft entstanden, welche vor 20 Jahren in einer offiziellen Städtepartnerschaft mündete. Dieses Jubiläum wurde am Abend bei einem Empfang im Rathaus gefeiert. Im September wird eine größere Gruppe aus Jersey nach Bad Wurzach kommen, um auch in Bad Wurzach den Jahrestag der Deportation und das Jubiläum der Partnerschaft zu feiern. Vielleicht wird es die letzte Reise sein, an der auch noch ehemals Internierte teilnehmen können.
Das Rahmenprogramm des Besuchs beinhaltete einige der Feierlichkeiten zum 70-Jahr-thronjubiläum von Queen Elizabeth II. und zwei Ausflüge auf der Insel. Das Thronjubiläum wurde am Donnerstagabend mit einer Laser-show, dem „Royal Platinum Jubilee Beacon“, auf Glacis Field, einem freien Feld auf dem Hügel von Fort Regent mit Blick aufs Meer und den Hafen von St. Helier gefeiert. Die fröhliche, erwartungsvolle Stimmung mit live Musik, verschiedenen Darbietungen, vielen Imbissund Getränkeständen und einem herrlichen Sonnenuntergang waren ein besonderes Erlebnis. Der nächste Morgen begann mit einer Parade aller uniformierten Verbände auf Jersey, gefolgt von einem Festumzug mit Fahrzeugen aus den vergangenen 70 Jahren – alle mit Union Jacks und Thronjubiläumsfahnen geschmückt. Die festlich gekleideten Fahrzeuginsassen bedankten sich mit Hupen und Winken für den Jubel der Zuschauer, von denen viele ebenfalls speziell für diesen besonderen Tag gekleidet waren und die englische Fahne schwenkten.
Die Landfläche der Kanalinsel Jersey ist kleiner als die von Bad Wurzach, bei Ebbe verdreifacht sich die die Fläche jedoch, da der Gezeitenunterschied bis zu zwölf Meter beträgt. Ein Highlight des Besuchs war die geführte Wattwanderung durch das einzigartige Felsenwatt, welches durch die völkerrechtlich vereinbarte Ramsar-konvention geschützt ist, zu einem Befestigungsturm aus der Zeit der Napoleonischen Kriege.
Am letzten Tag erkundete die Besuchergruppe aus Bad Wurzach, begleitet von Mitgliedern des Partnerschaftsvereins von Jersey, die Insel bei einer geführten Rundfahrt. Die Schönheit der Insel, die unglaublich abwechslungsreiche Landschaft mit der langen Geschichte, beginnend mit jungsteinzeitlichen Begräbnisstätten, sogenannten Dolmen, blieben der Besuchergruppe in nachdrücklicher Erinnerung.