Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Mit Volldampf zum Nahwärmenetz für Biberacher Kernstadt
In der Memelstraße haben die Arbeiten für die neue Energieversorgung begonnen – So sieht der Zeitplan aus
- Mit dem Umbau der Heizzentrale in der Memelstraße und dem Verlegen der ersten Rohre hat der Bau des Nahwärmenetzes für die südliche Biberacher Innenstadt begonnen. Damit die rund 1,8 Millionen Euro zugesagten Zuschüsse fließen, muss es jetzt schnell gehen. Und auch von anderer Seite hat das ganze Projekt in den vergangenen Wochen eine unerwartete Dynamik gewonnen.
Ein riesiger Mobilkran hob am Donnerstag zwei neue Pelletkessel in den Hof der Heizzentrale in der Memelstraße. Von dort war bislang unter anderem die Malischule mit Wärme versorgt worden. Weil die Heizzentrale aber sanierungsbedürftig war, ebenso wie ihr Pendant im einige Hundert Meter entfernten Sennhofareal, stellte sich vor und zwei Jahren die Frage: Einfach nur sanieren oder etwas Innovatives machen?
„So kam es zu der Idee, beide zu verknüpfen und mit dem Nahwärmenetz nicht nur öffentliche Gebäude, sondern auch private Anlieger zu versorgen“, sagt Baubürgermeister Christian Kuhlmann. Wichtig dabei war, dass dies nicht wie bisher über Gaskessel, sondern mit regenerativen Energieträgern, in diesem Fall Pellets, geschieht. „Für Biberach ist das ein ganz wichtiger Beitrag zur Co2reduzierung, so Kuhlmann.
Geplant wurde das Nahwärmenetz unter Federführung des früheren Leiters des städtischen Gebäudemanagements, Robert Walz. Er befindet sich zwar seit einigen Wochen im Ruhestand, wird „sein“Projekt aber trotzdem noch fachlich begleiten. „Sonst könnten wir das personell gar nicht stemmen“, sagte der Baubürgermeister. Kooperiert hat die Stadt mit der Energieagentur Ravensburg, die dafür gesorgt hat, dass der erste Bauabschnitt des Nahwärmenetzes mit 1,8 Millionen vom Land gefördert wird. Die Mittel stammen aus dem Programm „Klimaschutz mit System“. Die Gesamtkosten des ersten Abschnitts betragen 4,1 Millionen Euro.
Innerhalb eines Jahres wurde so aus einer Idee eine baubare Planung, bei der alle Beteiligten jetzt auf die Tube drücken müssen. „Der Zuschuss fließt nämlich nur, wenn bis Ende 2022 auch Wärme durch die noch zu verlegenden Leitungen fließt“, sagt Kuhlmann. Aufgrund dessen ist das Zeitfenster nun sehr eng. „Bisher laufen die Arbeiten gut, wir hoffen, dass nichts dazwischen kommt.“
In der Heizzentrale Memelstraße bilden die beiden nun angelieferten Pelletkessel mit je 400 kw neben einem Blockheizkraftwerk sowie zwei Gaskesseln für die Spitzenlast das Rückgrat für den regenerativen Betrieb des Nahwärmenetzes im ersten Bauabschnitt. Angeliefert werden am 8. August noch ein 100 Kubikmeter großer Wärmespeicher sowie der 60 Kubikmeter umfassende Pelletspeicher. Die neue Heizanlage nimmt dann schrittweise ab September rechtzeitig vor Beginn der Heizperiode den Betrieb auf.
Begonnen hat auch bereits der Bau der Nahwärmeleitung. Dieser gliedert sich in vier Bauabschnitte. Bis Ende Juni soll der Bereich Memelstraße/königsbergallee abgeschlossen sein. Im Juni/juli wird die Leitung in der Rollinstraße verlegt. Während den Sommerferien werden Zuleitungen im Pausenhof des Pestalozzi-gymnasiums verlegt. Ab September bis Ende Oktober wird die fehlende Verbindung im Bereich Adenauerallee/breslaustraße hergestellt. Dabei wird es immer wieder zu Sperrungen der einzelnen Straßen kommen.
Für das Gesamtkonzept des Ingenieurbüros Schuler aus Bietigheim-bissingen hat der Gemeinderat im September 2021 seine Zustimmung erteilt. Den Umbau der Energiezentrale Memelstraße mit dem Heizungsumbau durch die Firma Alois Müller (Memmingen) verantworten die Büros Fischer und JKLM (Biberach). Die Bauleitung für den Bau der Nahwärmeleitungen durch die Firma Grüner & Mühlschlegel Biberach, liegt bei den Ingenieurbüros Schuler und Daeges.
2023 soll das Netz in einem weiteren Bauabschnitt von der Rollinstraße über die Saudengasse, Danzigbrücke, Museumstraße und Sennhofgasse zur Heizzentrale auf dem Sennhofareal geführt werden. 2024/2025 werden die Leitungen von der Hindenburgstraße in die Karpfengasse geführt. Mit Fertigstellung des Netzes in diesem Bereich und der Inbetriebnahme der neuen Heizzentrale in der Breslaustraße kann ab der Heizperiode 2025/26 Wärme in großem Umfang in der westlichen Innenstadt angeboten werden. Die bereits bestehende Wärmeleitung in der Schulstraße ist von der Leistungsfähigkeit her zwar begrenzt, wird aber in 2023 zur Versorgung unter anderem der Braithschule in Betrieb genommen. Privatgebäude in diesem Bereich sollen von der Karpfengasse aus versorgt werden.
Noch nicht klar ist, wer der Betreiber des Nahwärmenetzes sein wird, denn die Stadt stellt nur die bauliche Infrastruktur bereit. Auf eine europaweite Ausschreibung seien mehrere Angebote eingegangen, sagt Kuhlmann. „Der Hauptausschuss entscheidet in seiner Sitzung am 4. Juli, wer der Betreiber sein wird.“Dieser kann dann mit einem konkreten Angebot in die Kundengewinnung einsteigen. Der Vertrag der Stadt mit dem Betreiber läuft zunächst 20 Jahre.
Neben den städtischen Gebäuden wird es sogenannte Ankerkunden geben, die mit Nahwärme beliefert werden. Dazu wird unter anderem das Landratsamt zählen. Logischerweise sollen aber auch möglichst viele Privatgebäude, die im Bereich des Leitungsnetzes liegen, an die Nahwärme angeschlossen werden. „Das ist gerade im Bereich der Altstadt derzeit die einzige Möglichkeit auf regenerative Energie umzustellen“, sagt der Baubürgermeister.
War das Interesse von privater Seite im vergangenen Sommer noch etwas verhalten, werde die Stadt seit Beginn des Ukrainekriegs von den Anfragen förmlich überrollt. „Viele wollen wissen, wann die Möglichkeit besteht, sich ans Nahwärmenetz anzuschließen“, so Kuhlmann. „Die jetzige Planung steht bis 2025, was danach kommt, steht noch in den Sternen.“
Die Idee sei, auch den Norden und den Westen der Kernstadt in ein Nahwärmenetz einzubinden. „Dazu braucht es aber weitere Heizzentralen und Leitungstrassen“, sagt der Baubürgermeister. Das sei planerisch kompliziert, weil sich gerade in der Altstadt bereits viele Leitungen unter den Straßen befänden.