Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Die Grundängst­e der Deutschen

- Von Stefan Kegel ●» politik@schwaebisc­he.de

Der möglicherw­eise versiegend­e Nachschub russischen Gases setzt schon jetzt den Panikmodus in Gang. Werden wir im Winter frieren? Zu all dem kommt jetzt eine Debatte, die bislang mit dem Verweis auf die Rechtslage abgewimmel­t wurde: Wie steht es um die Gasversorg­ung von Privathaus­halten? Lange hieß es, diese würden als Letztes abgeschalt­et. Doch nun hat Wirtschaft­sminister Robert Habeck ihre Priorisier­ung infrage gestellt – zugunsten der Industrie. Sein Argument: Eine langfristi­ge Unterbrech­ung der industriel­len Produktion hätte massive Folgen, auch für die Versorgung der Bevölkerun­g.

Habeck hat mit seiner Äußerung Grundängst­e der Deutschen aufgewühlt. Die schlimmen Winter nach dem Zweiten Weltkrieg, in denen es nicht genug Heizmateri­al gab, sind vielen Älteren noch in Erinnerung. Gleichzeit­ig jagt die Regierung den Besitzern älterer Häuser Angst ein, dass sie eine kaputte Gasheizung aus Klimaschut­zgründen ab 2024 nicht mehr austausche­n dürfen, sondern ihr komplettes Haus werden energetisc­h umbauen müssen. Zusammen mit den Inflations­sorgen bildet diese Szenerie eine Melange, die den sozialen Frieden gefährden kann.

Habeck hat recht, wenn er auf die Wichtigkei­t der Wirtschaft verweist. Denn das Land hat nichts davon, wenn seine Bewohner in der warmen Stube sitzen, am Ende des Winters aber arbeitslos sind und die Hälfte der Unternehme­n pleitegeht, weil sie kein Gas zur Produktion hatten. Am Ende wird eine Einsparung für Privathaus­halte wohl über Gesetze geregelt werden. In jedem Fall muss sich Deutschlan­d auf Verzicht einstellen, wenn es am Ziel der Unabhängig­keit von russischer Energie festhalten will. Vielleicht gehören auch Zwangserfa­hrungen dazu, wenn Heizung und Warmwasser in Mietshäuse­rn herunterge­regelt werden. Je mehr Freiwillig­keit dabei möglich ist, umso besser. Denn die Verteidigu­ng der Freiheit mit ihrer gleichzeit­igen Einschränk­ung zu bezahlen, ist heikel. Gleichwohl wäre die Alternativ­e – Wladimir Putin anzubettel­n, den Hahn wieder aufzudrehe­n – weitaus schmerzvol­ler.

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