Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Gazprom stellt Pipeline-betrieb infrage
Russischer Konzern zweifelt an Lieferung von Turbine – Debatte um Gas-priorisierung
(Afp/dpa) - Der russische Energiekonzern Gazprom hat den Weiterbetrieb der Pipeline Nord Stream 1 vor dem Hintergrund der Reparatur einer dafür notwendigen Turbine in Kanada infrage gestellt. Gazprom habe bislang keine schriftliche Bestätigung, dass die reparierte Turbine aus Kanada dem für die Installation verantwortlichen Unternehmen Siemens tatsächlich geliefert werde, hieß es am Mittwoch in einer Erklärung des russischen Konzerns. „Unter diesen Umständen“könne Gazprom den künftigen Betrieb der Leitung nicht garantieren. In Deutschland geht unterdessen die Debatte darüber weiter, wer bei einer Gasmangellage zuerst beliefert werden soll – die Industrie oder doch weiterhin, wie bis dato laut Eu-verordnung vorgesehen, die Privathaushalte. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte dies zuletzt zur Diskussion gestellt.
Unter Verweis auf die defekte Turbine hatte Russland die Gaslieferungen durch die Ostseepipeline bereits Mitte Juni stark gedrosselt. Die Turbine wurde daraufhin zur Reparatur in ein Siemens-werk in Kanada gebracht. Wegen kanadischer Sanktionen gegen Russland war zunächst nicht klar, ob die Rücksendung des inzwischen reparierten Gerätes möglich ist. Am Wochenende gab die Regierung in Ottawa jedoch grünes Licht für die Ausfuhr. „Gazprom verfügt über kein einziges Dokument, das es Siemens erlaubt, den Gasturbinenmotor, der derzeit in Kanada repariert wird, aus dem Land zu holen“, erklärte nun Gazprom.
Aufgrund der Wartungsarbeiten an der Pipeline und dem damit verbundenen Stopp der russischen Lieferungen ist die Einspeicherung von Gas in Deutschland derweil fast zum Erliegen gekommen. Aktuell werde zwar netto noch weiter Gas eingespeichert, sagte ein Sprecher der
Bundesnetzagentur am Mittwoch. „Aber das bewegt sich auf ganz niedrigem Niveau.“Vom Ziel, die Gasspeicher bis zum 1. Oktober zu 80 Prozent und bis zum 1. November zu 90 Prozent zu füllen, sei Deutschland noch weit entfernt.
Habecks Vorstoß in Sachen Gaspriorisierung löste derweil Widerspruch bei Spd-chefin Saskia Esken aus. Sie betonte den Vorrang von Privathaushalten vor der Industrie. „Privathaushalte und systemrelevante Einrichtungen müssen in einer Gasmangellage ganz klar eine Priorität haben“, sagte sie der „Rheinischen Post“.