Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

„Es wird wild“

Ex-us-präsident Trump soll versucht haben, die Untersuchu­ngen zum Sturm auf den Kongress zu behindern

- Von Thomas J. Spang

- Die öffentlich­en Anhörungen zu dem versuchten Coup am 6. Januar gehen dem Expräsiden­ten unter die Haut. So sehr, dass er nach Darstellun­g der republikan­ischen Co-vorsitzend­en des Untersuchu­ngskomitee­s, Liz Cheney, versuchte, den Auftritt eines Zeugen bei der letzten Sitzung am kommenden Donnerstag zu verhindern. Die Republikan­erin ließ offen, wer kommende Woche auftreten wird, wenn das Komitee ein Ausrufezei­chen hinter die Ergebnisse seiner Ermittlung­en setzen will.

Analysten glauben, dass die vierstündi­ge Präsentati­on vom Dienstag nur noch schwer zu übertreffe­n sein wird. Darin hatte das Komitee eine erdrückend­e Menge an Indizien vorgestell­t, die belegen, dass der Sturm auf den Kongress nicht das Ergebnis eines außer Kontrolle geratenen Protests, sondern von langer Hand geplant war. Trumps ehemaliger Wahlkampfc­hef Brad Parscale macht sich in einer internen Textnachri­cht an die Präsidente­n-beraterin Katrina Pierson Vorwürfe über die Eskalation der Gewalt am 6. Januar. „Ein amtierende­r Präsident ruft zum Bürgerkrie­g auf“, empört sich Parscale in der SMS. „Ich fühle mich schuldig, ihm ins Amt verholfen zu haben.“Pierson bietet ihm eine Ausrede an. Trumps Rhetorik habe mit den Toten und Verletzten nichts zu tun. „Katrina, ja, daran lag es.“

Das Komitee zeigte in seiner siebten Sitzung im Detail, wie Trumps

Worte zu Taten wurden. Dafür nahmen die Ermittler die Zuschauer zurück zum 14. Dezember 2020, als die Wahlleute in allen 50 Bundesstaa­ten Joe Biden zum Sieger der Wahlen erklärt hatten. In einer aus den Interviews mit vorgeladen­en Zeugen zusammenge­stellten Collage sagt einer nach dem anderen aus, sie hätten versucht, Trump beizubring­en, dass es keinen Wahlbetrug gab und er verloren hatte. Der Reigen reicht von Justizmini­ster William Barr über Arbeitsmin­ister Eugene Scalia, Sprecherin Kayleigh Mcenany, Tochter Ivanka bis hin zum Justiziar des Weißen Hauses Pat Cipollone.

Dem gegenüber stand „Team Crazy“um Trumps Privatanwä­lte Rudi Giuliani und Sidney Powell, die sich am 18. Dezember im Oval Office einfanden. Laut Zeugenauss­agen ging es bei dem Treffen hoch her. Neben den beiden Hausanwält­en hatten sich der ehemalige nationale Sicherheit­sberater Michael Flynn und der Geschäftsm­ann Patrick Byrne eingefunde­n. Diese versuchten Trump den Plan zu verkaufen, Wahlautoma­ten durch das Militär beschlagna­hmen zu lassen, einen Sonderbeau­ftragten zu benennen und Personen anzuklagen. Justiziar Cipollone, dessen Stellvertr­eter Eric Herschmann und der Sekretär im Weißen Haus Derek Lyons brüllten sich mit Trumps Vertrauten so laut an, dass dies außerhalb des Oval Office zu hören war. Das sechsstünd­ige Treffen sei selbst nach den Standards Trumps „verrückt“gewesen.

Es habe sich bis in die Nacht hingezogen und sich in die Privatgemä­cher verlagert. In derselben Nacht verschickt­e Trump um 1.42 Uhr seinen berüchtigt­en Tweet, in dem er zu einer Demonstrat­ion in Washington am 6. Januar aufrief. „Es wird wild“, kündigte er an.

Stephen Ayres fühlte sich angesproch­en. „Ich dachte, da muss ich dabei sein“, erzählt der „Super-fan“aus Ohio reumütig dem Komitee, was ihn motiviert hatte, an dem Aufstand teilzunehm­en. Er habe seine Weisungen vom Ex-präsidente­n empfangen. „Ich hatte Scheuklapp­en auf.“Als einer von 900 Angeklagte­n erwartet er im September das Urteil wegen seiner Teilnahme an dem Sturm auf den Us-kongress.

Das Komitee präsentier­te den Entwurf eines Tweets des Präsidente­n, der belegt, dass der Sturm auf den Kongress geplant war. Darauf lassen auch die Aufrufe von Aktivisten wie Ali Alexander, Alex Jones oder Tim Pool im Vorfeld des 6. Januar keinen Zweifel. Nach einem Telefonat mit Trump am Vorabend des Coups sagte dessen früherer Chefstrate­ge Steve Bannon kurz darauf in seinem Podcast, in Washington werde „die Hölle los sein“.

Die Koordinier­ung mit den Rechtsextr­emen Proud Boys und Oath Keepers fiel nach Erkenntnis­sen des Komitees Trump-intimus Roger Stone zu. Auch die verstanden genau, was Trump mit „Es wird wild“meinte. Laut Komitee gab es Vorbereitu­ngen auf die gewaltsame „Erstürmung des Kapitols“.

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FOTO: DOUG MILLS/IMAGO War der Kapitolsst­urm von langer Hand geplant? Ein Bild von Ex-präsident Donald Trump wird während der Anhörung des Untersuchu­ngskomitee­s in Washington gezeigt.

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