Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
„Es wird wild“
Ex-us-präsident Trump soll versucht haben, die Untersuchungen zum Sturm auf den Kongress zu behindern
- Die öffentlichen Anhörungen zu dem versuchten Coup am 6. Januar gehen dem Expräsidenten unter die Haut. So sehr, dass er nach Darstellung der republikanischen Co-vorsitzenden des Untersuchungskomitees, Liz Cheney, versuchte, den Auftritt eines Zeugen bei der letzten Sitzung am kommenden Donnerstag zu verhindern. Die Republikanerin ließ offen, wer kommende Woche auftreten wird, wenn das Komitee ein Ausrufezeichen hinter die Ergebnisse seiner Ermittlungen setzen will.
Analysten glauben, dass die vierstündige Präsentation vom Dienstag nur noch schwer zu übertreffen sein wird. Darin hatte das Komitee eine erdrückende Menge an Indizien vorgestellt, die belegen, dass der Sturm auf den Kongress nicht das Ergebnis eines außer Kontrolle geratenen Protests, sondern von langer Hand geplant war. Trumps ehemaliger Wahlkampfchef Brad Parscale macht sich in einer internen Textnachricht an die Präsidenten-beraterin Katrina Pierson Vorwürfe über die Eskalation der Gewalt am 6. Januar. „Ein amtierender Präsident ruft zum Bürgerkrieg auf“, empört sich Parscale in der SMS. „Ich fühle mich schuldig, ihm ins Amt verholfen zu haben.“Pierson bietet ihm eine Ausrede an. Trumps Rhetorik habe mit den Toten und Verletzten nichts zu tun. „Katrina, ja, daran lag es.“
Das Komitee zeigte in seiner siebten Sitzung im Detail, wie Trumps
Worte zu Taten wurden. Dafür nahmen die Ermittler die Zuschauer zurück zum 14. Dezember 2020, als die Wahlleute in allen 50 Bundesstaaten Joe Biden zum Sieger der Wahlen erklärt hatten. In einer aus den Interviews mit vorgeladenen Zeugen zusammengestellten Collage sagt einer nach dem anderen aus, sie hätten versucht, Trump beizubringen, dass es keinen Wahlbetrug gab und er verloren hatte. Der Reigen reicht von Justizminister William Barr über Arbeitsminister Eugene Scalia, Sprecherin Kayleigh Mcenany, Tochter Ivanka bis hin zum Justiziar des Weißen Hauses Pat Cipollone.
Dem gegenüber stand „Team Crazy“um Trumps Privatanwälte Rudi Giuliani und Sidney Powell, die sich am 18. Dezember im Oval Office einfanden. Laut Zeugenaussagen ging es bei dem Treffen hoch her. Neben den beiden Hausanwälten hatten sich der ehemalige nationale Sicherheitsberater Michael Flynn und der Geschäftsmann Patrick Byrne eingefunden. Diese versuchten Trump den Plan zu verkaufen, Wahlautomaten durch das Militär beschlagnahmen zu lassen, einen Sonderbeauftragten zu benennen und Personen anzuklagen. Justiziar Cipollone, dessen Stellvertreter Eric Herschmann und der Sekretär im Weißen Haus Derek Lyons brüllten sich mit Trumps Vertrauten so laut an, dass dies außerhalb des Oval Office zu hören war. Das sechsstündige Treffen sei selbst nach den Standards Trumps „verrückt“gewesen.
Es habe sich bis in die Nacht hingezogen und sich in die Privatgemächer verlagert. In derselben Nacht verschickte Trump um 1.42 Uhr seinen berüchtigten Tweet, in dem er zu einer Demonstration in Washington am 6. Januar aufrief. „Es wird wild“, kündigte er an.
Stephen Ayres fühlte sich angesprochen. „Ich dachte, da muss ich dabei sein“, erzählt der „Super-fan“aus Ohio reumütig dem Komitee, was ihn motiviert hatte, an dem Aufstand teilzunehmen. Er habe seine Weisungen vom Ex-präsidenten empfangen. „Ich hatte Scheuklappen auf.“Als einer von 900 Angeklagten erwartet er im September das Urteil wegen seiner Teilnahme an dem Sturm auf den Us-kongress.
Das Komitee präsentierte den Entwurf eines Tweets des Präsidenten, der belegt, dass der Sturm auf den Kongress geplant war. Darauf lassen auch die Aufrufe von Aktivisten wie Ali Alexander, Alex Jones oder Tim Pool im Vorfeld des 6. Januar keinen Zweifel. Nach einem Telefonat mit Trump am Vorabend des Coups sagte dessen früherer Chefstratege Steve Bannon kurz darauf in seinem Podcast, in Washington werde „die Hölle los sein“.
Die Koordinierung mit den Rechtsextremen Proud Boys und Oath Keepers fiel nach Erkenntnissen des Komitees Trump-intimus Roger Stone zu. Auch die verstanden genau, was Trump mit „Es wird wild“meinte. Laut Komitee gab es Vorbereitungen auf die gewaltsame „Erstürmung des Kapitols“.