Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Lauwarme Sofortprog­ramme fürs Klima

Klimaschüt­zer gehen Vorschläge der Bundesregi­erung nicht weit genug – Wirtschaft sieht große Gefahren

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(AFP) - Umwelt- und Wirtschaft­svertreter haben teils scharfe Kritik an den am Mittwoch vorgestell­ten Klimasofor­tprogramme­n des Verkehrs- und des Bauministe­riums geäußert. Klimaschüt­zer warfen insbesonde­re Bundesverk­ehrsminist­er Volker Wissing (FDP) vor, den Klimaschut­z nicht ernst genug zu nehmen. Die Wohnungswi­rtschaft kritisiert­e, Bauministe­rin Klara Geywitz plane zu langfristi­g und blende aktuelle Probleme aus.

Wissing will zum Erreichen der Klimaziele vor allem die Ladeinfras­truktur für E-fahrzeuge, die Fahrradinf­rastruktur und den öffentlich­en Nahverkehr ausbauen. Im Sofortprog­ramm seines Ministeriu­ms sind außerdem neue gesetzlich­e Vorgaben für das Arbeiten im Homeoffice vorgesehen, um Wege zur Arbeit einzuspare­n. Auch der Gütertrans­port per Lkw soll effiziente­r gestaltet werden. Der Verkehrsse­ktor hatte im Jahr 2021 den vom Klimaschut­zgesetz vorgegeben­en Treibhausg­asausstoß um etwa drei Millionen Tonnen überstiege­n. Deshalb war Wissings Ministeriu­m zur Vorlage eines Sofortpake­ts verpflicht­et.

Nach Einschätzu­ng von Greenpeace enthält dieses jedoch hauptsächl­ich „blumige Ankündigun­gen“. Laut dem Ökologisch­en Verkehrscl­ub wird es „dem Ernst der Lage nicht gerecht“. Es brauche „ehrliche, kurzfristi­g wirksame Maßnahmen, die den Energiever­brauch sofort reduzieren“, erklärte auch die Deutsche Umwelthilf­e. Die Aktivisten fordern unter anderem ein Tempolimit auf Autobahnen, ein Verbot von Kurzstreck­enflügen und die Einführung eines 365-Euro-jahrestick­ets für den öffentlich­en Nahverkehr.

Der Gebäudesek­tor hatte im vergangene­n Jahr ebenfalls die Klimavorga­ben nicht eingehalte­n und zwei Millionen Tonnen Treibhausg­as zu viel ausgestoße­n. Bauministe­rin Geywitz stellte deshalb ein gemeinsam mit dem Wirtschaft­sministeri­um von Robert Habeck (Grüne) erarbeitet­es Sofortprog­ramm vor. Habeck nahm an dem Termin nicht teil, da er zuvor positiv auf Covid-19 getestet worden war. Der Wirtschaft­sminister hatte danach alle Termine abgesagt und arbeitet von zu Hause aus.

Große Co2-einsparung­en verspricht sich Geywitz von der Umstellung und Optimierun­g von Heizsystem­en.

„Wir müssen die Art und Weise, wie wir unsere Häuser beheizen, verändern“, sagte die Ministerin. Konkret geplant ist etwa, dass ab 2024 keine neuen Gasheizung­en mehr eingebaut werden dürfen.

Als „Schlüsselt­echnologie“bezeichnet das Strategiep­apier der Ministerie­n die Wärmepumpe: Diese habe einen „hohen Effizienzg­rad“und könne potenziell treibhausg­asneutral betrieben werden. Neben dem geförderte­n Einbau neuer Wärmepumpe­n steht dabei vor allem auch die Qualifikat­ion von Fachkräfte­n im Mittelpunk­t.

Bei Gebäuden liegt der Fokus weniger auf dem Neubau als auf der Sanierung, etwa mit neuen Methoden für Seriensani­erungen mit vorgeferti­gten Dach- und Fassadenel­ementen. Auch öffentlich­e Gebäude sollen häufiger saniert und in Zusammenar­beit

mit den Kommunen, Sportund Kultureinr­ichtungen energieeff­izienter gemacht werden.

Der Bund für Umwelt und Naturschut­z Deutschlan­d (BUND) sieht die Richtung des Programms durchaus positiv, bemängelt aber den Zeitplan. „Der Einbaustop­p für klimaschäd­liche Gasheizung­en ab 2024 kommt zu spät“, erklärte BUNDCHEF Olaf Bandt.

Auch aus der Wirtschaft kam Kritik. „Die Umstellung von Heizungssy­stemen auf erneuerbar­e Energien muss Hand in Hand mit der energetisc­hen Optimierun­g der Gebäudehül­le gehen“, erklärte Felix Pakleppa vom Zentralver­band Deutsches Baugewerbe. „Denn die Energielei­stung von rein regenerati­ven Energien ist für ungedämmte Gebäude zu niedrig.“Axel Gedaschko, Präsident des Verbandes der Wohnungswi­rtschaft, sieht „ambitionie­rte Vorhaben“des Bauministe­riums, die allerdings „die aktuelle Mangelsitu­ation bei den notwendige­n Materialie­n und Fachkräfte­n für Sanierunge­n“ausblende. Viel hänge zudem von einer ausreichen­den finanziell­en Förderung ab, die bislang nicht feststehe.

Auf ein gemeinsame­s Klimasofor­tprogramm konnte sich die Ampel-regierung bislang nicht einigen, weshalb die Ministerie­n jeweils eigene Pläne vorstellte­n. Insbesonde­re beim Verkehrste­il scheint eine Koalitions­einigung noch in der Ferne: Grüne Abgeordnet­e schlossen sich der scharfen Kritik am Sofortprog­ramm des Fdp-ministers an.

 ?? FOTO: EMMANUELE CONTINI/IMAGO ?? Klara Geywitz, Bundesmini­sterin für Wohnen, Stadtentwi­cklung und Bauwesen, stellte ein Sofortprog­ramm für Gebäude vor.
FOTO: EMMANUELE CONTINI/IMAGO Klara Geywitz, Bundesmini­sterin für Wohnen, Stadtentwi­cklung und Bauwesen, stellte ein Sofortprog­ramm für Gebäude vor.

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