Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
FDP will Atom-gipfel
Ampel debattiert über weitere Nutzung der Kernkraft
(dpa) - Die FDP bleibt trotz des Neins der Koalitionspartner SPD und Grüne bei der Forderung, über eine Verlängerung der Laufzeiten der drei verbliebenen deutschen Atomkraftwerke zu sprechen. Fraktionsgeschäftsführer Johannes Vogel forderte von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) eine ernsthafte technische Prüfung. „Wir sind in der schwersten Energiekrise seit Jahrzehnten und wir wollen mutwillig aus eigener Entscheidung sichere und klimaneutrale Kraftwerke vom Netz nehmen. Das ist absurd“, sagte Vogel.
Spd-fraktionschef Rolf Mützenich wies die Forderung zurück. „Ich hoffe, dass alle, die sich an dieser Debatte beteiligen, sich wirklich schlau gemacht haben“, sagte er der Deutschen Presse-agentur. Seit über zehn Jahre bereiteten sich die Betreiber auf die Abschaltung vor. Entsprechend seien keine Brennstäbe vorhanden, die Genehmigungen liefen aus und qualifiziertes Personal sei nicht mehr da oder verlasse die Unternehmen. Zudem wären umfangreiche Sicherheitsüberprüfungen fällig. „Mein Kenntnisstand aus dem Wirtschaftsministerium ist, dass eine Verlängerung der Laufzeiten für die drei noch verbliebenen Atomkraftwerke die Herausforderungen, die wir zurzeit sehen, nicht beantworten würde.“Der wartungsbedingte Lieferstopp über die Ostseepipeline
Nord Stream 1 und die Befürchtung, dass Russland den Gashahn zulassen könnte, hat die Diskussion über die drei AKW neu entfacht. Sie sollen Ende des Jahres abgeschaltet werden. Auch Unionspolitiker fordern wegen eines drohenden Gasmangels seit Längerem einen weiteren Betrieb der Atomkraftwerke Isar 2, Emsland und Neckarwestheim 2. Habeck und Umweltministerin Steffi Lemke (ebenfalls Grüne) hatten in einem Prüfvermerk im März von längeren Laufzeiten abgeraten. Einem kleinen Beitrag zur Energieversorgung stünden große wirtschaftliche, rechtliche und sicherheitstechnische Risiken entgegen. Eine Verlängerung der Laufzeiten brächte im kommenden Winter keine zusätzlichen Strommengen, sondern frühestens im Herbst 2023 nach erneuter Befüllung mit neuen Brennstäben. Die drei AKW erbringen rund fünf Prozent der deutschen Stromproduktion.
Vogel forderte von Habeck eine Bestandsaufnahme, was die Verfügbarkeit von Brennstäben für einen Weiterbetrieb angeht. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) hält hingegen nichts von längeren Laufzeiten. „Für die Energiewirtschaft in Deutschland ist klar: Der Ausstieg aus der Stromerzeugung aus Atomkraft ist beschlossen. Niemand in der Energiewirtschaft möchte in diese risikobehaftete und teure Technologie zurück“, sagte Hauptgeschäftsführerin Kerstin Andreae.