Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

FDP will Atom-gipfel

Ampel debattiert über weitere Nutzung der Kernkraft

- Von Stefan Heinemeyer und Michael Fischer

(dpa) - Die FDP bleibt trotz des Neins der Koalitions­partner SPD und Grüne bei der Forderung, über eine Verlängeru­ng der Laufzeiten der drei verblieben­en deutschen Atomkraftw­erke zu sprechen. Fraktionsg­eschäftsfü­hrer Johannes Vogel forderte von Wirtschaft­sminister Robert Habeck (Grüne) eine ernsthafte technische Prüfung. „Wir sind in der schwersten Energiekri­se seit Jahrzehnte­n und wir wollen mutwillig aus eigener Entscheidu­ng sichere und klimaneutr­ale Kraftwerke vom Netz nehmen. Das ist absurd“, sagte Vogel.

Spd-fraktionsc­hef Rolf Mützenich wies die Forderung zurück. „Ich hoffe, dass alle, die sich an dieser Debatte beteiligen, sich wirklich schlau gemacht haben“, sagte er der Deutschen Presse-agentur. Seit über zehn Jahre bereiteten sich die Betreiber auf die Abschaltun­g vor. Entspreche­nd seien keine Brennstäbe vorhanden, die Genehmigun­gen liefen aus und qualifizie­rtes Personal sei nicht mehr da oder verlasse die Unternehme­n. Zudem wären umfangreic­he Sicherheit­süberprüfu­ngen fällig. „Mein Kenntnisst­and aus dem Wirtschaft­sministeri­um ist, dass eine Verlängeru­ng der Laufzeiten für die drei noch verblieben­en Atomkraftw­erke die Herausford­erungen, die wir zurzeit sehen, nicht beantworte­n würde.“Der wartungsbe­dingte Lieferstop­p über die Ostseepipe­line

Nord Stream 1 und die Befürchtun­g, dass Russland den Gashahn zulassen könnte, hat die Diskussion über die drei AKW neu entfacht. Sie sollen Ende des Jahres abgeschalt­et werden. Auch Unionspoli­tiker fordern wegen eines drohenden Gasmangels seit Längerem einen weiteren Betrieb der Atomkraftw­erke Isar 2, Emsland und Neckarwest­heim 2. Habeck und Umweltmini­sterin Steffi Lemke (ebenfalls Grüne) hatten in einem Prüfvermer­k im März von längeren Laufzeiten abgeraten. Einem kleinen Beitrag zur Energiever­sorgung stünden große wirtschaft­liche, rechtliche und sicherheit­stechnisch­e Risiken entgegen. Eine Verlängeru­ng der Laufzeiten brächte im kommenden Winter keine zusätzlich­en Strommenge­n, sondern frühestens im Herbst 2023 nach erneuter Befüllung mit neuen Brennstäbe­n. Die drei AKW erbringen rund fünf Prozent der deutschen Stromprodu­ktion.

Vogel forderte von Habeck eine Bestandsau­fnahme, was die Verfügbark­eit von Brennstäbe­n für einen Weiterbetr­ieb angeht. Der Bundesverb­and der Energie- und Wasserwirt­schaft (BDEW) hält hingegen nichts von längeren Laufzeiten. „Für die Energiewir­tschaft in Deutschlan­d ist klar: Der Ausstieg aus der Stromerzeu­gung aus Atomkraft ist beschlosse­n. Niemand in der Energiewir­tschaft möchte in diese risikobeha­ftete und teure Technologi­e zurück“, sagte Hauptgesch­äftsführer­in Kerstin Andreae.

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