Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Fehlender Platz in Kindergärten sorgt für Unmut
Wangener Rat diskutiert lebhaft über städtische Planung – Am Ende gibt es ein klares und ein knappes Votum
- Teilweise lange Wartelisten und vermeintlich unklare Vergabekriterien: Die Stimmung in Sachen Kindergartenplätze könnte derzeit in Wangen wahrlich besser sein. Das wurde auch in der jüngsten Sitzung des Gemeinderats deutlich, als Eltern ihren Unmut kundtaten und aus den Fraktionen kritische Fragen gestellt wurden. Ins Bild passte, dass es bei der vorgeschlagenen Gebührenerhöhung ein gespaltenes Meinungsbild gab.
Wie sehen Eltern die aktuelle Situation in den Kindergärten?
Zumindest in manchen Bereichen wenig positiv, wenn man die Darstellung von Michaela Nell in der Bürgerfragestunde zu Beginn der Sitzung als Maßstab nimmt. Die Gesamtelternbeiratsvorsitzende sprach von zwölf Eltern, die allein in Primisweiler keinen Kindergartenplatz finden, auch in der Umgebung reichten die Plätze nicht aus. „Was wird für diese Eltern vonseiten der Stadt gemacht?“, fragte Nell in Richtung Verwaltung. Sie machte dabei auch auf die Probleme für manche Erziehungsberechtigte aufmerksam, die das Fahren zu einer Einrichtung in einem anderen Ort mit sich bringe. Außerdem haderte sie mit vermeintlich unklaren Vergaberichtlinien, die unterschiedlich und nicht klar kommuniziert würden. Damit war der Ton für den darauffolgenden Tagesordnungspunkt, die sogenannte Kindergartenbedarfsplanung, gesetzt.
Welche Zahlen zur Kinderbetreuung nennt die Stadt?
Für das laufende Kindergartenjahr nannte Andrea Feuerstein vom Fachbereich Jugend, Schulen und Familie bei vier Jahrgängen und einer Auslastung von 98 Prozent einen rechnerischen Bedarf von 1061 Kitaplätzen. Demgegenüber stehe eine Kapazität in der Regelbelegung von 976 und eine tatsächliche Belegung (im März 2022) von nur 951 Plätzen. Dennoch bleibe es nicht aus, dass Eltern ein Kindergartenplatz in einem anderen Stadtteil angeboten werden muss. Feuerstein sprach von 13 Kindern, die derzeit in Primisweiler auf der Warteliste stehen, von fünf freien Plätzen im Nachbarort Haslach und von zusätzlichen Plätzen, die in Neuravensburg entstehen würden. Außerdem sind aktuell sieben Kindern auf der Warteliste in Leupolz, die jedoch alle innerhalb eines halben Jahres dort aufgenommen werden könnten.
Wegen zuletzt starker Geburtenjahrgänge, weil Kinder immer früher in einer Kita betreut werden und wegen des vorverlegten Einschulungsstichtags (und damit einer längeren Verweildauer im Kindergarten) erhöht die Stadt für das Kindergartenjahr 2022/23 ihre Kapazität im kommenden Herbst um insgesamt 44 Plätze. Diese entstehen durch die beiden neuen Krippengruppen im Alten Spital und in der Neuravensburger Kita Bienenstock, durch den daraus resultierenden Wegfall von altersgemischten Plätzen und durch die neue Ü3-naturgruppe Sonnenhof (Neuravensburg). Die Differenz zum rechnerisch ermittelten Bedarf (1064) betrage laut Feuerstein so nur noch 44 Plätze. Die Zahl der Betreuungsplätze für unter Dreijährige steige um 20 auf 227, was einem Versorgungsgrad von 23 Prozent entspreche.
Wie bewertet der Rat die Platzsituation und Vergaberegeln?
Die FDP reagierte mit einem eigenen Antrag auf die Klagen der Eltern. Sprecher Klaus Schliz sprach von anscheinend nicht transparenten Vergabekriterien für Kindergartenplätze, die innerhalb der Verwaltung nicht konsequent Anwendung fänden – und nannte dazu Beispiele aus den vergangenen Wochen, die bei Betroffenen für Kopfschütteln gesorgt hätten. Schliz verlangte deshalb Auskunft über die Kriterien, welchen Handlungsspielraum es gebe, und wer verbindlich darüber entscheidet oder Auskunft erteilt. Fehlende Transparenz oder schwammig formulierte Vergabekriterien könnten, so der Fdp-stadtrat, den Eindruck erwecken, „dass bei der Vergabe Willkür herrscht“.
Hannah Rogosch (GOL) begrüßte den Ausbau der Platzkapazität, konnte jedoch nicht nachvollziehen, warum Einjährige bei der städtischen Planung nicht berücksichtigt werden. Zahlen allein würden bei der Planung nicht reichen, man brauche hier neue Ansätze, so Rogosch: „Wir hinken regelmäßig hinterher, brauchen einen größeren Puffer und eine bessere Planbarkeit für Familien.“Der Bedarf sei massiver als man darstellen könne, das Ausweichen auf andere Stadtbezirke für Familien logistisch schwer machbar. Die vorgeschlagene Gebührenerhöhung könne man den Eltern „in diesem Jahr nicht zumuten“.
Für Ursula Loss (Freie Wähler) führt der Verwaltungsvorschlag zur Erhöhung der Platzkapazität „deutlich vor Augen, wie schwierig die Umsetzung des Rechtsanspruchs ist“. Angesichts der „langen Warteliste“und des „großen Unmuts“müsse man „mittelfristig dringend Plätze im Ü3und U3-bereich schaffen“. Loss regte dieses Thema auch für die nächste Klausur des Rats an, denn: „Die nächste Lawine rollt auf Wangen wegen des Rechtsanspruchs auf Betreuung in der Grundschule ab 2026 schon zu.“Fraktionskollege Hermann Schad wunderte sich über die spürbare Unzufriedenheit, wo doch innerhalb von zwei Jahren die Zahl der Kinder um rund 17 Prozent zugenommen habe und man dem Bedarf so schnell nicht gerecht werden könne. Er wunderte sich auch über die „Unflexibilität“in den Einrichtungen, die durch die Vorgaben des Kommunalverbands beispielsweise bei Gruppengrößen „geknebelt“seien.
Man solle nicht nur die Kostenseite betrachten, um dem Rechtsanspruch gerecht zu werden, forderte Alwin Burth (SPD). Die im Vergleich zu Kreis und Land geringere U3-betreuungsquote spricht für ihn Bände. Viele Fachkräfte hätten nicht die Chance, in der Kinderbetreuung tätig zu sein, weil sie ihre eigenen Kinder nicht betreut bekämen. Die zwar moderate Erhöhung der Elternbeiträge sah Burth wegen der derzeit hohen Inflation als „Belastung“. Die Forderung der Fraktion nach einem kostenfreien Kita-jahr hielt er aufrecht, das erhöhe die Attraktivität einer Stadt.
Mit „die Luft wird dünn“begann Roswitha Geyer-fäßler ihren Beitrag, nachdem die Freude über die Geburt des Kindes aufhöre, sobald es in den Kindergarten gehe. Die Cdu-rätin wollte hier aber den Eltern die Verantwortung für den eigenen Nachwuchs „auch nicht ganz absprechen“. Geyer-fäßler regte zudem an, Gespräche über den Erhalt des Ebnetkindergartens zu führen, der nach den Plänen der Stadt mit der Eröffnung der neuen Kita in den Auwiesen im Jahr 2025 geschlossen werden soll. Cdu-fraktionssprecher Mathias Bernhard wollte die Ü3- und U3-plätze nicht, wie in der Sitzungsvorlage erwähnt, mittelfristig, sondern kurzfristig schaffen.
Wie reagiert die Stadt auf Kritik und Vorschläge?
Beim Kindergartenplatzbedarf verwies OB Michael Lang grundsätzlich auf die Knappheit der Ressourcen, räumlich wie personell. Woanders würden Gruppen oder ganze Kindergärten geschlossen, weil Personal fehle. In Wangen sei man davon zwar noch nicht betroffen, trotzdem erteilte Lang einem längeren Betrieb des Ebnet-kindergartens eine Absage. Das Gebäude habe seine Lebensdauer überschritten. Und: „Wir brauchen das Personal für die neue Auwiesen-kita.“Weiter sprach der Rathauschef von „Schwankungen in der Auslastung“und dem Bedarf, „Möglichkeiten auszuloten, wie man improvisieren kann“. „Wir schauen, dass alle Einrichtungen gut ausgelastet sind“, so Lang. „Die Folge kann sein, dass Eltern fahren müssen.“Die Gesamtzahl der Plätze kriege man hin, das Problem sei das der kurzen Wege. Und weiter: „Anpassungen gelingen leider nur zeitverzögert.“
Die Vergabekriterien mit – in dieser Reihenfolge – Geschwisterkind, Wohnort der Familie und Alter des Kindes seien bei allen Trägern analog, wie Andrea Feuerstein präzisierte. Eine Entscheidung werde nicht willkürlich, sondern nach festen Vorgaben getroffen. Die Anmerkung von Doris Zodel, dass bei den Kriterien der Faktor „Alleinerziehend“fehle, nahm Feuerstein auf und will dies „mit den anderen Trägern besprechen“. Zodels Vorschlag, den in Modulbauweise errichteten Kindergarten Primisweiler kurzfristig zu erweitern, sah Michael Lang kritisch: Dies dauere mindestens ein Jahr und fraglich sei, ob man die Vergrößerung dauerhaft brauche.
Wie fiel die Entscheidung zur Gebührenerhöhung?
Nachdem das Votum zum Kindergartenbedarfsplan mit den neuen Kapazitäten und überplanmäßigen Ausgaben von 185 000 Euro einmütig ausfiel, zeigte sich der Gemeinderat bei der geplanten Erhöhung der Elternbeiträge gespalten. Für die Betreuung im Hort und im Rahmen der verlässlichen Grundschule hatte die Verwaltung eine Steigerung von drei Prozent vorgeschlagen. Bei den Krippen und Kindergärten sollen die Gebühren um 3,9 Prozent steigen – was der Empfehlung der Kirchen und kommunalen Landesverbände entspricht. Mit 17 Stimmen, vor allem von CDU und Freien Wählern gegenüber 13 Stimmen zumeist aus dem Lager von GOL und SPD, ging der städtische Vorschlag mehrheitlich knapp durch.