Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Der fünfte Anlauf

Beim Hamburger SV ist der Frust über den verpassten Aufstieg verflogen – Traditions­club will Platzhirsc­h sein

- Von Franko Koitzsch und Thomas Prüfer

(dpa) - Schalke weg, Werder weg – wer also soll den Hamburger SV auf seinem Weg zurück in die Bundesliga stoppen? Auf dem Papier ist vor dem Start der 2. Fußball-bundesliga am Wochenende alles klar. Nach vier Jahren Unterhaus hat der Dauer-aufstiegsk­andidat diesmal gute Aussichten. Außerdem: Dreimal Vierter, zuletzt Dritter – der Trend der Hamburger macht den erfolgshun­grigen Fans Mut.

Wenn doch alles so einfach wäre, sagt Trainer Tim Walter und findet einen prominente­n Fürspreche­r. „Ball flach halten. Gegen Braunschwe­ig sieht das ein bisschen anders aus“, prophezeit Hsv-kultfan „Helm-peter“den Profis einen zähen Auftakt am Sonntag. „Da werden wir wieder diese Arie sehen: Zehn Mann hinten drin und vorne hilft der liebe Gott Braunschwe­ig.“

Der 76-Jährige macht den Profis auf seinem Facebook- und Youtubekan­al aber auch Mut. „Das sah nach Fußball aus“, lobt er die Mannschaft nach dem 5:1 im letzten Testspiel der

Vorbereitu­ng beim Schweizer Vizemeiste­r FC Basel und präsentier­t stolz sein nagelneues T-shirt mit dem Aufdruck: „Zurück in die 1. Liga.“

Walters zweites Jahr beim HSV – erstmals in seiner Trainerkar­riere ist ihm das bei einem Proficlub gelungen – soll die Vollendung des offensiven und aggressive­n Ballbesitz-fußballs bringen. „Zum ersten Mal nach längerer Zeit können wir in eine zweite Saison gehen, wo wir wissen, was wir machen, da wir die Idee kennen“, sagt Kapitän Sebastian Schonlau. Vor einem Jahr hatte der Innenverte­idiger gestöhnt, weil er zwei

Wochen brauchte, um im neuen Walter-system hinten und vorne zu unterschei­den. Diesmal reichte die kürzeste Saisonvorb­ereitung seit 2005 für ein neues Level.

Anders als zuletzt geht der Verein diesmal mit seinen Ambitionen um. „Ganz klar, dass wir die Herausford­erung Aufstieg annehmen“, sagt Sportvorst­and Jonas Boldt und gesteht: „Wir wollen aus dieser Liga raus!“

Klare Kante in der Ansage wird vermutlich aber nicht reichen. „Die beste 2. Liga aller Zeiten“, wie die Vorsaison hofiert wurde, ist nach dem Abgang von Schalke und Werder auf Normalmaß gestutzt worden. Spannend wie in der vergangene­n Spielzeit kann es dennoch werden. Die Teams 1. FC Nürnberg, Hannover 96, Darmstadt 98, Fortuna Düsseldorf, Greuther Fürth, Arminia Bielefeld, 1. FC Heidenheim und SC Paderborn sind auch gut für den Aufstieg.

Nächster Vorteil HSV: Der Kern der Truppe ist beisammeng­eblieben. Der Abgang der Talente Josha Vagnoman (VFB Stuttgart) und Faride Alidou (Eintracht Frankfurt) schmerzt zwar. Von den Neuen wie Laszlo Benes, mit 1,5 Millionen Euro bislang teuerster Zweitliga-transfer, Ransfod Königsdörf­er (1,2) und Filip Bilbija (ablösefrei) verspricht sich der Club aber einiges.

Unklar ist aber, wie sich das Hauen und Stechen in der Führungset­age auswirkt. Da kann der eine nicht mit dem anderen. Sportvorst­and Boldt hat Sportchef Michael Mutzel degradiert. Transfers ausführen darf er noch, mit dem Team und der Öffentlich­keit reden darf er nicht mehr. „Wenn ich das in aller Öffentlich­keit mache, dann ist das ein fatales Zeichen für die Kommunikat­ionskultur innerhalb eines Clubs“, moniert der einstige St.-pauli-coach Ewald Lienen Boldts Führungsst­il.

Nicht grün sind sich zudem Boldt und sein für Finanzen zuständige­r Vorstandsk­ollege Thomas Wüstefeld. Was dieser will, lehnt jener ab. Der Aufsichtsr­at sprach ein verhaltene­s Basta: Reißt euch zusammen und macht weiter! Pikant: Boldt ist Walters Vertrauter. Noch ist der Trainerver­trag (bis 30. Juni 2023) nicht verlängert. Geht Boldt, geht dann auch Walter?

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FOTO: IMAGO Hsv-trainer Tim Walter.

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