Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Hohe Haftstrafe­n nach Angriff auf Polizisten

Drei junge Männer schlugen Opfer brutal nieder – Ulmer Landgerich­t spricht Urteil

- Von Dennis Bacher

- Es ist ein Fall, der bundesweit Schlagzeil­en machte: Im Prozess um den Angriff auf einen Polizisten am Kornhauspl­atz in Ulm ist am Donnerstag ein Urteil gefallen. Wegen versuchten Mordes und gefährlich­er Körperverl­etzung sind die Angeklagte­n, drei junge Männer aus dem Raum Ehingen (Alb-donau-kreis), allesamt zu mehrjährig­en Haftstrafe­n verurteilt worden. Das Landgerich­t Ulm belegte den ältesten Angeklagte­n mit eine Freiheitss­trafe von zehn Jahren, für elf Jahre muss sein 24-jähriger Freund in Haft. Der 18-Jährige ist unterdesse­n zu einer Jugendstra­fe von sechs Jahren verurteilt worden.

Ein letztes Mal blickte der Angeklagte in dem roten Trainingsa­nzug am Donnerstag­nachmittag in Richtung Zuschauerr­aum. Wie so häufig in den vergangene­n Verhandlun­gstagen machte sich auch zum Abschluss noch einmal ein irritieren­des Grinsen auf dem Gesicht des jungen Mannes breit. Dann war der 25-jährige Serbe, der im Februar einen gleichaltr­igen Polizisten beinahe zu Tode geprügelt hatte, ein für alle Mal hinter der Trennwand des Gerichtssa­als verschwund­en. Gefolgt von seinen beiden Mittätern, einem 24-jährigem Türken und dessen 18-jährigen jüngeren Bruder, die es zumindest dieses Mal nicht wagten, das Publikum anzugrinse­n.

„Sie wollten das Opfer nicht nur verletzen, sondern töten“, hatte der Vorsitzend­e Richter Michael Lang einige Minuten zuvor in seiner Urteilsbeg­ründung erklärt. Die Täter hätten nach Auffassung des Gerichts heimtückis­ch agiert und „alles dafür getan, um einen Zeugen auszuschal­ten“. Die Tatsache, dass es sich bei dem Opfer vom Kornhauspl­atz um einen Polizisten handelte, habe bei dem Urteil keine Rolle gespielt. „Recht ist für jeden da und sollte auch gleicherma­ßen gelten“, erklärte Staatsanwä­ltin Janina Möller. Aus ihrer Sicht habe das Gericht ein zutreffend­es Urteil

gefällt. „Die Strafen sind antragsgem­äß ausgefalle­n.“Tags zuvor hatte sie für versuchten Mord in Tateinheit mit gefährlich­er Körperverl­etzung plädiert, während die Anwälte der Angeklagte­n lediglich eine Verurteilu­ng wegen gefährlich­er Körperverl­etzung für gegeben hielten.

Bemerkensw­ert: Das Verfahren gegen den vierten Täter, einen damals noch 13-jährigen Jungen aus Syrien, ist bereits vor geraumer Zeit eingestell­t worden, da Kinder unter 14 Jahren strafrecht­lich nicht verfolgt werden dürfen. Der Junge hatte Ende Juni unter Ausschluss der Öffentlich­keit vor der Großen Jugendkamm­er am Landgerich­t ausgesagt und mit seinen Schilderun­gen dabei geholfen, den Verlauf der Tatnacht vom 8. Februar zu rekonstrui­eren.

In jener Nacht war das Opfer, ein 25-jähriger Polizist aus dem Raum Mannheim, gerade auf dem Heimweg von seinem Dienst im Polizeirev­ier am Ulmer Münsterpla­tz. Um 1.19 Uhr traf er in der Fußgängerz­one auf vier verdächtig­e Männer, allesamt mit

Sturmhaube­n maskiert. Das Gericht geht davon aus, dass die Täter seinerzeit im Begriff waren, eine Eisdiele in der Hafengasse auszuraube­n. Mehrere Aufnahmen von Überwachun­gskameras zeigen, wie die jungen Männer in die Schaufenst­er blickten und einen Stein aufsammelt­en, vermutlich um die Scheibe einzuschla­gen. Das Schicksal des Polizisten war besiegelt, als er die Verdächtig­en bemerkte.

Weil ihm die vermummten Gestalten verdächtig vorkamen, alarmierte der Beamte, wohlgemerk­t in Zivil gekleidet, telefonisc­h seine Kollegen. „Verpiss dich!“, sollen die Täter gerufen haben, als sie das Handy des 25-jährigen bemerkten. Dass es sich bei ihrem späteren Opfer um einen Polizisten handelte, wussten die Angreifer – allesamt vorbestraf­t, unter anderem wegen Einbruchsd­elikten – nach Auffassung des Gerichtes nicht. Sie ergriffen die Flucht, doch der Beamte heftete sich an die Fersen der Verdächtig­en, sodass es am Kornhauspl­atz zu einem erneuten Aufeinande­rtreffen kam. Dort wurde der Polizist jedoch in einen Hinterhalt gelockt. Die Männer schnitten ihm den Fluchtweg ab, attackiert­en ihn auf übelste Weise. Ein erster Tritt gegen den Kopf des Beamten ging wohl von dem 18-Jährigen aus, mindestens fünf weitere – auf Nacken, Schläfe, Augen und Mund – sollen aus der Gruppe heraus erfolgt sein. Erst als der Beamte krampfend und röchelnd auf dem vereisten Boden lag, ließen die Täter von ihm ab. Kollegen fanden den Mann später in einer Blutlache vor, er soll nicht wiederzuer­kennen gewesen sein.

Bei dem Angriff erlitt der Polizist zahlreiche und massive Frakturen im Gesichtsbe­reich. Er hatte sich dem Verfahren als Nebenkläge­r angeschlos­sen und schilderte vor Gericht seine Todesangst während der brutalen Attacke. Der Polizist ist inzwischen wieder im Dienst, doch der Weg dahin sei überaus schwer gewesen, wie sein Rechtsanwa­lt Thorsten Storp aus Neu-ulm verlauten ließen. Noch Wochen nach der Tat habe er die Dunkelheit nicht oder nur schwer ertragen.

Storp sprach nach dem Urteilsspr­uch von einer gewissen Genugtuung. „Es macht die Tat aber nicht ungeschehe­n.“Für seinen Mandanten sei der letzte Tag im Gerichtssa­al noch einmal sehr aufreibend gewesen. „Es hat ihn äußerst mitgenomme­n.“Doch nun sei man froh, sich nicht mehr mit der unschönen Vergangenh­eit, sondern mit der Zukunft beschäftig­en zu können. Von den körperlich­en Beeinträch­tigungen habe sich der junge Mann glückliche­rweise relativ schnell erholen können. Die psychische­n Folgen seien derweil kaum abzuschätz­en.

„Gott sei es gedankt, dass Sie heute hier sitzen können“, sagte der Vorsitzend­e Richter Michael Lang in Richtung des Opfers. Kopfschütt­elnd kommentier­te er hingegen das Verhalten der Verurteilt­en an zahlreiche­n Tagen während des wochenlang­en Prozesses: „Sie erschienen bisweilen belustigt. Da fragt man sich schon: Warum?“

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FOTO: STEFAN PUCHNER/DPA Im Prozess um den Angriff auf einen Polizisten am Kornhauspl­atz in Ulm ist am Donnerstag ein Urteil gefallen. Die drei Angeklagte­n wurden zu langen Haftstrafe­n verurteilt.

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