Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Keine Sterbehilfe oder Abtreibungen an der OSK
Kreistag diskutiert, ob das „christliche Menschenbild“noch zeitgemäß ist
- Jeder im Gremium wusste: De facto geht es um die Frage, ob Abtreibungen oder Sterbehilfe an der OSK in Zukunft möglich sein sollen. Doch diese beiden Begriffe fielen in der Debatte kein einziges Mal. Und das christliche Menschenbild, das zu den Grundsätzen der OSK gehört, hat im Ravensburger Kreistag noch eine Mehrheit.
Aber der Reihe nach: Im bisherigen und wohl auch künftigen Gesellschaftsvertrag steht, die OSK beachte bei ihrem Handeln vier Grundsätze: „das christliche Menschenbild, die Unverletzlichkeit der Menschenwürde, die Ganzheitlichkeit des Menschen als Leib-seele-einheit und den uneingeschränkten Schutz des menschlichen Lebens“. Grund für diese stark katholisch geprägte Ausrichtung in puncto Lebensschutz ist die Geschichte der OSK: Der heutige Klinikverbund entstand vor 26 Jahren unter anderem aus dem Elisabethenklinikum der Franziskanerinnen von Reute. Auch ohne ein Mitspracherecht der Nonnen will eine Kreistagsmehrheit daran festhalten. Aus ganz verschiedenen Gründen.
Verändern wollten diese Haltung unter anderem die Grünen im Kreistag. Ihr Antrag: Es soll ergänzt werden, dass „die ärztliche Therapiefreiheit gewährleistet wird, das Angebot der medizinischen Leistungen sich ausschließlich nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft ausrichtet und die Pluralität der Beschäftigten gewährleistet wird“.
Warum lehnte das eine Mehrheit von CDU, Freien Wählern und FDP in der jüngsten Kreistagssitzung ab? Nicht nur aus ideologischen Gründen. Die Veränderung hätte womöglich die Zusammensetzung des Aufsichtsrats durcheinandergewirbelt.
Denn durch die Verpf lichtung zu christlichem Menschenbild und den weiteren im Gesellschaftsvertrag genannten Grundsätzen ist die OSK ein sogenannter Tendenzbetrieb. Einfach erklärt heißt das: Sie verfolgt nicht nur wirtschaftliche Ziele, sondern hat auf der Werte-ebene eine gewisse Schlagseite. Hätte sie diese nicht, würde das Betriebsverfassungsgesetz eine andere Anwendung finden. Zum Beispiel könnte dann die Belegschaft Anspruch auf die Hälfte der Plätze im Aufsichtsrat erheben. Die Gewerkschaft Verdi wollte das 2017 einklagen und bekam von den Richtern mit Verweis auf den Tendenzbetrieb eine Abfuhr. Auch im Kreistag will man, dass es bei den derzeitigen drei von 19 Aufsichtsräten aus der Belegschaft bleibt.
„Wo sind wir eigentlich hier?“, fragte Grünen-fraktionschef Tilman Schauwecker nach der Abstimmung. „Wir gehen auf Demonstrationen, wollen offen sein und sagen, wir heißen alle willkommen. Hier sind wir es null“, sagte der Grüne, der eine „moderate Säkularisierung“der OSK im Jahr 2024 für zeitgemäß hält. Seine Fraktion habe sich monatelang darum bemüht, einen konsensfähigen Vorschlag zu finden. Offensichtlich erfolglos. Schauwecker sagte, er habe „die Fühler bis nach Berlin ausgestreckt“. Und dort sei ihm von Experten gesagt worden: „Ihr betreibt hier ein Klinikum in öffentlicher Trägerschaft und lasst solche religiösen Pf löcke stehen? Das ist rechtlich sicher nicht standhaft.“Dabei wollten seine Grünen das christliche Menschenbild ja nicht einmal streichen, sondern ergänzen. „Es geht um einen winzigen gesellschaftlichen Schritt der Öffnung!“Schauweckers Fraktionskollegin Carmen Kremer, die für den Antrag maßgeblich verantwortlich war, erklärte: „Ich habe mit einem Verwaltungsrichter aus Mannheim darüber diskutiert, dass eine staatliche Einrichtung hier das christliche Menschenbild so betont. Der hat mir ganz klar gesagt, dass das verfassungswidrig ist.“Damit soll wohl die Neutralität des Staates in Religionsfragen gemeint sein. Kremer hatte sich über Monate mit dem Thema beschäftigt, sprach in der Sitzung aber nicht von dem eigentlichen Grund für ihren Antrag: Nach Sz-informationen gibt es an der OSK eine Ärztin oder einen Arzt, die oder der Abtreibungen vornehmen kann, das aber nicht darf, wenn es medizinisch für das Leben der Mutter nicht notwendig ist. Diese Tür wollten Grüne und SPD – sie stellten einen Antrag für Umformulierung auf „humanistisches Menschenbild“– öffnen. Neben den Abtreibungen könnte eine Aufweichung
des Lebensschutzes in den Osk-grundsätzen auch Auswirkungen auf mögliche Sterbehilfe an den Osk-kliniken in Ravensburg und Wangen haben. Stand heute ist auch das unabhängig von der bundesgesetzlichen Grundlage durch den Gesellschaftervertrag der OSK tabu.
Einer, der sich offen zu den christlichen Werten bekannte, war CDU-MANN Raimund Haser. „Ich mag es nicht, wenn man mit Verweis auf Berlin unsere christlichen Werte als hinterwäldlerisch darstellt“, sagte der Landtagsabgeordnete. FDP-CHEF Daniel Gallasch sagte: „Man braucht auch nicht so zu tun, als ob in der OSK irgendjemand aufgrund seiner Religion oder Weltanschauung diskriminiert wird.“Letzteres
hat in der Form niemand behauptet. Geht es nach dem Willen des Kreistags, bleibt beim christlichen Menschenbild in den Oskgrundsätzen also alles so wie es ist. Weil eine kleine Minderheit der Osk-anteile aber auch der Stadt Ravensburg gehören, wird sich in den kommenden Wochen wohl auch der örtliche Gemeinderat mit diesen Fragen befassen.