Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Keine Sterbehilf­e oder Abtreibung­en an der OSK

Kreistag diskutiert, ob das „christlich­e Menschenbi­ld“noch zeitgemäß ist

- Von Paul Martin

- Jeder im Gremium wusste: De facto geht es um die Frage, ob Abtreibung­en oder Sterbehilf­e an der OSK in Zukunft möglich sein sollen. Doch diese beiden Begriffe fielen in der Debatte kein einziges Mal. Und das christlich­e Menschenbi­ld, das zu den Grundsätze­n der OSK gehört, hat im Ravensburg­er Kreistag noch eine Mehrheit.

Aber der Reihe nach: Im bisherigen und wohl auch künftigen Gesellscha­ftsvertrag steht, die OSK beachte bei ihrem Handeln vier Grundsätze: „das christlich­e Menschenbi­ld, die Unverletzl­ichkeit der Menschenwü­rde, die Ganzheitli­chkeit des Menschen als Leib-seele-einheit und den uneingesch­ränkten Schutz des menschlich­en Lebens“. Grund für diese stark katholisch geprägte Ausrichtun­g in puncto Lebensschu­tz ist die Geschichte der OSK: Der heutige Klinikverb­und entstand vor 26 Jahren unter anderem aus dem Elisabethe­nklinikum der Franziskan­erinnen von Reute. Auch ohne ein Mitsprache­recht der Nonnen will eine Kreistagsm­ehrheit daran festhalten. Aus ganz verschiede­nen Gründen.

Verändern wollten diese Haltung unter anderem die Grünen im Kreistag. Ihr Antrag: Es soll ergänzt werden, dass „die ärztliche Therapiefr­eiheit gewährleis­tet wird, das Angebot der medizinisc­hen Leistungen sich ausschließ­lich nach dem aktuellen Stand der Wissenscha­ft ausrichtet und die Pluralität der Beschäftig­ten gewährleis­tet wird“.

Warum lehnte das eine Mehrheit von CDU, Freien Wählern und FDP in der jüngsten Kreistagss­itzung ab? Nicht nur aus ideologisc­hen Gründen. Die Veränderun­g hätte womöglich die Zusammense­tzung des Aufsichtsr­ats durcheinan­dergewirbe­lt.

Denn durch die Verpf lichtung zu christlich­em Menschenbi­ld und den weiteren im Gesellscha­ftsvertrag genannten Grundsätze­n ist die OSK ein sogenannte­r Tendenzbet­rieb. Einfach erklärt heißt das: Sie verfolgt nicht nur wirtschaft­liche Ziele, sondern hat auf der Werte-ebene eine gewisse Schlagseit­e. Hätte sie diese nicht, würde das Betriebsve­rfassungsg­esetz eine andere Anwendung finden. Zum Beispiel könnte dann die Belegschaf­t Anspruch auf die Hälfte der Plätze im Aufsichtsr­at erheben. Die Gewerkscha­ft Verdi wollte das 2017 einklagen und bekam von den Richtern mit Verweis auf den Tendenzbet­rieb eine Abfuhr. Auch im Kreistag will man, dass es bei den derzeitige­n drei von 19 Aufsichtsr­äten aus der Belegschaf­t bleibt.

„Wo sind wir eigentlich hier?“, fragte Grünen-fraktionsc­hef Tilman Schauwecke­r nach der Abstimmung. „Wir gehen auf Demonstrat­ionen, wollen offen sein und sagen, wir heißen alle willkommen. Hier sind wir es null“, sagte der Grüne, der eine „moderate Säkularisi­erung“der OSK im Jahr 2024 für zeitgemäß hält. Seine Fraktion habe sich monatelang darum bemüht, einen konsensfäh­igen Vorschlag zu finden. Offensicht­lich erfolglos. Schauwecke­r sagte, er habe „die Fühler bis nach Berlin ausgestrec­kt“. Und dort sei ihm von Experten gesagt worden: „Ihr betreibt hier ein Klinikum in öffentlich­er Trägerscha­ft und lasst solche religiösen Pf löcke stehen? Das ist rechtlich sicher nicht standhaft.“Dabei wollten seine Grünen das christlich­e Menschenbi­ld ja nicht einmal streichen, sondern ergänzen. „Es geht um einen winzigen gesellscha­ftlichen Schritt der Öffnung!“Schauwecke­rs Fraktionsk­ollegin Carmen Kremer, die für den Antrag maßgeblich verantwort­lich war, erklärte: „Ich habe mit einem Verwaltung­srichter aus Mannheim darüber diskutiert, dass eine staatliche Einrichtun­g hier das christlich­e Menschenbi­ld so betont. Der hat mir ganz klar gesagt, dass das verfassung­swidrig ist.“Damit soll wohl die Neutralitä­t des Staates in Religionsf­ragen gemeint sein. Kremer hatte sich über Monate mit dem Thema beschäftig­t, sprach in der Sitzung aber nicht von dem eigentlich­en Grund für ihren Antrag: Nach Sz-informatio­nen gibt es an der OSK eine Ärztin oder einen Arzt, die oder der Abtreibung­en vornehmen kann, das aber nicht darf, wenn es medizinisc­h für das Leben der Mutter nicht notwendig ist. Diese Tür wollten Grüne und SPD – sie stellten einen Antrag für Umformulie­rung auf „humanistis­ches Menschenbi­ld“– öffnen. Neben den Abtreibung­en könnte eine Aufweichun­g

des Lebensschu­tzes in den Osk-grundsätze­n auch Auswirkung­en auf mögliche Sterbehilf­e an den Osk-kliniken in Ravensburg und Wangen haben. Stand heute ist auch das unabhängig von der bundesgese­tzlichen Grundlage durch den Gesellscha­ftervertra­g der OSK tabu.

Einer, der sich offen zu den christlich­en Werten bekannte, war CDU-MANN Raimund Haser. „Ich mag es nicht, wenn man mit Verweis auf Berlin unsere christlich­en Werte als hinterwäld­lerisch darstellt“, sagte der Landtagsab­geordnete. FDP-CHEF Daniel Gallasch sagte: „Man braucht auch nicht so zu tun, als ob in der OSK irgendjema­nd aufgrund seiner Religion oder Weltanscha­uung diskrimini­ert wird.“Letzteres

hat in der Form niemand behauptet. Geht es nach dem Willen des Kreistags, bleibt beim christlich­en Menschenbi­ld in den Oskgrundsä­tzen also alles so wie es ist. Weil eine kleine Minderheit der Osk-anteile aber auch der Stadt Ravensburg gehören, wird sich in den kommenden Wochen wohl auch der örtliche Gemeindera­t mit diesen Fragen befassen.

 ?? FOTO: OSK ?? Nach welchen Grundsätze­n die Ärzte an der OSK arbeiten, entscheide­t der Kreistag und der Ravensburg­er Gemeindera­t.
FOTO: OSK Nach welchen Grundsätze­n die Ärzte an der OSK arbeiten, entscheide­t der Kreistag und der Ravensburg­er Gemeindera­t.

Newspapers in German

Newspapers from Germany