Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Schmidingers leidenschaftlicher Einsatz für die Gesellschaft
Der bekannte Waldseer kandidiert nach 30 Jahren nicht mehr für den Kreistag
- Nach 30 Jahren ist Schluss: Roland Schmidinger kandidiert in diesem Jahr nicht mehr als Kreisrat für die Freien Wähler. Der 65-Jährige will sich bewusst mehr Zeit für Familie und Freunde nehmen. In Anbetracht seiner bisherigen Lebensleistung ist diese Entscheidung nachvollziehbar. Der Waldseer hat sich mehrere Jahrzehnte leidenschaftlich für das Wohl der Gesellschaft eingesetzt. Eine Reminiszenz.
Zunächst ein Blick auf Schmidingers Arbeitsleben: Einer Lehre als Groß- und Außenhandelskaufmann folgt das Bwl-studium mit Fachrichtung Bau in Biberach. Es geht weiter nach München – zu einer Baufirma. Doch der Ruf der Heimat ist zu laut. Also steigt Schmidinger in den elterlichen Betrieb in Bad Waldsee ein. Im Grünen Baum bleibt er fünf Jahre, ehe ein Job beim Bauunternehmen Hinder lockt. 1993 sollte ein Zeitungsbericht seine Berufskarriere gleichwohl maßgeblich verändern. In einem Nebensatz wird erwähnt, dass Schmidinger sich als ehrenamtlicher Betreuer um seinen Bruder kümmert, der bei einem Verkehrsunfall schwer verletzt wurde. „Innerhalb von drei, vier Wochen habe ich 20 Anfragen für Betreuungen bekommen. Und so bin ich Berufsbetreuer geworden und bis heute sehr glücklich darüber“, erklärt Schmidinger.
So weit der Lebenslauf aus Berufssicht: Schmidingers Vita und Wirken ist gleichwohl geprägt
von weitreichendem ehrenamtlichen Engagement. Mit 16 Jahren tritt er der Waldseer Feuerwehr bei, 13 Jahre später wird er deren Kommandant – und bleibt es 15 Jahre lang. Auch auf Kreis- und Landesebene setzt er sich für Feuerwehrbelange ein. Für all seinen Einsatz wird er sogar mit dem höchsten deutschen Feuerwehrorden ausgezeichnet.
Quasi nebenbei ist Schmidinger auch noch sportlich erfolgreich, erreicht in gleich drei Sportarten vorderste Plätze – sei es beim Rudern, beim Fußball
oder in der Leichtathletik. Bis heute ist Schmidinger in 21 Waldseer Vereinen Mitglied.
1994 kommt die (Lokal-)politik dazu. Der Berufsbetreuer geht auf die Freien Wähler zu, will für den Kreistag kandidieren. „Der damalige Vorsitzende, Willi Bertele, hat sofort zugestimmt, aber auch gesagt: Es gibt fünf Sitze zu vergeben, vier sind bei der CDU und den fünften hab ich. Bei der ersten Wahl hatte ich gleich 1500 Stimmen mehr als er. Er hat mir dazu sofort gratuliert“, erinnert sich Schmidinger an die Anfänge.
Er kam bei den Wählern immer gut an. Warum? Schmidinger selbst betont, dass eine Kommunalwahl eine Persönlichkeitswahl ist und die Kandidaten nach Kompetenz und Sympathie gewählt werden und danach, ob man ihnen vertrauen kann. Das alles hat der Waldseer vereint.
In der ersten Kreistagssitzung musste Schmidinger ganz hinten Platz nehmen. Die Granden der Freien Wähler bestimmten damals auch, wer welchem Ausschuss angehören soll. Auf Schmidinger entfielen der Ausschuss
für Umwelt und Technik, heute Umwelt und Mobilität, sowie der Jugendhilfeausschuss. Beiden Gremien ist er bis heute treu geblieben.
Sechsmal wurde Schmidinger in den Kreistag gewählt. Darauf ist er zu Recht stolz. Obgleich die noch junge Entscheidung zur Schließung des Waldseer Krankenhauses einen Tiefpunkt darstellte. Einen Vorwurf macht Schmidinger den anderen Kreisräten nicht, der Bundespolitik aber schon: „Die Krankenhauspolitik, die ärztliche Versorgung und die Pflege fahren bei uns an die Wand. Da ist vieles von der großen Politik fehlgesteuert worden.“
Schmidinger konnte aber auch viele schöne Momente rund um sein Kreistagsmandat verbuchen. Ein Höhepunkt: Mitte der 1990er-jahre fuhr eine Delegation aller Fraktionen an den Lago Maggiore nach Italien, um eine Müllverbrennungsanlage zu besichtigen.
Neben politischen Gesprächen stand aber auch das Dolce Vita, also das italienische Lebensgefühl mit viel Essen und Trinken auf dem Programm. Gezahlt hat das nicht der Steuerzahler, sondern die Firma, die die Verbrennungsanlagen an die Kreisräte bringen wollte.
Doch nicht nur auf Kreisebene gestaltete der Ehrenkommandant der Waldseer Feuerwehr mit. Auch für seine Stadt engagierte sich Schmidinger – und zwar im Gemeinderat. Kleine Notiz am Rande: Hier war er Stimmenkönig. Von 2004 bis 2018 brachte „Capo“, wie er in Bad Waldsee liebevoll genannt wird, etliche Beschlüsse mit auf den Weg. Einer davon war „Altstadt für Alle“. Die Umgestaltung des Bleiche-areals bezeichnet er als Erfolg. Und auch der Verkehr fließe – trotz anfänglich gegensätzlicher Meinungen – flüssig durch die Stadt. Übrigens hat sich Schmidinger in den 80er-jahren schon für die Bleiche eingesetzt. Damals waren gemäß seinen Erinnerungen ein dreispuriger Ausbau und ein Fußgängertunnel im Gespräch. Ein Bürgerbegehren sei damals an einem Formfehler gescheitert, der Gemeinderat habe die Pläne dann aber nicht weiter verfolgt.
Warum der Träger der Waldseer Bürgermedaille der politischen Gremienarbeit jetzt den Rücken kehrt? Schmidinger möchte gerne mehr Zeit für Familie und Freunde haben, aber auch für Ausflüge in die Berge. „Ich bin rundum glücklich und mir geht es gut. Ich befinde mich auf der Sonnenseite des Lebens“, sagt der 65-Jährige mit warmer Stimme und lächelt. Nach rund 50 Jahren des bürgerschaftlichen Engagements ist ihm diese Zeit auch zu gönnen.
So ganz hat Schmidinger mit der Lokalpolitik aber noch nicht abgeschlossen. Er bleibt vorerst Verbandsvorsitzender der Freien Wähler im Kreis und in Bad Waldsee. „Ich habe viel von der Stadt Bad Waldsee bekommen und wollte ihr auch viel zurückgeben“, begründet der beliebte Waldseer seine jahrzehntelange Ehrenamtsarbeit.