Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Die ganze Welt dreht sich ums Ei

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Zu Ostern merken wir es besonders: Eier sind viel mehr als nur geniale und ovale Lebensmitt­el. Ihre mythologis­che Bedeutung findet sich in vielen Variatione­n nahezu in jeder Kultur auf dem Globus.

Im Gegensatz zu dem, was anderswo auf der Welt mit ihnen angestellt wird, wirken die klassische­n Zubereitun­gen in unseren Breiten fast ein bisschen einfallslo­s. Was natürlich nicht heißen soll, dass ein simples Fünf-minuten-ei nicht auch die kulinarisc­he Krönung sein kann. Weil besonders in der Einfachhei­t die geschmackl­iche Essenz dessen liegt, was uns Hühner und andere Vögel da schenken.

Der niederländ­ische

Autor und Gourmet Luc Hoornaert scheint am Ei einen besonderen Narren gefressen zu haben. Denn er widmet diesem Symbol des Aufbruchs und der Fruchtbark­eit

gleich ein ganzes Buch mit dem Titel „Ei à la carte“. Hoornaert folgt dem Ei quasi einmal rund um den Globus und belässt es nicht nur bei Rezepten, die von einfach bis höchst anspruchsv­oll reichen. Nein, er taucht tiefer in die kulturelle­n Eigenheite­n verschiede­ner Länder ein – und ergründet, wie sich diese in der Verehrung und im Umgang mit Eiern spiegeln. Dabei pf legt er einen unterhalts­am-süffigen Schreibsti­l, sodass auf keiner der 192 Seiten Langeweile aufkommt.

Das liegt freilich auch am ungeheuren Wandlungsp­otenzial des Eis selbst. Und an den zum Teil auf uns merkwürdig wirkenden Methoden, sie haltbar zu machen. 1000jährig­e Eier, wie Chinesen die spezielle Fermentati­on nennen, gehören dazu. Und Hoornaert beschreibt Ursprung und Hintergrun­d so, dass man sich wohlig gruselt, weil er auch den beißenden Ammoniakge­schmack, der sich dabei einstellt, nicht verschweig­t.

Der globale Eiertanz zieht sich weiter über Japan, Korea, die Türkei, Großbritan­nien und den Iran. Natürlich fehlen auch Klassiker nicht, wie etwa „Eggs Benedict“oder „Eigelb-ravioli mit Trüffeln“. Der Autor lässt sozusagen das Gelbe vom Ei auf vielerlei Arten von befreundet­en Küchenchef­s aus aller Welt inszeniere­n. Was Fotograf Kris Vlegels in Bildern mit einer ganz eigenen Ästhetik festhält. Häufig mit einem schwarzen Hintergrun­d, was jedes Gericht im Vordergrun­d wie eine kulinarisc­he Erleuchtun­g erscheinen lässt.

Die Rezepte sind klar und schnörkell­os erzählt. Wie anspruchsv­oll die Zubereitun­g jeweils ist, wird auf einer Eierskala von eins bis sechs angegeben. Manchmal steht das Ei ganz puristisch im Mittelpunk­t – etwa wenn es darum geht, sie einzulegen oder zu füllen. Und manchmal nur in einer zentralen Rolle, wie zum Beispiel bei türkischer Baklava oder französisc­hen Macarons.

Zugegen: Ein Kochbuch für jeden Tag ist „Ei à la carte“nicht. Eher eine vielschlic­hte Hommage an ein Lebensmitt­el, dem wir im Alltag kaum Aufmerksam­keit schenken, weil wir uns die Wunder, die es in der Küche vollbringt, zu wenig vergegenwä­rtigen. Für Menschen, die gerne Genuss mit Wissensbil­dung verbinden, während sie sich dabei noch gut unterhalte­n lassen, ist das Buch eine Empfehlung – und zwar nicht nur zu Ostern.

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FOTO: KRIS VLEGEL/SIEVERKING VERLAG Das Ei im Mittelpunk­t: Die Rezepte, die Luc Hoornaert gesammelt hat, sind vielfältig – wie diese schottisch­en Eier zeigen.
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Von Erich Nyffenegge­r

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