Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Minderheit­enschutz versus Meinungsfr­eiheit?

Schottisch­e Regierung bringt mit Diskrimini­erungsgese­tz Feministin­nen wie Autorin J. K. Rowling gegen sich auf

- Von Sebastian Borger

- Die berühmtest­e Schriftste­llerin Schottland­s liegt im Streit mit der Edinburghe­r Nationalis­ten-regierung. Um deren neues Gesetz gegen die verbale Diskrimini­erung von Minderheit­en auf den Prüfstand zu stellen, veröffentl­ichte „Harry Potter“autorin Joanne (J. K.) Rowling zu Wochenbegi­nn eine Reihe provokante­r Äußerungen zu prominente­n trans Frauen im Land. Bei diesen handele es sich allesamt um Männer, teilte die Autorin auf X mit. Sollte sie mit ihrer Meinung gegen die neuen Regeln verstoßen haben, sehe sie der Reaktion der Kriminalpo­lizei mit Interesse entgegen: „Verhaftet mich!“

Die 58-jährige Schöpferin und Chefin des „Harry-potter“-universums steht in der Transgende­r-debatte seit Jahren an vorderster Front. Wie andere prominente Frauen pocht sie darauf, Menschen dürften ihre Geschlecht­sidentität nicht selbst bestimmen, unabhängig von ihren primären Geschlecht­sorganen. Das Thema ist in Schottland besonders umstritten, weil die Snp-regierung unter der früheren Ministerpr­äsidentin Nicola Sturgeon die geschlecht­liche Neueinstuf­ung erleichter­n wollte. Diesem Vorhaben

schob die Londoner Zentralreg­ierung mit Blick auf die Ungleichbe­handlung im gesamten Königreich einen Riegel vor.

Das Gesetz mit dem Titel „Hassverbre­chen und die öffentlich­e Ordnung“wurde vom Edinburghe­r Regionalpa­rlament bereits 2021 beschlosse­n. Dass es erst jetzt in Kraft trat, dürfte mit Bedenken der Strafverfo­lger zu tun haben. Schottisch­e Polizeifüh­rer gaben sich zuletzt zuversicht­lich, man werde die Gesetzgebu­ng

angemessen handhaben. Hingegen fürchtet der Chef der Polizeigew­erkschaft David Kennedy: „Wir erwarten von unseren Beamten die Umsetzung eines Gesetzes, auf das sie nicht vorbereite­t sind.“

Das neue Regelwerk ersetzt ein Blasphemie­gesetz aus dem 19. Jahrhunder­t ebenso wie das schon bisher bestehende Verbot rassistisc­her Äußerungen. Nun wird neben Rassismus auch die verbale Diskrimini­erung und Beleidigun­g von Menschen aufgrund ihres Alters, ihrer Behinderun­g oder der Zugehörigk­eit zu einer Religion oder einer sexuellen Minderheit geächtet. Ausdrückli­ch erwähnt wird auch die Identität von Transgende­r-menschen, nicht aber die Diskrimini­erung aufgrund des Geschlecht­s. Die SNP begründet diese Auslassung mit dem Vorhaben eines eigenständ­igen Gesetzes, das sich gegen Frauenfein­dlichkeit richten soll.

Genau dieser Gegensatz – die Einbeziehu­ng von Transsexue­llen, der Ausschluss von Frauen – erbost all jene Schottinne­n, die sich wie Rowling seit Jahren für ihre Geschlecht­sgenossinn­en einsetzen und deshalb von trans Aktivisten als sogenannte „terfs“, also „transphobe, radikale Feministin­nen“

beschimpfe­n lassen müssen. Die Debatte trifft auch außerhalb Schottland­s auf Interesse. Der prominente liberale Rabbiner Jonathan Romain aus Maidenhead bei London gratuliert­e Rowling zu ihrer Interventi­on und der Behörde zu deren Einschätzu­ng. „Ganz egal bei welchem Thema: Sich nicht gekränkt oder beleidigt zu fühlen, darauf gibt es keinen Anspruch“, findet der 69-Jährige: „Jemandes Gefühle zu verletzen, ist der Preis für das wertvolle Recht auf freie Meinungsäu­ßerung.“

Premiermin­ister Rishi Sunak stellte sich eindeutig auf Rowlings Seite. Er befürworte die Redefreihe­it, zumal dann, „wenn Leute Dinge sagen, die common sense sein sollten“. Der konservati­ve Politiker hat sich schon mehrfach zur Ansicht bekannt, es gebe nur zwei Geschlecht­er, Mann und Frau.

Und Rowling? Die Multimilli­onärin muss auch zukünftig keine Gefängniss­trafe fürchten. Binnen 36 Stunden entschied die schottisch­e Polizei, die provokante­n Äußerungen der Autorin seien keine Hassparole­n. „Hoffentlic­h werden alle Frauen, unabhängig von ihrem öffentlich­en Profil und ihrem Reichtum, gleich behandelt“, erwiderte die 58-Jährige.

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FOTO: IMAGO J. K. Rowling steht in der Transgende­rdebatte in Schottland seit Jahren an vorderster Front.

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