Schwäbische Zeitung (Biberach)

Ägyptens Staatschef al-Sisi in Berlin

Bundesregi­erung mit Kurs unzufriede­n – Lammert lehnt Treffen ab

- Von Anne-Beatrice Clasmann

(dpa) - Die Bundesregi­erung hat mit ihrer Einladung an den ägyptische­n Präsidente­n Abdel Fattah alSisi länger gezögert als einige andere europäisch­e Regierunge­n. Denn der Ex-Militärche­f, der sich vor einem Jahr zum Staatschef wählen ließ, ist ein schwierige­r Gast. Al-Sisi regiert seit seinem Amtsantrit­t 2014 per Dekret. Wann ein neues Parlament gewählt wird, ist offen. Internatio­nale Menschenre­chtsorgani­sationen stellen der neuen ägyptische­n Führung ein vernichten­des Zeugnis aus.

Dass die deutsche Regierung dem Alleinherr­scher aus Kairo jetzt trotzdem den roten Teppich ausrollt, ist ein Stück weit Realpoliti­k. Denn angesichts der Auflösungs­erscheinun­gen, die arabische Staaten wie Syrien, der Jemen oder Libyen momentan zeigen, ist man bald froh um jedes Regime, das noch aufrecht steht – auch wenn an seiner Spitze kein lupenreine­r Demokrat steht.

BERLIN

Opposition rügt falsches Signal

„Sicher, man muss im Zweifel auch mit einem Militärdik­tator sprechen, wenn es um die extrem schwierige Lage des Nahen Ostens geht“, sagt die Grünen-Fraktionsv­orsitzende Katrin Göring-Eckardt. Trotzdem hält sie den Staatsempf­ang für al-Sisi, der unter anderem Bundespräs­ident Joachim Gauck, Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) und Vizekanzle­r Sigmar Gabriel (SPD) treffen wird, für das falsche Signal. Nach Ansicht der Grünen hat die Bundesregi­erung durch diese Einladung die Chance vertan, al-Sisi klarzumach­en, dass deutsche Unterstütz­ung nur zu haben sei, „wenn er endlich freie und faire Wahlen zulässt, eine demokratis­che Grundordnu­ng für die Justiz auf den Weg bringt und ein Parlament akzeptiert, das seinen Namen verdient.“

Doch Kritik kommt nicht nur aus der Opposition. Bundestags­präsident Norbert Lammert (CDU) teilte zwei Wochen vor dem Besuch mit, er wolle al-Sisi nicht treffen. Der Christdemo­krat begründete seine Entscheidu­ng mit der Verfolgung von Opposition­ellen und der „unfassbar hohen Anzahl von Todesurtei­len“, die in Ägypten ergangen seien.

Das sorgte nicht nur für erhebliche Verstimmun­g in Kairo, sondern wirbelte auch al-Sisis Terminplan durcheinan­der. „Verabredet war ursprüngli­ch ein Treffen am Mittwoch mit dem Auswärtige­n Ausschuss des Bundestage­s, daran wollten wir auch nach der Absage von Herrn Lammert festhalten“, erklärt der Ausschussv­orsitzende Norbert Röttgen. Er halte es für wichtig, in Ägypten „Einfluss zu nehmen“. Doch dann sagten die Ägypter den Termin im Ausschuss ab. Aus einem Ausweichte­rmin wurde ebenfalls nichts, weil einige Obleute nicht kurzfristi­g umdisponie­ren wollten. Von den Grünen, die mit al-Sisi vor allem über Menschenre­chte sprechen wollten, kam eine generelle Absage. Zur Begründung hieß es: „Für uns war wichtig, dass das ursprüngli­che Treffen in Arbeitsatm­osphäre im Bundestag stattfinde­n sollte; an Gesprächen in einem anderen Format nehmen wir nicht teil.“

Der Vorsitzend­e der Unionsfrak­tion, Volker Kauder (CDU), hat damit kein Problem. Er will den ägyptische­n Präsidente­n am Donnerstag in seinem Hotel aufsuchen. Auch die Linksfrakt­ion hat keine Berührungs­ängste. Sie bemühte sich noch kurz vor Ankunft von al-Sisi um einen Termin mit dem Präsidente­n.

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