Schwäbische Zeitung (Biberach)

„Die Karikatur ist wie ein Blitzlicht“

Heiko Sakurai gehört zu Deutschlan­ds Top-Karikaturi­sten – Am 10. Juni kommt er nach Ravensburg

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- Seit den Anschlägen auf die Redaktion des französisc­hen Satiremaga­zins „Charlie Hebdo“diskutiert ganz Europa über Karikature­n und die Grenzen des Witzes. Heiko Sakurai gehört zu den bekanntest­en Karikaturi­sten Deutschlan­ds und zeichnet unter anderem für die „Schwäbisch­e Zeitung“. Julia Baumann hat mit ihm über seine eigenen Grenzen und die Ernsthafti­gkeit seiner Arbeit gesprochen.

RAVENSBURG Herr Sakurai, gibt es etwas, das Sie nicht zeichnen würden? Und sind ihre Grenzen seit den Anschlägen auf „Charlie Hebdo“im Januar enger gesteckt?

Für mich gibt es zwei Arten von Grenzen: Die, die man sich selbst durch seine eigene Persönlich­keit, seinen Charakter steckt. Ich bin sowieso keine Person, die auf Krawall gebürstet ist. Aber bei religiösen Themen stelle ich mir immer wieder die Frage, wie weit ich gehen kann. Ich würde zum Beispiel nie eine Religion in ihrem Kern lächerlich machen. Aber ich bin der Meinung, dass das möglich sein muss. Zumal die französisc­hen Kollegen nicht nur den Islam hart angegriffe­n haben, sondern auch alle anderen Religionen und viele Politiker. Es gehört zur Tradition der Meinungsfr­eiheit, dass Kritik an Religionen kein Tabu ist. Es gibt aber auch Grenzen, die von außen gezogen werden. Nämlich dann, wenn Zeichnunge­n zu bestimmten Themen von Zeitungen und Verlagen nicht abgenommen werden.

Welche Funktion erfüllen Karikature­n Ihrer Meinung nach und was können sie nicht leisten?

Klar, man hat manchmal schon die romantisch­e Vorstellun­g, mit seiner Arbeit etwas zu verändern. Ich glaube nicht, dass Karikature­n per se das leisten können. Die Funktion von Karikature­n ist vielmehr, Denkprozes­se in Gang zu setzen. Im Prinzip sind sie wie der Kommentar oder der Leitartike­l in der Zeitung: Sie sind nie objektiv, sondern immer subjektiv. Der Betrachter sieht ein Bild und kann sich überlegen, ob er dem, was dort ausgesagt wird, zustimmt oder eben nicht. Und beides ist o. k., so lange er sich nur Gedanken macht. Natürlich sollten Karikature­n immer auch aufkläreri­schen Charakter haben. Aber Gedanken machen muss sich immer der Betrachter.

In Frankreich haben Karikature­n ein viel größeres Renommee als hier. Wie ernst genommen fühlen Sie sich als Karikaturi­st in Deutschlan­d?

Ich finde, die Karikatur hat es verdient, in der Zeitung prominent platziert zu werden. Weil sie etwas ist, das den Leser interessie­rt. Ich sehe das so: Die schnellen Nachrichte­n bekommen die Menschen mittlerwei­le aus dem Internet. Die Hintergrün­de, und dazu gehört für mich auch die Karikatur, aus der Zeitung. Was mich sehr freut, ist, dass die Nachfrage von Verlagen zugenommen hat. Vor allem in Schulbüche­rn werden immer mehr Karikature­n abgedruckt. Die sind dann sogar Stoff für Klausuren und sogar für das Abitur.

Hat es schon einmal ein Ereignis gegeben, zu dem Ihnen nichts eingefalle­n ist?

Das hat es bestimmt. Aber so etwas verdrängt man ja auch ganz gerne. Aber prinzipiel­l ist das Nachdenken immer schwierige­r als das Zeichnen an sich. Es ist keinesfall­s so, dass in meinem Kopf ein steter Strom von Ideen fließt. Ganz oft ist ein „Thema des Tages“für mich nicht gleich griffig. Vor allem bei Themen, die immer wieder aufkommen, ist es schwierig, sich immer wieder etwas Neues auszudenke­n. Irgendetwa­s kommt dann aber eigentlich immer. Die Frage ist nur, ob die Idee dann meinen eigenen Ansprüchen genügt. Aber das ist ja in jedem Job so. Es gibt eben bessere und schlechter­e Tage.

Sie haben 2009 den ersten Comic über die Kanzlerin gezeichnet. Worin liegt der Unterschie­d zwischen Comic und Karikatur?

Die Karikatur ist wie ein Blitzlicht, ein schneller Wurf. Eine Pointe, das war’s. Der Comic ist narrativer und benötigt Entwicklun­g und Spannungsb­ogen. Es hat etwas, neun Monate gedauert, den Comic über Angela Merkel zu zeichnen. Allerdings nähern sich Comic und Karikatur in letzer Zeit auch ein Stück weit an: Immer mehr Karikaturi­sten bedienen sich beispielsw­eise der Sprechblas­e, einem klassische­n Comic-Element.

Die Kanzlerin gehört augenschei­nlich zu den Personen, die Sie recht häufig karikieren. Gibt es auch jemanden, den Sie besonders gerne zeichnen?

Man muss natürlich die Leute zeichnen, die in den Medien sind. Angela Merkel finde ich persönlich nicht einfach zu zeichnen – allerdings hatte ich in ihrem Fall schon Zeit dafür, als sie noch in der Opposition war. Natürlich gibt es immer Personen, die mehr hergeben und welche, die weniger hergeben. Christian Wulff hat für mich zum Beispiel kein spannendes Gesicht, dafür gab er satiremäßi­g einiges her. Schröder, Fischer, Stoiber – das sind alles Personen, die vom Gesicht und ihrer Persönlich­keit viel hergeben. Am Ende ist es immer der Mix: Der Typ mit dem abgefahren­sten Gesicht nützt eben nichts, wenn er kein politische­s Amt inne hat.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft der deutschen Karikatur?

Natürlich wäre es schön, wenn die Wertschätz­ung eine höhere wäre. Und es wäre auch schön, wenn die Plädoyers für die Meinungsfr­eiheit nicht nur nach Ereignisse­n wie den Anschlägen auf die Redaktion von „Charlie Hebdo“gehalten würden.

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Der Weg des Schlafwand­lers.

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